Das Leben mit Diabetes im krisengeschüttelten Venezuela

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Das Leben mit Diabetes im krisengeschüttelten Venezuela

Das Leben mit Diabetes ist schwer – das lässt sich nicht von der Hand weisen. Doch für mich persönlich wird es zunehmend leichter. Die Technik wird stetig weiterentwickelt und selbst das Insulin wird schlauer und schneller. Und die Diabetes-Community wird jeden Tag stärker. In der globalisierten und digitalisierten Welt ist es leichter als je zuvor, mit unseren Blutsbrüdern und -schwestern auf der ganzen Welt in Verbindung zu treten, uns auszutauschen und uns gegenseitig zu unterstützen.

So habe ich Ana Paola kennengelernt – über Instagram. Ana Paola ist 21 Jahre alt, studiert Medizin und lebt seit 19 Jahren mit Diabetes. Im März 1998 wurde sie im Alter von zwei Jahren mit Typ 1 diagnostiziert. Wie jeder von uns hat sie sich das zwar nicht ausgesucht, aber doch ihren eigenen Weg gefunden, den Diabetes zu akzeptieren und zu managen. Gerade als Medizinstudentin weiß sie genau, was ihr Körper braucht und wie sie sich um ihn kümmern muss, damit sie auch mit Diabetes gesund und glücklich leben kann.

Doch Ana Paola lebt in Venezuela. Sie liebt ihr Land, jedoch wird es für sie dort seit einiger Zeit zunehmend schwieriger, gar unmöglich, sich gut um ihren Diabetes zu kümmern. Ihr habt es sicherlich schon mehrfach in den Nachrichten gesehen: Venezuela steckt in einer tiefen politischen und wirtschaftlichen Krise, unter der die Bevölkerung immer mehr zu leiden hat. Es ist wenig verwunderlich, dass unter anderem auch Menschen mit chronischen Krankheiten besonders davon betroffen sind.

All das wusste ich bereits seit einer Weile, doch als ich Ana Paola kennenlernte, bekam die Krise für mich ein Gesicht. Deshalb möchte ich ihr im heutigen Interview die Gelegenheit geben, euch selbst ihre Geschichte zu erzählen.

Ana Paola, wie sah dein Leben mit Diabetes vor der Krise aus?

Vor der Krise hatte ich meinen Diabetes besser im Griff. Ich habe meinen Blutzucker sehr regelmäßig kontrolliert: vor und nach jeder Mahlzeit, und immer wieder zwischendurch. Ich spritzte dreimal täglich NovoRapid – die Dosis hing von meinem Blutzucker und meinen Mahlzeiten ab. Abends spritzte ich zusätzlich 20 Einheiten Lantus. Die HbA1c-Tests waren günstiger und natürlich hatte ich regelmäßige Arzttermine. Und das Essen: Es war viel einfacher, zuckerfreie Produkte zu finden und sich ausgewogen zu ernähren.

Was ist derzeit in Venezuela los und was bedeutet das für Menschen mit Diabetes?

Venezuela steckt schon seit einiger Zeit in einer Krise, die das Land stark beeinträchtigt: politisch, sozial, wirtschaftlich und sogar kulturell. Seit 2013 verschwinden immer mehr Produkte vom Markt, so auch Medikamente, medizinische Verbrauchsmittel und bestimmte Lebensmittel. Mittlerweile ist es sehr schwer, Insulin zu finden, denn die Hersteller haben das Land verlassen. Genauso schlecht steht es um Teststreifen, orale Diabetes-Medikamente und Hilfsmittel für Insulinpumpen. Es gibt kaum mehr Möglichkeiten, einen HbA1c-Test zu machen – und wenn doch, dann sind die Preise unerschwinglich.

Die Konsequenz ist furchtbar: 2016 war Diabetes die dritthäufigste Todesursache. Andauernd gibt es Aufstände und Demonstrationen auf den Straßen, aber auch in den Krankenhäusern und Gesundheitszentren, weil Patienten mit chronischen Krankheiten keinen Zugang zu lebenswichtigen Medikamenten bekommen.

Wie geht es dir aktuell?

Was in Venezuela passiert, beeinträchtigt mich sehr, weil ich mich nicht mehr ausreichend um meinen Diabetes kümmern kann. Ich kann meinen Blutzucker nicht mehr regelmäßig kontrollieren. Früher habe ich vier- bis fünfmal am Tag meinen Blutzucker kontrolliert. Heute kann ich das nur noch einmal am Tag oder einmal in der Woche tun. Ich muss Insulin „sparen“, aber das ist sehr schwierig, da ich mir nicht immer aussuchen kann, was ich esse. Ich muss mich danach richten, welches Essen gerade verfügbar ist, denn viele Produkte sind einfach nicht mehr auf dem Markt. Seit einem Jahr habe ich keinen HbA1c-Test gemacht und einen Arzt kann ich auch nicht mehr besuchen.

Trotz dieser Probleme kümmere ich mich so gut wie möglich um mich und meinen Diabetes. Ich versuche, optimistisch zu bleiben und mich von der Situation meines Landes nicht deprimieren zu lassen. Healthy mind, healthy body!

Wie können wir den Menschen in Venezuela helfen?

Die Menschen mit Diabetes in Venezuela sind in einer sehr schwierigen Lage. Ich habe keine genauen Zahlen, aber so sieht die Realität aus: Es gibt viele Patienten mit Diabetes, die keinen Zugang zu lebenswichtigen Medikamenten haben. Sie können ihren Blutzucker nicht messen, haben keine Möglichkeit, einen Arzt zu besuchen, und müssen teilweise monatelang ohne Insulin auskommen. Jeden Tag wird es für Menschen mit Diabetes schwieriger, in Venezuela zu überleben.

Um uns zu helfen, muss die die internationale Diabetes-Community ihre Stimme erheben und darauf aufmerksam machen, was in Venezuela passiert.

Liebe Ana Paola: Danke, dass du deine Geschichte mit uns geteilt hast.

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  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

  • gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 1 Tag

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

    Uploaded Image
    • Hallo,

      Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
      Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
      Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*

      LG Sndra

    • moira antwortete vor 1 Woche

      Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG

  • hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 2 Tagen

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

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