5 Minuten
Welche Schäden bzw. Erkrankungen können durch einen Diabetes an den Augen entstehen? "Die wesentlichen Erkrankungen betreffen die Netzhaut", berichtet Dr. Georg Spital von der Augenabteilung am St. Franziskus-Hospital Münster. Die häufigste Folgeerkrankung bei Diabetes am Auge ist die diabetische Retinopathie. Daneben kommt es im Rahmen einer Polyneuropathie, also einer Schädigung von Nerven, auch zu Veränderungen der Hornhautsensibilität, so dass Hornhautverletzungen oder Entzündungen häufiger auftreten können bzw. zu spät wahrgenommen werden.
Eine Linsentrübung, der graue Star oder die Katarakt, tritt bei Diabetikern Jahre früher und häufiger auf als im Durchschnitt der Bevölkerung, auch bedingt durch Schwankungen des Zuckers im Körper. Die Bildung der Trübungen der Linse hängt dabei u. a. wesentlich mit Wassereinlagerungen in die Augenlinse zusammen. Schwanken die Zuckerwerte, kommt es zu Veränderungen der osmotischen Verhältnisse, was neben Glykosylierungen der Proteine in der Linse Trübungen fördert.
Das Hauptproblem stellt aber für Diabetiker, wie bereits gesagt, die diabetische Netzhauterkrankung dar. Sie scheint, wie der Augenarzt erklärt, eine Mischung aus Gefäßveränderungen und gleichzeitig aus einer Nervenschädigung der Netzhaut, einer Netzhautneuropathie, zu sein. Bevor Veränderungen an den Gefäßen der Netzhaut festzustellen sind, können Augenärzte schon Funktionsveränderungen am Augenhintergrund nachweisen, die von den Patienten nicht wahrnehmbar sind. Diese Funktionsveränderungen entstehen durch eine Reduktion der Zahl retinaler Nervenzellen, insbesondere der Ganglienzellen.
Feststellen kann man das nicht nur durch Änderungen der Netzhautsensitivität, sondern mittlerweile sogar in hochauflösender OCT-Technik (OCT: Optical Coherence Tomography), mit der eine frühzeitige leichte Abnahme der Ganglienzellschicht nachgewiesen wurde. Ansonsten eignet sich die OCT-Technik insbesondere, um diabetesbedingte Schwellungen der Netzhautmitte, ein Makulaödem, exakt und früh zu diagnostizieren. Mit bestimmten Gesichtsfelduntersuchungen und anderen spezifischen Untersuchungen lassen sich ebenfalls frühzeitig Nervendefekte der Netzhaut im Vergleich zur "Normalbevölkerung" feststellen.
Im Rahmen der Pathogenese der diabetischen Retinopathie spielen auch Entzündungsprozesse eine Rolle, wie man heute weiß. Dabei lagern sich u. a. vermehrt Leukozyten, weiße Blutkörperchen, in den Gefäßen ab. Beides stellt für die Patienten erst einmal kein Problem dar, erklärt der Augenspezialist, problematisch wird es erst mit dem Auftreten von Gefäßveränderungen.
Die klinisch erkennbare diabetische Retinopathie beginnt mit dem Entstehen von Mikroaneurysmata, das sind kleine Gefäßaussackungen. Defekte in den Gefäßwänden führen zu Undichtigkeiten, so dass größere Substanzen die Netzhaut überwandern und sich ein Ödem bildet. Die Gefäßveränderungen führen auch zu Mikrothrombosierungen, also Gerinnseln in den sehr kleinen Netzhautgefäßen, was Gefäßverschlüssen gleichkommt.
Wenn es zu sehr ausgedehnten Schäden der Netzhautgefäße kommt, kann es reaktiv zu einer Art Reparaturversuch mit Ausbildung neuer Blutgefäße kommen, die aber leider nicht die Funktion der geschädigten Gefäße übernehmen können und selbst meist sogar Ursache weiterer Komplikationen wie Blutungen oder sogar Netzhautablösungen darstellen können. So wird aus einer nichtproliferativen eine proliferative Retinopathie.
Zur diabetischen Retinopathie gehört die diabetische Makulopathie, bei der die Makula als Punkt des schärfsten Sehens betroffen ist. Hier sind es Minderdurchblutungen und vor allem Netzhautschwellungen, die sich dann zunehmend merklich negativ auf die Sehschärfe und das Lesevermögen auswirken.
Obwohl die Folgen gravierend sein können, ist die Aufmerksamkeit für die regelmäßige Vorsorgeuntersuchung in Bezug auf die Augen bei Diabetikern und Ärzten zu gering. Die Untersuchungen des Augenhintergrunds werden, wenn man die Zahlen in den Disease-Management-Programmen sieht, immer noch viel seltener durchgeführt, als man sich wünschen würde, bedauert Dr. Spital. Die regelmäßigen Untersuchungen sind aber wichtig, denn treten bereits Symptome wie Sehbeeinträchtigungen auf, sind die Netzhautveränderungen teilweise nicht mehr rückgängig zu machen.
Deshalb gilt laut Praxisempfehlungen der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG): Eine augenärztliche Kontrolle sollte bei Typ-2-Diabetikern unmittelbar nach Diagnose des Diabetes erfolgen, danach in jährlichen Abständen. Für Typ-1-Diabetiker wird ebenfalls eine Kontrolle in jährlichen Abständen empfohlen. Eine Ausnahme bilden Kinder vor dem 11. Lebensjahr: Sie müssen erstmals untersucht werden, wenn der Diabetes bereits 5 Jahre besteht. Liegt bei Typ-1- oder Typ-2-Diabetikern eine diabetische Retinopathie vor, bestimmt der behandelnde Augenarzt die Untersuchungsintervalle.
Bei der Untersuchung des Augenhintergrunds ist, wie Dr. Spital ausdrücklich betont, wesentlich, die Pupille zuvor weitzutropfen, die Untersuchung also in Mydriasis durchzuführen. Sonst ist die Peripherie der Netzhaut nicht zu sehen. Spital: "Ich zeige immer gern ein Bild, auf dem man sieht, dass in der Mitte kaum Veränderungen sind – und peripher alles voller Gefäßwucherungen." Das ist nicht der Standard, kann aber vorkommen.
Gleichzeitig mit der Untersuchung des Augenhintergunds soll auch immer eine Spiegelung des vorderen Augenabschnitts erfolgen. So lassen sich frühzeitig auch Hornhaut- und Linsenveränderungen feststellen. Dafür verwenden die Augenärzte eine Spaltlampe, in die sie mit beiden Augen hineinsehen. Durch diese stereoskopische Anwendung sind Schwellungen besser erkennbar.
Mit der Spaltlampe wird Licht zu einem Spalt gebündelt. Diesen Lichtspalt kann man schräg einfallen lassen, so dass man die verschiedenen Strukturen des Auges selektiv beleuchten kann; so entstehen einzelne Schnittbilder. Dadurch sieht man zum Beispiel eine Trübung der Linse oder auch der Hornhaut. Mit dem Lichtstrahl kann der Augenarzt über das gesamte Auge wandern und so alles gezielt einsehen.
Hält der Augenarzt eine Lupe vor die Spaltlampe, kann er mit dieser Kombination die Netzhaut sehen. Eine Netzhautspiegelung oder Funduskopie ist auch möglich durch die indirekte Ophthalmoskopie: Eine spezielle Brille funktioniert wie eine große Lupe, wobei man auch einen guten Überblick über die Peripherie der Netzhaut bekommt.
Das Auge ist das einzige Organ des Körpers, bei dem man Veränderungen der kleinsten Gefäße, mikrovaskuläre Veränderungen, direkt sehen kann. Man sieht feine Punktblutungen als rote, kleine Punkte an der Netzhaut. Besonders kleine rote Punkte sind Mikroaneurysmen. Gefäßwucherungen sind erkennbar als kleine Gefäßknäuel und kleine Gefäßbäumchen, die von der Netzhaut ausgehend in den davorliegenden Glaskörper einwachsen.
Wenn es in den Glaskörper blutet, sieht man Blutschlieren hin- und herfliegen. Verschlossene Gefäße können manchmal als durchsichtige, leere Gefäße erkennbar sein. Eine Schwellung in der Netzhautmitte ist erkennbar daran, dass dem Untersucher die Netzhaut etwas erhaben entgegenkommt. Auch Fettablagerungen, bezeichnet als harte Exsudate, sind als gelbe Flecken erkennbar.
Um die diabetische Retinopathie zu behandeln, gibt es verschiedene Möglichkeiten:
Bei der Laserkoagulation geht es nicht, wie früher gedacht, primär darum, gezielt die Gefäßproliferationen zu "erschießen". Vielmehr verbrennt man mit dem Laser die Netzhaut. Ziel sind vor allem die Stellen, die nicht mehr durchblutet werden. Denn so nimmt man dem Körper den Anreiz, Wachstumsfaktoren zu bilden – die sonst dafür sorgen würden, dass neue Gefäße in geringerer Qualität entstehen. Diese Gefäßproliferationen bildet der Körper sonst, um die Mangeldurchblutung der Netzhaut auszugleichen. Gleichzeitig werden durch das Lasern Faktoren gefördert, die das Wachstum neuer Gefäße hemmen.
Bei der Makulopathie kann man aber auch fokal lasern: Man zielt direkt auf die kleinen Mikroaneurysmen in diesem Bereich. Aber auch da gibt es das Verfahren, dass man bei diffusem Ödem das betroffene Areal gitterartig durchsteppend lasert, was ebenfalls antiödematös wirkt, berichtet Augenarzt Spital. Welche Effekte das auslöst, ist nicht genau bekannt, aber es scheint dort unter anderem einen Vernarbungsprozess auszulösen. Experten diskutieren, ob der Sauerstoffbedarf der Zellen durch das teilweise Verbrennen der Zellen sinkt und deshalb die benachbarten Fotorezeptoren wieder besser zurechtkommen, weil sie mehr Sauerstoff und Nährstoffe zur Verfügung haben.
Wenn es zu ganz massiven Folgeveränderungen an der Nezthaut kommt, bei denen die Lasertherapie oder Injektionsverfahren nicht mehr erfolgversprechend sind, wie bei massiven Blutungen oder Netzhautablösungen, können oft operative Verfahren mit Entfernung des Glaskörpers, Vitrektomien, sehverbessernd zum Einsatz kommen. Dabei holt man den Glaskörper aus dem Auge heraus und ersetzt ihn in der Regel durch Wasser – woraus er im höheren Alter sowieso besteht. Der Glaskörper hat in der Kindheit eine Konsistenz wie ein Pudding und wird dann immer wässeriger.
Während der Operation kann man von innen die Netzhaut tamponieren mit Gas oder Öl. Außerdem besteht die Möglichkeit, mit sehr kleinen Scheren oder Pinzetten an der Netzhaut zu arbeiten oder intraoperativ zu lasern. Wenn zum Beispiel vorher eine Blutung bestand, die das Lasern von außen verhinderte, kann man mit einem Endolaser die Blutung entfernen und direkt die Netzhaut therapieren. In der Regel erfolgt die Operation erst, wenn man sonst keine Möglichkeiten mehr hat, zum Beispiel bei massiven Blutungen oder Proliferationen. Bei starken Proliferationen könnte es sonst sein, dass das Lasern dazu führt, dass sich die Gefäße durch Narbenbildung zusammenziehen und sich so die Netzhaut ablöst. In einer Operation hat man die Möglichkeit, solche Risiken zu vermeiden.
5 Minuten
Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.
Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.
Beliebte Themen
Ernährung
Aus der Community
Push-Benachrichtigungen