Online-Bestellung von Einlagen kann Qualitätsstandards nicht erfüllen

3 Minuten

© StudioLaMagica - Fotolia
Online-Bestellung von Einlagen kann Qualitätsstandards nicht erfüllen

Schutzschuhe und individuell angefertigte Einlagen für Menschen mit einem diabetischen Fußsyndrom müssen professionell gefertigt und individuell angepasst werden, betont die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG). Die kontaktlose Bestellung von Einlagen im Internet könne dieses Vorgehen keinesfalls ersetzen. In einer Stellungnahme warnt die Fachgesellschaft vor möglichen Gefahren für die Patienten.

Schutz und Pflege der Füße haben für Menschen mit diabetischem Fußsyndrom oberste Priorität, betont die Deutsche Diabetes Gesellschaft. Bei ihnen können sich bereits aus kleinsten Verletzungen und Druckstellen chronische Wunden entwickeln, die nur schwer zu therapieren sind. Im schlimmsten Fall müssen Zehen, Vorfuß oder sogar Unterschenkel amputiert werden.

Fachgesellschaft warnt vor Gefahren

Schutzschuhe und individuell angefertigte Einlagen zählen für die Betroffenen daher zu wichtigen medizinischen Hilfsmitteln. Diese müssen professionell gefertigt und individuell angepasst werden, wie die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) betont. Die kontaktlose Bestellung von Einlagen im Internet – wie sie die BARMER Krankenkasse bis vor einigen Wochen ihren Patientinnen und Patienten noch anbot und wofür die TK bereits ein Ausschreibungsverfahren initiiert hat – könne dieses Vorgehen keinesfalls ersetzen. In einer Stellungnahme warnt die Fachgesellschaft vor möglichen Gefahren für die Patienten.

Der diabetische Fuß zählt zu den häufigsten Folgeschäden des Diabetes mellitus. „Bis zu einem Drittel der Erkrankten entwickelt im Laufe des Lebens ein Diabetisches Fußsyndrom (DFS)“, sagt Dr. med. Michael Eckhard, Chefarzt der GZW Diabetes-Klinik Bad Nauheim und Vorsitzender der AG Diabetischer Fuß der DDG. Viel zu häufig führten chronische Wunden, die im Rahmen des DFS entstehen, zu Amputationen. „Zwei Drittel der in Deutschland durchgeführten Amputationen im Bereich von Füßen und Beinen betreffen Menschen mit einem Diabetes mellitus“, betont der Experte.

Angiopathie und Neuropathie: Warnsysteme fehlen

Das DFS geht auf eine unzureichende Blutzuckerkontrolle zurück, in deren Folge sich Nerven und Blutgefäße krankhaft verändern. Während die sogenannte Angiopathie zu einer schlechteren Wundheilung führt, lässt durch eine vorliegende Neuropathie die Sensibilität der Füße nach. „Den Betroffenen fehlen dadurch so wichtige Warnsysteme wie Schmerz-, Druck- oder Temperaturempfinden, welche rechtzeitig auf schädigende Einflüsse aufmerksam machen“, erklärt Eckhard.

„Druckstellen oder kleine Wunden werden deshalb oft nicht oder erst spät bemerkt, Schutzmechanismen nicht aktiviert. Die Betroffenen liefen im wahrsten Sinne des Wortes in ihre Fußprobleme hinein.“ Im Englischen wird dieses Phänomen als „Loss of Protective Sensation“ oder kurz als „LOPS“ bezeichnet, zu Deutsch etwa „Verlust der schützenden Wahrnehmung“.

Sensibilitätsverlust beeinflusst Wahl des Schuhwerks

Dieser Sensibilitätsverlust macht sich auch bei der Wahl des Schuhwerks bemerkbar. „Menschen mit einem diabetischen Fußsyndrom kaufen sich häufig zu kleine oder zu enge Schuhe, weil nur diese ihnen das Gefühl von ausreichendem Halt vermitteln“, so Eckhard. Aus denselben Gründen könnten sie nicht selbst hinreichend verlässlich beurteilen, ob eine Einlage richtig passe und für ihren Fuß geeignet sei.

Prozess der Einlageversorgung muss professionell begleitet werden

Der gesamte Prozess der Einlagenversorgung müsse daher professionell begleitet werden, betont auch DDG Präsident Prof. Dr. med. Andreas Neu, Kommissarischer Ärztlicher Direktor der Abteilung für Neuropädiatrie, Entwicklungsneurologie und Sozialpädiatrie an der Universitäts-Kinderklinik Tübingen. „Das fängt mit der Untersuchung und Indikationsstellung durch einen spezialisierten Facharzt an, führt über die fachkundige Druckabnahme, Herstellung und Anpassung durch Orthopädie-Schuhtechniker und endet erst mit der professionellen Abnahme der Einlage“, so Neu.

Online-Bestellungen „hochproblematisch“

Dieser mehrstufige Prozess lasse sich nicht online abwickeln – auch nicht in Teilen. Online-Bestellungen, die die Anfertigung eines 2D- oder 3D-Abdrucks allein den Patienten überließen, seien deshalb hochproblematisch. Auch die Abnahme der fertigen Einlage müsse zwingend im direkten Patientenkontakt erfolgen. Die Einheit von Einlage und Schuh müsse direkt am Fuß des Patienten betrachtet und sowohl im Stehen als auch im Gehen beurteilt werden. „In Anbetracht des enormen Gefahrenpotenzials, das von ungeeigneten Einlagen oder Schuhen ausgeht, ist eine Beratung nur per Telefon oder Video auf keinen Fall ausreichend“, sagt Neu. Wer hier sparen will, gefährde den Behandlungserfolg und letztlich auch die Füße und Beine der Patientinnen und Patienten.

Die DDG fordert daher, Hochrisikopatienten wie Menschen mit Diabetes, diabetischem oder neuropathischem Fußsyndrom anderer Ursache explizit vom Angebot der Online-Einlagen- oder -Schuhversorgung auszunehmen. Das gelte aus medizinischer Notwendigkeit und sei unabhängig vom Ausgang möglicher rechtlicher Prüfungen, welche die BARMER Krankenkasse angekündigt hat, um das von ihr geplante Vorhaben doch noch umzusetzen. Für alle anderen Indikationen müsse wenigstens begleitend untersucht werden, ob die medizinischen Ergebnisse einer Online-Versorgung mit denen einer Versorgung vor Ort ausreichend und zweckmäßig seien.

Literatur:

Quelle: Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) | Redaktion

Ähnliche Beiträge

Diabetes-Anker-Podcast: Typ-1-Diabetes früher erkennen und sogar aufhalten – ist das möglich, Frau Prof. Ziegler?

Wie lässt sich Typ-1-Diabetes erkennen, schon bevor Symptome auftreten? Und was wird in der AVAnT1a-Studie untersucht – und mit welchem Ziel? Darüber sprechen wir im Diabetes-Anker-Podcast mit Prof. Dr. Anette-Gabriele Ziegler.
Diabetes-Anker-Podcast: Typ-1-Diabetes früher erkennen und sogar aufhalten – ist das möglich, Frau Prof. Ziegler?

3 Minuten

Kommt es am Ende doch auf die Größe an?

Insulinpumpen werden immer kleiner – ein Fortschritt für viele, doch für manche Menschen mit Diabetes ein Problem. Community-Autor Daniel legt dar, warum Pumpengröße und Insulinmenge aus seiner Sicht entscheidend für individuelle Bedürfnisse bleiben.
Kommt es am Ende doch auf die Größe an? | Foto: privat

5 Minuten

Community-Beitrag

Keine Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Über uns

Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Werde Teil unserer Community

Community-Frage

Mit wem redest du über deinen Diabetes?

Die Antworten auf die Community-Frage werden anonymisiert gesammelt und sind nicht mit dir oder deinem Profil verbunden. Bitte achte darauf, dass deine Antwort auch keine Personenbezogenen Daten enthält.

Werde Teil unserer Community

Folge uns auf unseren Social-Media-Kanälen

Push-Benachrichtigungen

notification icon
Aktiviere Benachrichtigungen auf dieser Seite, um auf dem laufenden zu bleiben, wenn dir Personen schreiben und auf deine Aktivitäten antworten.
notification icon
Du hast die Benachrichtigungen für diese Seite aktiviert
notification icon
Aktiviere Benachrichtigungen auf dieser Seite, um auf dem laufenden zu bleiben, wenn dir Personen schreiben und auf deine Aktivitäten antworten.
notification icon
Du hast die Benachrichtigungen für diese Seite aktiviert