Insulinpumpe und AID-Systeme: Chance, Herausforderung, bewusste Entscheidung

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Insulinpumpe und AID-Systeme: Chance, Herausforderung, bewusste Entscheidung | Foto: Sunny studio - stock.adobe.com
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Insulinpumpe und AID-Systeme: Chance, Herausforderung, bewusste Entscheidung

Wer sich für die Therapie mit einer Insulinpumpe entscheidet, sollte diesen Entschluss sehr bewusst treffen. Denn es ist eine aktive Lebensstil-Entscheidung. Wichtig ist, zu überlegen, was man möchte – und was nicht. Einen Überblick gibt Diabetesberaterin Regine Werk.

Die Insulinpumpe hat die Diabetes-Therapie revolutioniert. Sie ersetzt die mehrfach täglichen Injektionen, wie sie bei der intensivierten Insulintherapie (ICT) erforderlich sind, durch eine kontinuierliche Insulin-Zufuhr. In Kombination mit einem System zur automatisierten Insulin-Dosierung (AID-System), auch (Hybrid-)Closed-Loop-System genannt, wird die Insulingabe teilweise automatisiert.

Viele Menschen mit Typ-1-Diabetes erleben dadurch eine deutliche Erleichterung im Alltag, stabilere Glukosewerte und mehr Flexibilität. Gleichzeitig bringt die Entscheidung für eine Pumpe – insbesondere im AID-System – neue Herausforderungen und Überlegungen mit sich.

Algorithmus steuert Insulingabe

Eine Insulinpumpe ist ein kleines, tragbares Gerät, das kontinuierlich kurz wirksames Insulin über eine Kanüle ins Unterhautfettgewebe abgibt. AID-Systeme kombinieren Insulinpumpe, ein System zum kontinuierlichen Glukosemessen (CGM) und einen Algorithmus zum Steuern.

Der Algorithmus passt die Insulinzufuhr automatisch an den aktuellen und prognostizierten Glukoseverlauf an. Einige Systeme geben auch automatische Korrekturboli ab. Ziel ist es, die Glukosewerte so häufig wie möglich im Zielbereich zu halten – ohne dass die Nutzerinnen und Nutzer ständig eingreifen müssen.

Insulinpumpe bringt Vorteile

Der Vorteil einer Insulinpumpe können, wie gesagt, mehr Glukosewerte im Zielbereich sein. Außerdem lassen sich durch die feinere Dosierung des Insulins in kleinen Schritten Schwankungen besser ausgleichen. AID-Systeme reagieren zudem auf steigende oder fallende Werte, bevor die Glukosewerte zu hoch oder zu tief liegen.

Ein weiterer Vorteil: Es entstehen weniger Unterzuckerungen (Hypoglykämien), besonders nachts. Denn ein AID-System kann die Insulinzufuhr automatisch reduzieren oder stoppen, wenn ein Abfall des Glukosewerts vorhergesagt wird. Das erhöht die Sicherheit und verbessert den Schlaf.

Entscheidung für eine Insulinpumpe

  1. Insulinpumpen und AID-Systeme bieten enorme Chancen, aber auch Herausforderungen.
  2. Wer mit einer Insulinpumpe bzw. einem AID-System beginnt, benötigt eine ausführliche Schulung.
  3. Die Entscheidung für oder gegen eine Therapie mit Insulinpumpe bzw. AID-System sollte immer sehr bewusst getroffen werden, nach Abwägen der individuellen Vor- und Nachteile.

Mit Insulinpumpe und AID-System kann man seinen Alltag flexibler gestalten. Denn sie ermöglichen eine Anpassung der Insulinzufuhr an unterschiedliche Tagesrhythmen, Sport, Schichtarbeit oder hormonelle Schwankungen. Auch Mahlzeiten können flexibler gestaltet werden und das Verschätzen bei Kohlenhydrat-Mengen kann das System bis zu einem gewissen Grad ausgleichen.

Besonders die Erleichterung im Alltag steht für die meisten Patientinnen und Patienten im Vordergrund. Das eigenständige Berechnen von Insulindosen und mehrfaches Spritzen am Tag entfallen, Alarme wegen zu tiefer oder zu hoher Glukosewerte werden weniger. All das kann die mentale Belastung durch die Diabetes-Therapie deutlich senken.

Es gibt auch Herausforderungen

Manche belasten auch die ein oder anderen Nachteile und Herausforderungen. Dazu gehören die Abhängigkeit von der Technik, denn Insulinpumpen und AID-Systeme sind elektronische Geräte. Sie können ausfallen, Softwarefehler haben oder Insulinpumpe und CGM-System entkoppeln sich, sodass sie nicht mehr miteinander kommunizieren können. Nutzerinnen und Nutzer müssen dann wissen, wie sie im Notfall auf eine Therapie mit Insulinpen oder Spritze umsteigen.

Für manche ist auch das Tragen der Insulinpumpe – sie ist rund um die Uhr am Körper – störend und einschränkend, mitunter sogar stigmatisierend, besonders bei Sport, Schlafen oder in intimen Momenten. Das kann die Akzeptanz verringern.

Lernkurve zu Beginn

Der Einstieg in eine Therapie mit einer Insulinpumpe bzw. einem AID-System erfordert Schulung, denn Wechsel von Kanüle und Katheter, Programmierung der Insulinpumpe bzw. des Algorithmus und Interpretation von CGM-Daten wollen gelernt sein. Wer die Technik nicht aktiv mitgestaltet, riskiert, nicht alle Vorteile nutzen zu können.

Weiterführende Informationen: Leitlinien zur Therapie des Typ-1-Diabetes (PDF)

Wem eine Insulinpumpe besonders hilft

Wem hilft eine Insulinpumpe oder ein AID-System besonders? Eine Insulinpumpe ist besonders geeignet für Menschen, deren Glukosewerte stark schwanken, die häufig Hypoglykämien haben, flexibel leben möchten oder müssen, z.B. durch Schichtarbeit oder unregelmäßige Mahlzeiten. Auch eine bestehende oder geplante Schwangerschaft kann ein Grund sein. Eine hohe Insulin-Empfindlichkeit, wie sie z.B. bei Kleinkindern, aber auch bei anderen Menschen mit Diabetes bestehen kann, lässt sich mit einer Insulinpumpe aufgrund der sehr kleinen abgebbaren Insulindosen besser managen.

Schritt zum AID-System

AID-Systeme eignen sich für Menschen, die ihre Therapie aktiv managen wollen, bereit sind, ihre Daten zu überwachen und die Technik zu verstehen. Die Entscheidung für eine Pumpe im AID-System sollte sehr bewusst erfolgen, denn das ist mehr als eine technische Umstellung – es ist eine aktive Lebensstil-Entscheidung.

Wichtig ist dabei Selbstreflexion: Bin ich bereit, die Pumpe ständig zu tragen? Kann ich Algorithmen vertrauen und dennoch eingreifen, wenn nötig? Passt das Gerät in meinen Alltag, meinen Beruf, mein Körpergefühl? Möchte ich langfristig die Kontrolle teilweise abgeben, um im besten Fall Lebensqualität zu gewinnen?

Viele Menschen berichten, dass sie durch die bewusste Entscheidung für eine Insulinpumpe mehr Freiheit, weniger Angst vor Unterzuckerungen und ein entspannteres Leben haben. Andere entscheiden sich bewusst dagegen, um sich nicht ständig „verkabelt“ zu fühlen. Beide Entscheidungen sind legitim – entscheidend ist, dass sie informierte und selbstbestimmte Entscheidungen sind.

Fazit

Insulinpumpen und AID-Systeme bieten enorme Chancen: stabilere Glukosewerte, weniger Hypoglykämien, mehr Flexibilität. Gleichzeitig erfordern sie technisches Verständnis, regelmäßige Schulung und die Bereitschaft, das System in den Alltag zu integrieren. Eine bewusste Entscheidung für oder gegen eine Insulinpumpe bzw. ein AID-System sollte immer gemeinsam mit dem Diabetes-Team getroffen werden – mit Blick auf persönliche Lebensumstände, Ziele und Werte.


von Regine Werk

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Erschienen in: Diabetes-Anker, 2025; 74 (11) Seite 18-19

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  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • darktear antwortete vor 6 Tagen

      Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

  • gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 6 Tagen

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

    Uploaded Image
    • Hallo,

      Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
      Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
      Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*

      LG Sndra

    • Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG

  • hexle postete ein Update vor 3 Wochen

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

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