Ich bin “geflasht”!

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Ich bin “geflasht”!

Wow, nach fast 30 Jahren Typ-1-Diabetes nun plötzlich einen Alltag ganz ohne Blutzuckermessen: Das soll möglich sein? O.k., die, die mich länger kennen, wissen, dass ich seit 2008 Dauerträgerin eines Systems zum kontinuierlichen Glukosemessen (CGM) bin, aber das soll hier kein Thema sein – denn Flash Glukose Monitoring (FGM), also das Gerät, das mich gerade "flasht", hat nichts mit CGM zu tun, außer, dass ein Sensor im Unterhautfettgewebe liegt, aber damit hören dann die Gemeinsamkeiten auch fast auf: FGM soll ein Ersatz für das umständliche Blutzuckermessen sein.

Sensor kaum bemerkt

Als es Anfang September ernst wurde, war ich sehr gespannt, was mich erwartet. Gemeinsam mit einer nichtdiabetischen Kollegin wurden wir von zwei Abbott-Mitarbeitern geschult und bekamen das FGM-System angelegt, FreeStyle Libre heißt es. Das Setzen war einfach, der Sensor so kurz und fein, dass ich ihn gar nicht gemerkt habe, und der Sender ist so flach und klein, dass man ihn schon Sekunden nach dem Legen vergessen hat.

Eine Stunde mussten wir warten, dann konnten wir das Lesegerät über den Sensor halten, quasi scannen, und schwups, der erste Glukosewert erschien im Display. Da der Sensor den Glukosewert im Unterhautfettgewebe misst, ist dieser nicht identisch mit dem Blutzuckerwert.

Kontinuierlich messen …

Zuverlässige Werte

Am ersten Tag waren die angezeigten Werte in unserem Fall sehr niedrig. Deshalb würde ich jedem Flash-Träger empfehlen, am ersten Tag wie bisher die Blutzuckerwerte zu messen und das Gerät erst einmal kennenzulernen. Nach 24 Stunden hatte ich das Gefühl, dass sich das System "gefunden" hatte, die Werte waren und sind zuverlässig. Ich habe auch mit Messwerten aus dem Labor verglichen: Labor 125 mg/dl, FreeStyle Libre 126 mg/dl.

Aber der Kleine kann noch mehr: Er misst nicht nur den Gewebszucker, er hat auch einen Bolusrechner integriert, der allerdings nur mit einer Blutzuckermessung funktioniert, integriert im Gerät, und er misst auch Blutketone.

Vorteil: Trendanzeigen

Der wirkliche Vorteil liegt aber nicht in den genauen Messwerten, sondern in den Trendanzeigen: Ich sehe nicht nur die aktuelle Höhe meines Werts, sondern auch die Richtung, in die sich mein Glukoseniveau gerade entwickelt. Bei einem Wert von 132 mg/dl sehe ich zum Beispiel einen Pfeil schräg nach oben, der Zucker steigt also leicht an (1 – 2 mg/dl in der Minute). Das sagt mir, dass ich mich getrost auf mein Fahrrad setzen und nach Hause radeln kann, was ich bei 132 mg/dl und einem Pfeil senkrecht fallend (mehr als 2 mg/dl in der Minute) nicht tun sollte.

Viele Daten auswerten

Für Freunde der Statistik hat das System auch einiges zu bieten: Man kann sich seine Glukosemittelwerte zu den jeweiligen Tageszeiten, ein Tagebuch, den Tagesverlauf, lückenlos über 24 Stunden – wenn man mindestens alle 8 Stunden einmal scannt –, die Werte im Zielbereich, Tagesmuster, Anzahl der Hypoglykämien etc. im Display anzeigen lassen. Wenn man die Daten aus dem Gerät mit der zugehörigen Software in einen Computer (oder Mac) ausliest, sind die Möglichkeiten noch vielfältiger: Die Daten werden mit dem Ambulanten-Glukose-Profil-Report, kurz AGP-Report, gleich ordentlich aufbereitet.

Praxistest bestanden

Zurück zu meinem Praxistest. Ich habe das System Härtetests unterzogen: eine lange Strecke laufen, sehr schnelles, schweißtreibendes Spinning, Fußball spielen mit durchaus heftigem Körperkontakt. Das System hat gehalten, sogar ohne zusätzliche Fixierung. Damit hätte ich nicht gerechnet … Scannen kann man das Gerät problemlos durch jede Kleidung, auch durch eine dickere Jacke hindurch. Dadurch ist es extrem unauffällig und auch bei längeren Autofahrten gut nutzbar.

Begeisterung, Rührung …

Aber was mich am meisten beeindruckt hat, waren die Reaktionen der Patienten, die ich in den folgenden Tagen zur Diabetesschulung hatte. Bei einer musste ich mich fast körperlich zur Wehr setzen, damit sie es mir nicht vom Arm reißt, eine andere war vor Begeisterung, Rührung, Erleichterung, Freude über diese neue Lebensqualität, die sie damit erfahren darf, so ergriffen, dass sie 15 Minuten geweint hat. Alle wollten sich sofort auf der Seite registrieren lassen, um das System, sobald es verfügbar ist, ausprobieren zu können.

Selbst eine eher technikkritische Diabetologin, bei der ich einige Tage später geschult habe, war so angetan von dieser komplett neuen Möglichkeit, dass sie darüber sofort einen Vortrag für ihren Qualitätszirkel von Hausärzten haben wollte. Die Reaktionen der Diabetiker waren bewegend. Hier ein paar Kommentare: "Wow, gestern wollte ich mir unbedingt das neue IPhone 6 kaufen, bin ein totaler Apple-Freak und brauche da immer das neuste Gerät, aber wenn ich das sehe, vergiss das IPhone 6, ich will Flash kaufen."

Ein junges Paar, finanziell nicht gerade als wohlhabend zu bezeichnen, er seit vielen Jahren Typ-1-Diabetiker, kam in die Sprechstunde; nachdem sie das FGM gesehen hatten, meinte sie sofort: "Weißt du was, wir tun beide was für unsere Gesundheit: Ich höre auf zu rauchen und von dem Geld kaufen wir dann deine Flash-Sensoren!" Das nenne ich wahre Liebe!

Natürlich braucht es für dieses System eine gute Schulung, einen reflektierten Umgang mit der Diabetestherapie, aber der Gewinn an Lebensqualität ist sensationell. Deshalb mein Tipp: Ausprobieren.


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