- Psyche
 
Digitale Tools bei Diabetes und Depression: „Diabetologie als Vorreiter?“
4 Minuten
											Im Interview berichtet Prof. Dr. Bernd Kulzer, inwieweit digitale Tools beim gemeinsamen Auftreten von Diabetes und Depression helfen können und ob die Diabetologie hier eine Vorreiterrolle für die gesamte Medizin einnehmen kann.

Im Interview: Professor Dr. Bernd Kulzer
Menschen mit Diabetes mellitus haben ein doppelt so hohes Risiko für eine Depression. Ist die Diagnose gestellt, dauert es oft viel zu lange, bis die passende psychotherapeutische Hilfe gefunden wird. Prof. Dr. phil. Dipl.-Psych. Bernd Kulzer ist Leiter des Bereichs Psychodiabetologie am Diabetes-Zentrum Mergentheim und 1. Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Diabetes & Psychologie der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG). Wir sprachen mit ihm über Häufigkeiten und die Rolle, die digitale Tools, die von den Krankenkassen erstattet werden (Digitale Gesundheitsanwendungen, kurz: DiGA) spielen können bei Diabetes und Depression.
Diabetes-Anker: Wie viele Menschen mit Diabetes mellitus haben depressive Verstimmungen bzw. eine depressive Symptomatik – im Vergleich zur Normalbevölkerung?
Prof. Dr. Bernd Kulzer: Menschen mit Diabetes haben im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung ein etwa zwei- bis dreifach höheres Risiko, an einer Depression zu erkranken. Etwa jede Achte bis Zehnte Person mit Diabetes weist aktuell eine Depression auf – insgesamt mehr als eine Million Menschen mit Diabetes. Die zusätzliche Zahl der Personen, die eine erhöhte Depressivität, aber nicht das klinische Vollbild einer Depression aufweisen, wird auf circa 15 bis 20 Prozent geschätzt.
Betrifft dies mehr Menschen mit Typ-2-Diabetes oder mit Typ-1-Diabetes?
Prof. Kulzer: Interessanterweise zeigen die Studienergebnisse kaum Unterschiede zwischen den Diabetestypen. Das kann eventuell dadurch begründet sein, dass Menschen mit Typ-1-Diabetes und Typ-2-Diabetes zwar unterschiedliche Belastungen im Zusammenhang mit dem Diabetes aufweisen, aber in der Summe einem ähnlichen Ausmaß diabetesbezogener Stressoren ausgesetzt sind.
Bei welcher Art depressiver Anzeichen von Menschen mit Diabetes kann eine digitale Gesundheitsversorgung ihrer Einschätzung nach Betroffenen helfen?
Prof. Kulzer: Es gibt eine zugelassene Digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) namens Hello Better Diabetes und Depression, diese zielt auf Menschen mit Diabetes, die bereits an einer Depression erkrankt sind. Ein großer Vorteil von digitalen Anwendungen ist, dass sie unmittelbar nach der Diagnose einer Depression verschrieben und von den Teilnehmern orts- und zeitunabhängig angewendet werden können. Dies ist angesichts der Schwierigkeiten, rasch psychotherapeutische Unterstützung zu bekommen, ein großer Vorteil.
Wo beginnt, wo endet der Nutzen einer DiGA bei Diabetes und Depression?
Prof. Kulzer: Bei mittelgradigen depressiven Episoden, bei denen die Therapie nicht anspricht, und bei schweren depressiven Episoden muss beachtet werden, dass entsprechend den Leitlinien eine therapeutische Begleitung durch Psychiater*innen, Psychosomatiker*innen oder Neurolog*innen mit psychiatrischer Zusatzausbildung empfohlen wird. Dies müssen Betroffene wissen, damit sie nicht glauben, dass eine digitale Anwendung die einzige Therapiemaßnahme bei Depressionen ist. Auch für Patientinnen und Patienten mit sehr geringem Antrieb, wenig digitaler Kompetenz und Suizidgedanken sind digitale Anwendungen eher nicht geeignet.
„Die Drop-out-Rate ist relativ hoch, und es sind natürlich eher digital affine Menschen, die man mit Apps erreicht.“
Wie ist die Studienlage hinsichtlich digitaler Hilfen für das Diabetes-Selbstmanagement überhaupt?
Prof. Kulzer: In einer Übersichtsarbeit wurden kürzlich alle Studien zu digitalen Hilfen für das Diabetes-Selbstmanagement zusammenfassend bewertet. Die Schlussfolgerung der Autorinnen und Autoren ist klar: Sie wirken. Allerdings nur bei Personen, die sie auch anwenden, was ein generelles Problem digitaler Anwendungen ist: Die Drop-out-Rate ist relativ hoch, und es sind natürlich eher digital affine Menschen, die man mit Apps erreicht.
… und wie ist die Studienlage digitaler Hilfen bei Diabetes mellitus und Depression?
Prof. Kulzer: Dies gilt gleichermaßen für psychotherapeutische Interventionen. Die bisher veröffentlichten Ergebnisse zu der schon genannten DiGA zeigen, dass die Depressivität geringer wird. Wünschenswert wäre allerdings auch, dass gleichermaßen die diabetesbezogenen Belastungen reduziert werden, da diese oft auslösende Bedingungen für erneute depressive Episoden sind. Da es bei Depressionen häufige Rezidive gibt, ist es zukünftig auch interessant, ob es gelingt, die Anzahl von rezidivierenden depressiven Episoden zu verringern.
Ein Letztes: Die veröffentlichten Studienergebnisse zeigen, dass die App nachweislich einen kurz- und mittelfristigen Effekt in Hinblick auf die Reduktion der depressiven Symptomatik hat. Dieser Effekt ist gut und geht auch hinsichtlich der berichteten Effektstärken in die therapeutisch erwünschte Richtung. Wie bei vielen DiGAs wäre es wünschenswert, wenn die Rate der Teilnehmenden die abbrechen, geringer wäre.
Sehen Sie die Diabetologie in einer Vorreiterrolle hinsichtlich einer Digitalisierung der Medizin?
Prof. Kulzer: Jein! Auf der einen Seite ist Diabetes eine Erkrankung, bei der effektives Datenmanagement wichtig ist und besonders bei der Therapie Auswertungsprogramme zum Glukosemanagement und mit AID-Systemen sogar in absehbarer Zeit eine fast automatische Steuerung der Glukose möglich ist. Anderseits stehen für die überwiegende Anzahl der Menschen mit Typ-2-Diabetes neue Technologien und digitale Anwendungen bislang nur in einem geringen Ausmaß zur Verfügung. Auch werden telemedizinische Angebote, die Anwendung von künstlicher Intelligenz mittlerweile in anderen medizinischen Disziplinen deutlich fortschrittlicher angewendet.
Haben Sie Tipps: Wie kann sich eine Ärztin oder eine Therapeutin schnell ein Bild machen von einer DiGA – und ob man diese guten Gewissens empfehlen kann?
Prof. Kulzer: Den schnellsten Überblick bekommt man mit einem Blick in das DiGA-Verzeichnis des Bundesamtes für Arzneimittelsicherheit (BfArM). Hier findet man alle Informationen zu den verordnungsfähigen DiGAS, deren Inhalte, Indikation, den Preis und die Möglichkeiten der Verordnung durch ärztliche und psychotherapeutische Leistungserbringer*innen.
Welche Diabetes-DiGA ist überfällig, was erwarten Sie demnächst?
Prof. Kulzer: In der „Pipeline“ sind digitale Anwendungen zum Umgang mit Glukosewerten, zur Unterstützung der Insulintitration bei Patient*innen mit einer BOT-Therapie, zum Insulinspritzen, zur Lebensstiländerung und zur Verbesserung des Diabetes-Selbstmanagements. Wünschen würde ich mir eine DiGA zur Reduktion von diabetesbezogenen Belastungen.
Interview: Günter Nuber
zuerst erschienen in „diabetes zeitung“, Ausgabe 6/2022
Diabetes-Anker-Newsletter
Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.
Ähnliche Beiträge
- Technik
 
Diabetes-Anker-Podcast: Diabetes-Technologie – darum ist die Teilnahme an der neuen Umfrage zum dt-report 2026 so wichtig
- Leben mit Diabetes
 
Diabetes-Anker-Podcast: Suchterkrankungen bei Diabetes – im Gespräch mit Prof. Dr. Thomas Haak
Diabetes-Anker-Newsletter
Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.
Über uns
Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.
Community-Frage
Mit wem redest du
über deinen Diabetes? 
				Die Antworten werden anonymisiert gesammelt und sind nicht mit dir oder deinem Profil verbunden. Achte darauf, dass deine Antwort auch keine Personenbezogenen Daten enthält.
Werde Teil unserer Community
Community-Feed
- 
	
	
insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 6 Tagen, 1 Stunde
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina - 
	
	
gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 1 Tag
Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
Danke schonmal im Voraus- 
	
	darktear antwortete vor 1 Woche, 4 Tagen
Hallo,
Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*LG Sndra
 - 
	
	moira antwortete vor 1 Woche
Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG
 
 - 
	
	
 - 
	
	
hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 2 Tagen
Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.
- 
	
	lena-schmidt antwortete vor 1 Woche, 4 Tagen
@stephanie-haack hast du vielleicht ein paar gutes Tipps?
 - 
	
	connyhumboldt antwortete vor 5 Tagen, 19 Stunden
Besorge Dir Pflaster die über Tattoos geklebt werden, wenn die neu gestochen sind! Oder Sprühpflaster das Stomapatienten benutzen!
 
 - 
	
	
 
															
															
								
								
								

Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig