130 Kilometer, 7000 Höhenmeter: Mit Typ-1-Diabetes in die Alpen

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130 Kilometer, 7000 Höhenmeter: Mit Typ-1-Diabetes in die Alpen
Foto: Mike Fuchs – stock.adobe.com
130 Kilometer, 7000 Höhenmeter: Mit Typ-1-Diabetes in die Alpen

Mit dem Rucksack die Alpen zu überqueren, ist schon ohne Diabetes eine Herausforderung. Im Sommer haben zehn Menschen die Herausforderung angenommen, mit zwei Rucksäcken: dem fürs Gepäck und dem Typ-1-Diabetes.

Wenn die Berge rufen, brechen 12 Menschen auf, die Alpen zu überqueren. Das Besondere dabei: Zehn von ihnen haben einen Typ-1-Diabetes, auch der Gründer des Veranstalters Dialetics und Tour-Guide Ivo Rettig und die begleitende Ärztin Patricia. Die beiden Menschen ohne Diabetes sind Bergführer Ralf und Foto- und Videograf Mike.

„Durch den Diabetes nicht bremsen lassen“

Der 36-jährige Ivo Rettig lebt seit 22 Jahren mit Typ-1-Diabetes. Er träumte bereits als Kind davon, einmal die Alpen zu überqueren. Inspiriert hatte ihn die Historie: „Ich glaube, es war eine Geschichte von Hannibal, der im Zweiten Punischen Krieg mit Elefanten über die Alpen gelaufen ist.“

Die Diabetes-Diagnose verunsicherte ihn HbA1c zunächst, aber er blieb dabei: „Ich habe von Anfang an immer gesagt, ich lasse mir durch den Diabetes nichts nehmen, aber sicher war ich damals noch nicht. Dann habe ich vor zwei Jahren diese Wanderung zum ersten Mal allein gemacht.“

Voller Vorfreude aufs gemeinsame Wandern

Danach berichtete er bei Diabetes-Events davon und bekam viele positive Rückmeldungen. „Dann habe ich gedacht: Warum machen wir das nicht gemeinsam?“ Er fand Sponsoren und los ging die Planung – und die Alpenüberquerung im Sommer 2025. „Das war wirklich irre, so viele Monate daran zu arbeiten und dann plötzlich dazustehen und in 11 strahlende Gesichter zu blicken, die alle voller Vorfreude waren an diesem ersten Tag, die dann loslaufen wollten.“

Die Teilnehmenden waren 19 bis 67 Jahre alt. Die Diabetes-Therapien reichten von der intensivierten Insulintherapie (ICT) mit Insulinpen bis zur automatisierten Insulin-Dosierung (AID) mit Insulinpumpe in Kombination mit kontinuierlich messendem Glukosesensor.

Start im Regen

Gleich am ersten Tag geriet die Gruppe in heftigen Regen. Obwohl alle gut ausgestattet waren, wurden sie ziemlich nass. Lea, eine der Teilnehmerinnen, berichtet im Interview: „Wir hatten nur am ersten Tag richtig heftig Regen und ein bisschen Gewitter, aber ab dann war es echt okay. Mal ein Schauer, aber darauf muss man sich in den Alpen einfach einstellen.“ Die Hütte, in der sie die erste Nacht verbrachten, hatte einen sehr guten Trockenraum – „am nächsten Tag konnten wir bei Sonnenschein wieder mit trockenen Schuhen starten“. Der Schlafsaal war für viele Menschen ausgelegt.

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Anna-Lena, eine weitere Mitwanderin, erzählt: „Mit so vielen Menschen wie dort haben wir auf keiner anderen Hütte geschlafen. Wir sind mit dem kleinsten Raum und den meisten Menschen auf engem Raum gestartet. Danach wurde es immer großzügiger.“ Markus, der auch zur Gruppe gehörte, ergänzt: „Von Hütte zu Hütte waren wir überrascht, es wurde irgendwie immer besser.“ Anna-Lena: „Ich war total positiv überrascht, wie urig und gemütlich die alle waren, obwohl die ja auch irgendwo im Nirgendwo lagen. Wir hatten immer leckeres Essen, das war von der Qualität her wirklich großartig.“

Diabetes-Neugier und lustiger Zufall

Bis auf eine Übernachtung war die Gruppe um Ivo mit anderen Wandergruppen zusammen in den Hütten. Dass es bei diesen Wanderern immer wieder mal piepte und Alarme durch den Sensor oder die Pumpe gab, war aber selten Thema für andere Anwesende. Markus, der ein AID-System verwendet, grinst: „Beim Waschen hatte ich das einmal erlebt, dass mich einer richtig abgescannt hat. Der hat sich aber nicht getraut, mich zu fragen. Dann habe ich gesagt, dass das von meinem Diabetes ist. ‚Ach, und was ist das?‘ Und dann kamen seine Fragen wie ein Wasserfall.“

Ivo erinnert sich an eine andere lustige Begebenheit: „Uns wurde von Diashop ein Carepaket geschickt mit ganz vielen Zuckershots und Traubenzucker, zum Auffüllen. Davon war noch was übrig. Das haben wir am Abend verteilt und sind mit dem Karton rumgelaufen. Da war noch eine Frau, auch mit Diabetes, die saß an einem anderen Tisch, und ein Arzt, der ehemaliger Diabetologe war, ein total lustiger Zufall. Für beide war das natürlich eine tolle Geschichte, dass wir so als große Gruppe mit Diabetes laufen, und die haben sich auch sehr gefreut.“

10 Menschen mit Typ-1-Diabetes, 1 Bergführer, 1 Fotograf

  • 9 Tage (26.6. – 4.7.2025)
  • Start: Oberstdorf (Österreich), Ziel: Mals (Italien)
  • Strecke: 130 Kilometer, Tagesetappen: 7 – 27 Kilometer
  • 7000 Höhenmeter; 1240 maximale Höhenmeter an einem Tag beim Aufstieg, 1586 beim Abstieg
  • Informationen: www.dialetics.com

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Alpentour als Test und Herausforderung

Wie aber kamen Anna-Lena, Lea und Markus, die im Interview über die Alpenüberquerung berichten, dazu, an der Wanderung teilzunehmen? „Bei mir war es so, dass ich mit meinem Partner eine Doku gesehen habe über die Besteigung des Kilimandscharo“, berichtet Anna-Lena. „Und wir planen eine etwas längere Reise. Und dann war die Idee: Ich war noch nie mehrere Tage wandern, ich habe immer Tagestouren gemacht. Zufällig bin ich dann bei Instagram auf Ivos Anzeige gestoßen. Ich dachte: Eigentlich wäre das perfekt, um zu testen, wie man so auf mehrere Tage reagiert. Und ich bewerbe mich mal.“ Und sie wurde aus knapp 90 Bewerberinnen und Bewerbern ausgewählt

„Ich bin ein großer Bergfreund“, erzählt Lea, „von daher war ich, als ich von der Alpenüberquerung erfahren habe, direkt angefixt, weil ich jegliche Art von sportlicher Herausforderung liebe. Ich habe letztes Jahr meinen ersten Halbmarathon gelaufen, auch direkt mit Diabetes, weil ich nicht einsehe, mich irgendwie aufhalten zu lassen.“

Und Markus bekommt im Jahr immer eine Woche Urlaub von der Familie, dann kann er machen, was er mag. „Ich fahre immer mit dem Fahrrad zur Arbeit und höre auf dem Rückweg Podcasts. Da war dieser Podcast von den Zuckerjunkies, in dem Ivo davon berichtet hat, was er vorhat. Je mehr ich in den Podcast reinhörte, desto mehr dachte ich: Boah, ist das super, ist das toll, das ist echt der Hammer!“ Zum Glück passte die Alpenüberquerung gut in seinen Kalender – und Ivo nahm ihn ebenfalls mit.

Mit Regen muss man in den Alpen rechnen – aber auch mit schönen Begegnungen wie weidende Kühe. | Foto: Mike Fuchs Fotografie
Mit Regen muss man in den Alpen rechnen – aber auch mit schönen Begegnungen wie weidende Kühe. | Foto: Mike Fuchs Fotografie

von Gregor Hess


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  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • darktear antwortete vor 1 Woche

      Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

  • gingergirl postete ein Update vor 3 Wochen, 1 Tag

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

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    • Hallo,

      Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
      Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
      Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*

      LG Sndra

    • Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG

  • hexle postete ein Update vor 3 Wochen, 2 Tagen

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

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