Medisana AG und Aldi Süd gefährden Patientensicherheit

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Medisana AG und Aldi Süd gefährden Patientensicherheit

Der Medizinproduktehersteller Medisana AG hat eine Charge mit grob unzuverlässigen Blutzuckerteststreifen über den Discounter Aldi Süd vertrieben. Die Ungenauigkeit der Teststreifen hatte das Institut für Diabetes-Technologie Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft mbH an der Universität Ulm (IDT) festgestellt. Die Ergebnisse des Prüflabors dürfen jetzt in einer Fachzeitschrift veröffentlicht werden – das hat das Berliner Landgericht am 21. Juni 2016 entschieden und damit eine einstweilige Verfügung der Medisana AG gegen die Publikation aufgehoben.

„Dieses Urteil stärkt die Freiheit der Wissenschaft“, freut sich Professor Dr. med. Baptist Gallwitz, Präsident der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG). Zugleich kritisiert Gallwitz, dass weder Medisana AG noch Aldi Süd Anstrengungen unternommen hätten, die fehlerhaften Teststreifen zurückzurufen. „Durch diese Unterlassung geht Aldi Süd das Risiko ein, Patientenleben zu gefährden“, stellt der DDG Präsident fest.

Curamed Blutzuckermessgerät getestet

Das IDT hatte zu Jahresbeginn auf eigene Initiative hin Blutzuckermesssysteme mit Teststreifen der Charge Nummer R151018406 auf Messgenauigkeit geprüft, die von der Medisana AG hergestellt und unter dem Produktnamen „Curamed Blutzuckermessgerät Modell CM“ in den Filialen von Aldi Süd vertrieben worden sind.

„Wir haben die Streifen an 100 Patienten mit Blut aus der Fingerbeere getestet“, berichtet Dr. med. Guido Freckmann, Geschäftsführer des IDT und Mitglied des Vorstands der Arbeitsgemeinschaft Diabetes und Technologie der DDG. „Dabei sind wir streng nach wissenschaftlichen Standards vorgegangen.“

Niedrige Werte deutlich zu hoch angezeigt

In Bezug auf die erforderliche Genauigkeit fielen die Tests mangelhaft aus. „Besonders im niedrigen Blutzuckerbereich lagen die Messwerte deutlich zu hoch und waren geeignet, eine drohende Unterzuckerung zu verschleiern“, erläutert Professor Dr. Lutz Heinemann, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Diabetes und Technologie der DDG.

Die Produkte hatten Werte angegeben, die im Durchschnitt um 16 Prozent überhöht waren. „Dies stellt eine Patientengefährdung dar, beispielsweise wenn der Patient eine Autofahrt beginnen möchte“, erklärt Heinemann. Das IDT meldete die Ergebnisse pflichtgemäß an die Medisana AG, Ende März 2016 auch an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM).

Freiheit der Wissenschaft

Im Mai 2016 erwirkte die Medisana AG eine einstweilige Verfügung beim Landgericht Berlin, wonach die „namentliche Nennung (…) und/oder des Vertriebsweges (…)“ auf einem wissenschaftlichen Poster untersagt ist, das die Testergebnisse auf dem Frühjahrskongress der Deutschen Diabetes Gesellschaft vorstellte. Das IDT legte daraufhin Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung ein.

Am Dienstag entschied nun das Landgericht Berlin, dem Widerspruch stattzugeben. In der mündlichen Verhandlung, die sich inhaltlich vor allem um die Anforderungen der Norm ISO 15197 drehte, stellte der Vorsitzende Richter fest: „Ein normaler Kunde muss sich darauf verlassen können, dass die Blutzuckermessung funktioniert.“

Die Deutsche Diabetes Gesellschaft begrüßt das Urteil des Berliner Landgerichts. „Doch so sehr es uns freut, dass die Freiheit der Wissenschaft mit dem Richterspruch gewahrt bleibt, so sehr sind wir darüber erstaunt, dass weder die Medisana AG noch Aldi-Süd eine Rückrufaktion der unzuverlässigen Teststreifen starteten“, so Dr. Dietrich Garlichs, Geschäftsführer der DDG.

Aldi Süd hatte gegenüber dem Bayerischen Rundfunk, der am 9. Juni 2016 in einer Fernsehreportage über die fehlerhaften Teststreifen berichtete, auf Anfrage erklärt, man habe bisher noch keine Erkenntnisse über mögliche Gesundheitsgefahren durch die Blutzuckermessgeräte.

„Wegschauen kann bei Medizinprodukten großen Schaden verursachen”

Diese Aussage ist nicht korrekt. „Wir haben der Pressestelle von Aldi Süd am 13. Mai 2016 per Mail unsere Pressemitteilung über die schlechten Testergebnisse zukommen lassen und uns für Rückfragen zur Verfügung gestellt“, so Garlichs. „Aldi Süd hätte seiner Sorgfaltspflicht nachkommen und sich im Sinne der Patientensicherheit erkundigen müssen.“ Spätestens jedoch mit der Anfrage des Bayerischen Rundfunks hätte der Discounter Konsequenzen ziehen und über die fehlerhaften Teststreifen informieren müssen, so Garlichs weiter.

„Wegschauen kann bei Medizinprodukten großen Schaden verursachen, Transparenz hingegen schafft Vertrauen“, meint der DDG Geschäftsführer. Zum Erstaunen der Fachgesellschaft hat sich die Aufsichtsbehörde, das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), bisher ebenfalls nicht zu den Messergebnissen geäußert.


Quelle: Pressemeldung Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG)

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  • bloodychaos postete ein Update vor 3 Tagen, 9 Stunden

    Hey, brauche Eure Hilfe. Habe den G7 genutzt. Als der über mehrere Monate (Frühjahr/Sommer 2025) massive Probleme (teils Abweichungen von 150 mg/dL, Messfaden schaute oben heraus) machte bin ich zum G6 zurückgegangen. Dessen Produktion wird nun eingestellt. Ich habe solche Panik, wieder den G7 zu nutzen. Habe absolut kein Vertrauen mehr in diesen Sensor. Aber mit meiner TSlim ist nur Dexcom kompatibel. Ich weiß nicht was ich machen soll, ich habe solche Angst.

    • Mit “meinem” Omnipod 5 wird der Dexcom G7 Ende 2026 voraussichtlich der einzige verfügbare Sensor sein.

      So richtig begeistert über die Einstellung des G6 bin ich auch nicht, auch wenn es absehbar war.
      Ich habe einfach die Hoffnung, dass die Qualitätsprobleme beim G7 bis dahin ausgestanden sind.

      Ich warte das Thema noch einige Monate ab.
      Wenn ich Ende 2026 feststelle, dass die Kombination aus meiner Pumpe und dem CGM für mich nicht funktioniert, bin mir sicher, dass meine Diabetes-Ärztin und ich eine gute Lösung für mich finden.

      Hier habe ich aufgeschnappt, dass für die t:slim wohl eine Anbindung des Libre 3 in der Mache ist:
      https://insulinclub.de/index.php?thread/36852-t-slim-mit-libre-3-wann/
      Leider steht keine überprüfbare Quelle dabei. 🤷‍♂️

      Ein weiterer mir wichtiger Gedanke:
      Angst und Panik sind in diesem Zusammenhang vermutlich keine hilfreichen Ratgeber. Hoffentlich schaffst Du es, dem Thema etwas gelassener zu begegnen.
      (Das sagt der Richtige: Ich habe in meinem letzten DiaDoc-Termin auch die Hausaufgabe bekommen, mal zu schauen, was mir gut tut.)

    • @ole-t1: Hey Ole, ganz lieben Dank für Deine Nachricht. Die Produktion des G6 endet laut einem Artikel auf dieser Seite ja zum 1. Juli 2026. Wann der Libre3 mit der TSlim kompatibel sein wird weiß man ja noch nicht. An sich gefällt mir Dexcom auch besser als Libre und die erste Zeit lief der G7 ja auch super bei mir. Ich kann mir schwer vorstellen, dass der G7 von heute auf Morgen nicht mehr bei mir funktioniert? Es gab ja auch das Gerücht das Dexcom eine zeitlang Produktionsprobleme hatte, dass wäre ja eine Erklärung, aber da geht Dexcom natürlich auch nicht mit hausieren.

    • @bloodychaos: Moin, ich benutze den G 7 seit Dezember 2022 (vorher G 6). Seit Dezember 2024 in Kombination mit der t:slim X 2 Ja, es hat immer mal wieder einen Sensor gegeben, der nicht richtig funktioniert hat . Dann wurde ein neuer gesetzt, der Vorfall an Dexcom gemeldet und es gab dann wenige Tage später einen neuen Sensor.
      Wie ole-t1 schon geschrieben hat, erst einmal die Ruhe bewahren und nicht in Panik verfallen. Alle auf dem Markt erhältlichen Sensoren haben Schwankungen in der Genauigkeit ihrer Angaben. Wichtig ist daher zu beurteilen, ob das, was der Sensor anzeigt, überhaupt sein kann.
      Zum Beispiel durch blutiges Nachmessen (dabei bitte dran denken, dass der Gewebezucker, den die Sensoren messen, rd. 20-30 Minuten hinter dem Blutzucker hinterher hinkt).

  • loredana postete ein Update vor 5 Tagen, 6 Stunden

    Die Registrierung mit dem Geburtsjahr war echt sportlich. Wollte es schon fast wieder abbrechen.

  • ambrosia postete ein Update vor 6 Tagen, 3 Stunden

    Ich wünsche allen einen schönen Mittwoch.

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