Typ-2-Diabetes: keine Einbahnstraße

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© Antonio Diaz - Fotolia
Typ-2-Diabetes: keine Einbahnstraße

Die Diagnose Typ-2-Diabetes muss kein Schicksalsschlag sein, der eine lebenslange Einnahme von Tabletten oder eine Insulintherapie bedeutet. Das Westdeutsche Diabetes- und Gesundheitszentrum (WDGZ) des Verbundes Katholischer Kliniken Düsseldorf hat in Kooperation mit dem Deutschen Institut für Telemedizin und Gesundheitsförderung (DITG) ein innovatives telemedizinisches Programm zur Behandlung des Typ-2-Diabetes entwickelt, das Betroffenen Hoffnung macht: das „TeLiPro“.

Das Telemedizinische Lifestyle Programm (TeLiPro) zielt darauf ab, Personen dabei zu unterstützen, ihren Lebensstil zu ändern. Die Teilnehmer erhalten Geräte (siehe Abb. 1) zum Erfassen von körperlicher Aktivität, Gewicht und Blutzucker. Die gemessenen Werte werden automatisch in ein geschütztes Internetportal übertragen. Ärzte und Gesundheitsberater haben Zugriff darauf und können die Daten bei der telemedizinischen Beratung mit den Teilnehmern besprechen.

Daneben werden Komponenten eingesetzt wie eine strukturierte Blutzuckermessung, eine intensive Ernährungsumstellung sowie ein medizinisches Motivationstraining zum Ändern des Lebensstils. Das Besondere an dem Lebensstil-Interventionsprogramm ist, dass die Wirksamkeit durch eine große Studie belegt ist, die im Juli 2017 im wissenschaftlichen Fachmagazin “Diabetes Care” publiziert wurde.

Viel beachtete Studie

An der Studie nahmen bundesweit 202 Personen mit Typ-2-Diabetes teil, die übergewichtig bzw. adipös waren mit einem Body-Mass-Index (BMI) über 27 kg/m2, eine schlechte Diabeteseinstellung mit einem HbA1c über 7,5 Prozent hatten und mit mindestens zwei blutzuckersenkenden Medikamenten behandelt wurden (zwei unterschiedliche orale Antidiabetika/OADs bzw. OAD und Insulin).

Im Mittel waren die Teilnehmer 60 Jahre alt, seit 11 Jahren an Typ-2-Diabetes erkrankt und hatten einen BMI von 35 bis 37 kg/m2 sowie ein HbA1c von 8,4 Prozent. Zwei Drittel von ihnen erhielten eine Insulintherapie mit 43 bis 55 Einheiten Insulin. Wie bei Medikamentenstudien wurden die Teilnehmer zufällig der Kontrollgruppe oder der TeLiPro-Gruppe zugeteilt.

Die Teilnehmer in der Interventionsgruppe erhielten Geräte, die Blutzuckerwerte, Gewicht und Schritte automatisch an einen Coach im DITG übertrugen; diese Daten wurden dann in den regelmäßigen, von Diabetesberaterinnen durchgeführten Coaching-Telefonaten besprochen. Zusätzlich umfasste das TeLiPro eine strukturierte Blutzuckerselbstkontrolle und ein spezielles Diätprogramm, bei dem die Teilnehmer eine Woche flüssige Ersatzmahlzeiten zu sich nahmen und anschließend eine kohlenhydratreduzierte Kost aufgebaut wurde. Die Kontrollgruppe erhielt nur die telemedizinischen Geräte.

Im Rahmen des DMP (Disease-Management-Programm) “Diabetes mellitus Typ 2” blieben die Patienten in Behandlung ihres Hausarztes. Die quartalsweise Bestimmung von HbA1c, Gewicht, Blutdruck etc. erfolgte ebenfalls beim Hausarzt.

Integration ins Gesundheitssystem

Die Ergebnisse der Studie zeigten in der TeLiPro-Gruppe einen deutlichen Abfall des HbA1c im Vergleich zur Kontrollgruppe; der Abfall in der TeLiPro-Gruppe entstand trotz Reduktion der Diabetesmedikamente und obwohl die Dosis bei der Insulintherapie im Mittel halbiert wurde. Auch der Blutdruck, das Körpergewicht und das Hungergefühl sanken im Verlauf der Studie deutlich. Die Ergebnisse des Lebensstil-Interventionsprogramms wurden im Dezember 2017 durch eine englische Arbeitsgruppe noch einmal eindrucksvoll bestätigt (Zeitschrift Lancet, Dezember 2017).

Die BKK Deutsche Bank bietet ihren Versicherten das TeLiPro bereits an. Die AOK Rheinland-Hamburg hat zusammen mit dem DITG im Herbst 2017 den Zuschlag für eine Förderung einer weitergehenden TeLiPro-Studie durch den Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses erhalten. Gemeinsam mit der AXA Krankenversicherung wurde das TeLiPro zum Programm digital.DiabetesCoach weiterentwickelt, das auch Menschen mit Typ-1-Diabetes unterstützt: Typ-1-Diabetiker profitieren von Telefonaten mit Diabetesberaterinnen zwischen der quartalsweisen Vorstellung beim Diabetologen sowie von einem gesunden Lebensstil.

Die Rückmeldungen der Teilnehmer am Programm digital.DiabetesCoach sind sehr positiv: So berichtete kürzlich ein Teilnehmer mit Typ-1-Diabetes, dass er “dachte, schon alles zu wissen” – aber ihm sei nicht klar gewesen, dass “seine Gewichtszunahme mit den Unterzuckerungen in Zusammenhang steht”.

Sieg durch gesunden Lebensstil

Typ-2-Diabetiker erkennen häufig durch das Programm, dass “gesundes Essen auch Spaß machen kann” und dass man “durch eine deutlich bessere Fitness nicht mehr so müde ist”. Wie bei der englischen Studie kommen bei diesen Programmen mit den Krankenkassen bzw. Krankenversicherungen Personen mit Typ-2-Diabetes, die die Erkrankung noch nicht so lange haben, in “klinische Remissionen” – sie “besiegen ihre Erkrankung” durch einen gesunden Lebensstil.

Die aktuellen Studien sowie die Ergebnisse aus der Routine zeigen, dass die Diagnose eines Typ-2-Diabetes keine Einbahnstraße ist, es gibt einen Weg zurück in die Gesundheit!

Informationen zum “digital.DiabetesCoach”

Erstmalig wird das langfristig und erfolgreich mit Diabetes mellitus Typ 2 erprobte Gesundheitsprogramm digital.DiabetesCoach auch Kunden von AXA mit Diabetes mellitus Typ 1 angeboten. Die Ursachen für beide Erkrankungen sind zwar ganz unterschiedlich, doch durch eine Umstellung des persönlichen Lebensstils und die richtige Handhabung ihrer Erkrankung können beide Patientengruppen ihre Lebensqualität entscheidend verbessern.

AXA bietet den digital.DiabetesCoach deutschlandweit allen krankenvollversicherten Kunden kostenfrei an. Mehr: www.axa.de/gesundheitsservice360 (oder Tel.: 02 21/1 48-2 42 69)


von Prof. Stephan Martin
Chefarzt für Diabetologie und Direktor des Westdeutschen Diabetes- und Gesundheitszentrums
E-Mail: stephan.martin@vkkd-kliniken.de

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2018; 67 (6) Seite 34-35

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  • Hey, brauche Eure Hilfe. Habe den G7 genutzt. Als der über mehrere Monate (Frühjahr/Sommer 2025) massive Probleme (teils Abweichungen von 150 mg/dL, Messfaden schaute oben heraus) machte bin ich zum G6 zurückgegangen. Dessen Produktion wird nun eingestellt. Ich habe solche Panik, wieder den G7 zu nutzen. Habe absolut kein Vertrauen mehr in diesen Sensor. Aber mit meiner TSlim ist nur Dexcom kompatibel. Ich weiß nicht was ich machen soll, ich habe solche Angst.

    • Mit “meinem” Omnipod 5 wird der Dexcom G7 Ende 2026 voraussichtlich der einzige verfügbare Sensor sein.

      So richtig begeistert über die Einstellung des G6 bin ich auch nicht, auch wenn es absehbar war.
      Ich habe einfach die Hoffnung, dass die Qualitätsprobleme beim G7 bis dahin ausgestanden sind.

      Ich warte das Thema noch einige Monate ab.
      Wenn ich Ende 2026 feststelle, dass die Kombination aus meiner Pumpe und dem CGM für mich nicht funktioniert, bin mir sicher, dass meine Diabetes-Ärztin und ich eine gute Lösung für mich finden.

      Hier habe ich aufgeschnappt, dass für die t:slim wohl eine Anbindung des Libre 3 in der Mache ist:
      https://insulinclub.de/index.php?thread/36852-t-slim-mit-libre-3-wann/
      Leider steht keine überprüfbare Quelle dabei. 🤷‍♂️

      Ein weiterer mir wichtiger Gedanke:
      Angst und Panik sind in diesem Zusammenhang vermutlich keine hilfreichen Ratgeber. Hoffentlich schaffst Du es, dem Thema etwas gelassener zu begegnen.
      (Das sagt der Richtige: Ich habe in meinem letzten DiaDoc-Termin auch die Hausaufgabe bekommen, mal zu schauen, was mir gut tut.)

    • @ole-t1: Hey Ole, ganz lieben Dank für Deine Nachricht. Die Produktion des G6 endet laut einem Artikel auf dieser Seite ja zum 1. Juli 2026. Wann der Libre3 mit der TSlim kompatibel sein wird weiß man ja noch nicht. An sich gefällt mir Dexcom auch besser als Libre und die erste Zeit lief der G7 ja auch super bei mir. Ich kann mir schwer vorstellen, dass der G7 von heute auf Morgen nicht mehr bei mir funktioniert? Es gab ja auch das Gerücht das Dexcom eine zeitlang Produktionsprobleme hatte, dass wäre ja eine Erklärung, aber da geht Dexcom natürlich auch nicht mit hausieren.

    • @bloodychaos: Moin, ich benutze den G 7 seit Dezember 2022 (vorher G 6). Seit Dezember 2024 in Kombination mit der t:slim X 2 Ja, es hat immer mal wieder einen Sensor gegeben, der nicht richtig funktioniert hat . Dann wurde ein neuer gesetzt, der Vorfall an Dexcom gemeldet und es gab dann wenige Tage später einen neuen Sensor.
      Wie ole-t1 schon geschrieben hat, erst einmal die Ruhe bewahren und nicht in Panik verfallen. Alle auf dem Markt erhältlichen Sensoren haben Schwankungen in der Genauigkeit ihrer Angaben. Wichtig ist daher zu beurteilen, ob das, was der Sensor anzeigt, überhaupt sein kann.
      Zum Beispiel durch blutiges Nachmessen (dabei bitte dran denken, dass der Gewebezucker, den die Sensoren messen, rd. 20-30 Minuten hinter dem Blutzucker hinterher hinkt).

  • loredana postete ein Update vor 4 Tagen, 12 Stunden

    Die Registrierung mit dem Geburtsjahr war echt sportlich. Wollte es schon fast wieder abbrechen.

  • ambrosia postete ein Update vor 5 Tagen, 10 Stunden

    Ich wünsche allen einen schönen Mittwoch.

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