Der Spielzeughersteller “Mattel” hat eine neue Barbie vorgestellt: mit Insulinpumpe und Glukosesensor. In den sozialen Netzwerken wird die Puppe derzeit als Durchbruch in Sachen Repräsentation gefeiert. Aber, ist sie das wirklich?
Barbie war schon vieles: Astronautin, Ärztin, sogar Präsidentin. Jetzt ist sie auch mal Frau mit Diabetes. Seit Kurzem gibt es die bekannte Puppe mit sichtbarer Insulinpumpe am Bauch und CGM-Sensor am Arm – ein Bild, das Millionen Kinder mit Diabetes Typ 1 aus ihrem Alltag kennen.
Was auf den ersten Blick nach Engagement für Inklusion aussieht, verdient einen zweiten Blick. Die Frage ist: Reicht es, einer Puppe ein medizinisches Gerät zu verpassen, um Kindern wirklich das Gefühl zu geben, gesehen zu werden? Und: Wie nachhaltig ist das für einen selbstbewussten Umgang mit dem Diabetes?

Spielzeug mit Botschaft?
Kindern, die mit Diabetes Typ 1 leben, kann die neue Barbie durchaus etwas geben. Endlich ein Spielzeug, das zeigt: Ich bin nicht allein. Ich bin normal. Ich bin wertvoll – auch mit Sensor am Arm und Pumpe am Körper. Aus kinderpsychologischer Sicht ist das nicht zu unterschätzen. Rollenspiele helfen Kindern, ihren Alltag zu verarbeiten. Wenn sie dabei eine Figur in der Hand halten, die ihre Erkrankung teilt, kann das das Selbstwertgefühl stärken.
Auch für Kinder ohne Diabetes kann die Puppe ein Lernmoment sein: Warum trägt Barbie einen Sensor? Was ist das für ein kleines Gerät an ihrem Bauch? Solche Fragen laden dazu ein, ins Gespräch zu kommen.

Barbie bleibt Barbie
Kritisch wird es dann, wenn man sich die Puppe genauer anschaut. Denn abgesehen von der medizinischen Ausstattung bleibt alles beim Alten: Unrealistische Körpermaße, makelloses Aussehen, perfekte Frisur. Kurz: Auch die Diabetes-Barbie ist schlank, schön und genauso weit weg von der Lebensrealität vieler Kinder wie jede andere Variation der Puppe.
Kritik drängt sich auf: Diversität ja – aber bitte schön und genormt. Kritiker sprechen in einem solchen Fall von „Diversity-Washing“ – also dem Versuch, gesellschaftliche Probleme durch symbolische Maßnahmen zu kaschieren und aus ihnen Profit zu schlagen.

Alternativen verfügbar
Ist eine Diabetes-Barbie deswegen grundsätzlich schlecht? Nein. Die T1D-Puppe ist mehr als das reine Abgrasen einer speziellen Zielgruppe. Holt sie doch für viele Menschen eine bisher unsichtbare Realität ins Rampenlicht. Allerdings ist sie nicht das einzige Spielzeug, das dies tut. Und sie tut es pädagogisch nicht wirklich nachhaltig, kann im schlimmsten Fall problematische Körperbilder vermitteln.
Schon lange gibt es ähnliche Konzepte, die aber dabei weiterdenken: Genderneutrale Stoffpuppen mit Insulinpumpe. Lernspiele, die das Leben mit Diabetes erklären, ohne den Fokus auf Äußerlichkeiten zu legen. Oder digitale Avatare, die im Lieblings-Computerspiel der Kinder den Umgang mit der Erkrankung thematisieren.
Umweltaspekte
Ein weiterer Aspekt bleibt oft unbeachtet: die Umweltbilanz. Auch die neue Barbie besteht aus Kunststoff, kommt mit viel Verpackung und ist – wie viele Puppen und Actionfiguren – nicht unbedingt langlebig. Angesichts stetig wachsender Müllberge tut sich die Frage auf: Braucht es wirklich noch eine weitere Variante eines ohnehin massenhaft produzierten Produkts, wo es von Fremdherstellern bereits Diabetes-Hilfsmittel in Barbie-Größe gibt?
Fazit: Bestenfalls eine Ergänzung
Die Diabetes-Barbie ist ein Schritt – aber kein Durchbruch. Sie zeigt: Typ-1-Diabetes passt auch in das Angebot der großen Spielzeughersteller. Doch wenn echte Inklusion das Ziel ist, braucht es mehr als ein Plastiklächeln mit Sensor und Pumpe. Dann braucht es Spielzeuge, die nicht nur zeigen, dass man anders ist, sondern wie man trotzdem ganz dazugehört.
Solche Spielzeuge sollten vielfältig, alltagstauglich und inspirierend sein. Sie müssen Kindern nicht nur Repräsentation bieten, sondern auch Handlungsspielräume aufzeigen und nachhaltiges Empowerment fördern. Eine Barbie mit Insulinpumpe kann da eine Ergänzung sein. Wirklich inklusives Spielzeug sieht jedoch anders aus.
erschienen auf www.diabetiker-nds.de am 11.07.2025