- Technik
Insulinpumpe und AID-Systeme: Chance, Herausforderung, bewusste Entscheidung
3 Minuten
Wer sich für die Therapie mit einer Insulinpumpe entscheidet, sollte diesen Entschluss sehr bewusst treffen. Denn es ist eine aktive Lebensstil-Entscheidung. Wichtig ist, zu überlegen, was man möchte – und was nicht. Einen Überblick gibt Diabetesberaterin Regine Werk.
Die Insulinpumpe hat die Diabetes-Therapie revolutioniert. Sie ersetzt die mehrfach täglichen Injektionen, wie sie bei der intensivierten Insulintherapie (ICT) erforderlich sind, durch eine kontinuierliche Insulin-Zufuhr. In Kombination mit einem System zur automatisierten Insulin-Dosierung (AID-System), auch (Hybrid-)Closed-Loop-System genannt, wird die Insulingabe teilweise automatisiert.
Viele Menschen mit Typ-1-Diabetes erleben dadurch eine deutliche Erleichterung im Alltag, stabilere Glukosewerte und mehr Flexibilität. Gleichzeitig bringt die Entscheidung für eine Pumpe – insbesondere im AID-System – neue Herausforderungen und Überlegungen mit sich.
Algorithmus steuert Insulingabe
Eine Insulinpumpe ist ein kleines, tragbares Gerät, das kontinuierlich kurz wirksames Insulin über eine Kanüle ins Unterhautfettgewebe abgibt. AID-Systeme kombinieren Insulinpumpe, ein System zum kontinuierlichen Glukosemessen (CGM) und einen Algorithmus zum Steuern.
Der Algorithmus passt die Insulinzufuhr automatisch an den aktuellen und prognostizierten Glukoseverlauf an. Einige Systeme geben auch automatische Korrekturboli ab. Ziel ist es, die Glukosewerte so häufig wie möglich im Zielbereich zu halten – ohne dass die Nutzerinnen und Nutzer ständig eingreifen müssen.
Insulinpumpe bringt Vorteile
Der Vorteil einer Insulinpumpe können, wie gesagt, mehr Glukosewerte im Zielbereich sein. Außerdem lassen sich durch die feinere Dosierung des Insulins in kleinen Schritten Schwankungen besser ausgleichen. AID-Systeme reagieren zudem auf steigende oder fallende Werte, bevor die Glukosewerte zu hoch oder zu tief liegen.
Ein weiterer Vorteil: Es entstehen weniger Unterzuckerungen (Hypoglykämien), besonders nachts. Denn ein AID-System kann die Insulinzufuhr automatisch reduzieren oder stoppen, wenn ein Abfall des Glukosewerts vorhergesagt wird. Das erhöht die Sicherheit und verbessert den Schlaf.
Entscheidung für eine Insulinpumpe
- Insulinpumpen und AID-Systeme bieten enorme Chancen, aber auch Herausforderungen.
- Wer mit einer Insulinpumpe bzw. einem AID-System beginnt, benötigt eine ausführliche Schulung.
- Die Entscheidung für oder gegen eine Therapie mit Insulinpumpe bzw. AID-System sollte immer sehr bewusst getroffen werden, nach Abwägen der individuellen Vor- und Nachteile.
Mit Insulinpumpe und AID-System kann man seinen Alltag flexibler gestalten. Denn sie ermöglichen eine Anpassung der Insulinzufuhr an unterschiedliche Tagesrhythmen, Sport, Schichtarbeit oder hormonelle Schwankungen. Auch Mahlzeiten können flexibler gestaltet werden und das Verschätzen bei Kohlenhydrat-Mengen kann das System bis zu einem gewissen Grad ausgleichen.
Besonders die Erleichterung im Alltag steht für die meisten Patientinnen und Patienten im Vordergrund. Das eigenständige Berechnen von Insulindosen und mehrfaches Spritzen am Tag entfallen, Alarme wegen zu tiefer oder zu hoher Glukosewerte werden weniger. All das kann die mentale Belastung durch die Diabetes-Therapie deutlich senken.
Es gibt auch Herausforderungen
Manche belasten auch die ein oder anderen Nachteile und Herausforderungen. Dazu gehören die Abhängigkeit von der Technik, denn Insulinpumpen und AID-Systeme sind elektronische Geräte. Sie können ausfallen, Softwarefehler haben oder Insulinpumpe und CGM-System entkoppeln sich, sodass sie nicht mehr miteinander kommunizieren können. Nutzerinnen und Nutzer müssen dann wissen, wie sie im Notfall auf eine Therapie mit Insulinpen oder Spritze umsteigen.
Für manche ist auch das Tragen der Insulinpumpe – sie ist rund um die Uhr am Körper – störend und einschränkend, mitunter sogar stigmatisierend, besonders bei Sport, Schlafen oder in intimen Momenten. Das kann die Akzeptanz verringern.
Lernkurve zu Beginn
Der Einstieg in eine Therapie mit einer Insulinpumpe bzw. einem AID-System erfordert Schulung, denn Wechsel von Kanüle und Katheter, Programmierung der Insulinpumpe bzw. des Algorithmus und Interpretation von CGM-Daten wollen gelernt sein. Wer die Technik nicht aktiv mitgestaltet, riskiert, nicht alle Vorteile nutzen zu können.
Weiterführende Informationen: Leitlinien zur Therapie des Typ-1-Diabetes (PDF)
Wem eine Insulinpumpe besonders hilft
Wem hilft eine Insulinpumpe oder ein AID-System besonders? Eine Insulinpumpe ist besonders geeignet für Menschen, deren Glukosewerte stark schwanken, die häufig Hypoglykämien haben, flexibel leben möchten oder müssen, z.B. durch Schichtarbeit oder unregelmäßige Mahlzeiten. Auch eine bestehende oder geplante Schwangerschaft kann ein Grund sein. Eine hohe Insulin-Empfindlichkeit, wie sie z.B. bei Kleinkindern, aber auch bei anderen Menschen mit Diabetes bestehen kann, lässt sich mit einer Insulinpumpe aufgrund der sehr kleinen abgebbaren Insulindosen besser managen.
Schritt zum AID-System
AID-Systeme eignen sich für Menschen, die ihre Therapie aktiv managen wollen, bereit sind, ihre Daten zu überwachen und die Technik zu verstehen. Die Entscheidung für eine Pumpe im AID-System sollte sehr bewusst erfolgen, denn das ist mehr als eine technische Umstellung – es ist eine aktive Lebensstil-Entscheidung.
Wichtig ist dabei Selbstreflexion: Bin ich bereit, die Pumpe ständig zu tragen? Kann ich Algorithmen vertrauen und dennoch eingreifen, wenn nötig? Passt das Gerät in meinen Alltag, meinen Beruf, mein Körpergefühl? Möchte ich langfristig die Kontrolle teilweise abgeben, um im besten Fall Lebensqualität zu gewinnen?
Viele Menschen berichten, dass sie durch die bewusste Entscheidung für eine Insulinpumpe mehr Freiheit, weniger Angst vor Unterzuckerungen und ein entspannteres Leben haben. Andere entscheiden sich bewusst dagegen, um sich nicht ständig „verkabelt“ zu fühlen. Beide Entscheidungen sind legitim – entscheidend ist, dass sie informierte und selbstbestimmte Entscheidungen sind.
Fazit
Insulinpumpen und AID-Systeme bieten enorme Chancen: stabilere Glukosewerte, weniger Hypoglykämien, mehr Flexibilität. Gleichzeitig erfordern sie technisches Verständnis, regelmäßige Schulung und die Bereitschaft, das System in den Alltag zu integrieren. Eine bewusste Entscheidung für oder gegen eine Insulinpumpe bzw. ein AID-System sollte immer gemeinsam mit dem Diabetes-Team getroffen werden – mit Blick auf persönliche Lebensumstände, Ziele und Werte.
von Regine Werk
Erschienen in: Diabetes-Anker, 2025; 74 (11) Seite 18-19
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