Tanzen ist Träumen mit den Füßen

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Tanzen ist Träumen mit den Füßen

Seit über 4 Jahren nutze ich eine Insulinpumpe mit rtCGM. Damit schaffe ich es mittlerweile, Sport und Diabetestherapie besser in Einklang zu bringen.

Ich nutze das „AndroidAPS“ Closed-Loop-System (kurz: Loop). Dieses betreibe ich auf eigenes Risiko und kann es keinesfalls empfehlen. Meine Ausführungen sind keinesfalls als Therapieempfehlung zu verstehen und sollten nicht nachgemacht werden. Sie geben lediglich das Ergebnis meiner Selbstversuche wieder.

Anfangs nur Bauchtanz

Seit über 13 Jahren nehme ich Bauchtanzunterricht in einer ADTV-Tanzschule. Zweimal in der Woche ist Training. Zusätzlich gibt es immer wieder Auftritte meiner Bauchtanzgruppe im öffentlichen Raum oder bei privaten Feiern. Feste Termine sind dabei die Bälle der Tanzschule.

Quelle: Felicitas Bartsch

Technik und Auftritt – eine Herausforderung

Die größte Herausforderung bei Auftritten ist nicht die stabile Stoffwechsellage. Bei weitem nicht. Die größte Herausforderung ist die passende Kostümwahl.

Zu ICT-Zeiten war das alles kein Problem. Keine Technik am Körper, dafür größere Traubenzuckermengen am Auftrittsort. Aber mit Pumpe, in Pumpe integrierter rtCGM-Anzeige und noch irgendwo am Körper einem Sensor ist das gar nicht so einfach. Puh!

Dazu die Vorgabe meiner Tanzlehrerin, die Zuschauer sollen von der Technik nichts sehen. Zum Glück bin ich in einem Alter, in dem Frau nicht unbedingt nackten Bauch zeigen will. Also investierte ich und ließ mir Bauchtanzkleider nach Maß schneidern.

Die Pumpe wurde im Oberschenkelgurt versteckt und die Alarme des rtCGM wurden für die Dauer des Auftritts stumm geschaltet. Ich wollte mir ja in der Öffentlichkeit nicht unter den Rock greifen. Das war nicht wirklich optimal, weil ich eine Zeitlang im „Blindflug“ unterwegs war, aber es lief einigermaßen.

Seit der Nutzung des Loops verschwindet die Pumpe noch immer im Oberschenkelgurt. Der Gewebezuckerverlauf wird auf einer Smartwatch angezeigt. Leider stört eine solche Uhr beim Bachtanzauftritt. Doch das Uhrgehäuse lässt sich aus dem Armband lösen und ich kann es in einen selbstgebastelten Knöchelgurt packen. Das Kleid zwischendrin mal kurz anheben und auf die Uhr am Knöchel gucken, das geht immer. Den Sensor setze ich vor einem Auftritt so, dass er vom Kostüm weitestgehend verdeckt wird. Ein Hoch auf hautfarbenen Netzstoff und den ganzen Zierrat eines Bauchtanzkostüms.

Zum Tanzjunkie mutiert

Nur Bauchtanz ist mir jedoch nicht genug. Seit mittlerweile knapp 2 Jahren besuche ich in der gleichen ADTV-Tanzschule auch noch „normale“ Tanzkurse. Die üblichen Schülerkurse vor 43 Jahren fand ich zwar ganz schrecklich, aber vieles von dem damals Gelernten ist im Gedächtnis geblieben und findet den Weg schnell wieder in die Beine.

Dank meines Tanzpartners, der mich sehr gut führen kann, tanzen wir nach kurzer Zeit bereits im Tanzkreis auf Silberniveau. Bis zu den Sommerferien dreimal in der Woche, aktuell nur noch zweimal.

Tanzpartner: Typ F

Meinen Tanzpartner habe ich erst zu Beginn unserer gemeinsamen Tanzkarriere kennengelernt. Ihn habe ich frühzeitig über meinen Diabetes informiert.

Wenn irgendetwas an mir brummt oder vibriert, weiß er, dass ich einen Blick auf die Smartwatch werfen muss. Und wenn ich mal die neuen Tanzschritte überhaupt nicht ins Hirn bekomme oder unsicher wirke, reagiert er auch ganz toll. Er überzeugt sich selbst mit einem Blick auf meine Uhr, ob wir eine Pause machen müssen. Das sogar dann, wenn er kurz vorher noch meinen Ellenbogen im Gesicht hatte, weil ich mich zu dicht vor ihm gedreht habe.

Wohin mit der Technik im schicken Kleid?

Seit Loop trage ich die Pumpe am Mittelsteg des BH. Dort bleibt sie auch während der Tanzstunden. Und bei Bällen verschwindet die Pumpe je nach Kleid im Oberschenkelgurt oder klemmt am BH. Der einzige Stilbruch, den ich mir bei den Bällen leiste, ist die Smartwatch am Handgelenk. Der Sensor ist weniger problematisch, meine Kleider sind so geschnitten, dass alle Setzstellen bis auf Oberarm in Frage kommen.

Quelle: Felicitas Bartsch

Therapieanpassung fürs Tanzen

Für Trainingsstunden (60 Minuten), egal ob Bauchtanz oder Welttanzprogramm, setze ich 1 Stunde vor Trainingsbeginn für die Dauer von insgesamt 3 Stunden meinen Zielblutzucker auf 140 mg/dl (7,8 mmol/l), den Insulin Sensitivity Faktor (ISF) auf 54. Normalerweise ist mein Zielwert 110 mg/dl (6,1 mmol/l), ISF 45, d.h. 1 Einheit Insulin senkt den Zucker um 45 mg/dl (2,5 mmol/l). Diese Therapieanpassungen sind vergleichbar mit einer temporären Basalrate bei einer Insulinpumpe.

Bei Auftritten und Bällen ist alles wieder anders

Was bei Trainingsstunden funktioniert, passt nicht unbedingt für Auftritte oder Bälle.

Die Bauchtanzauftritte dauern in der Regel keine ganze Stunde ohne Unterbrechung. Die Musikstücke, zu denen wir tanzen, dauern maximal 7 Minuten. Außerdem lässt die Anspannung und Aufregung die Zuckerwerte ansteigen. Deswegen nehme ich für Auftritte grundsätzlich keine Therapieanpassungen vor.

Ganz anders ist es bei Bällen. Die dauern bis zu 5 Stunden und wir nutzen jede Gelegenheit, das Tanzbein zu schwingen. Dafür setze ich meinen Zielwert mindestens auf 140 mg/dl (7,8 mmol/l) und das dann auch über einen längeren Zeitraum. Je nach Tanzintensität steuere ich auch nach.

Quelle: Felicitas Bartsch

Fazit

Tanzen bereichert mein Leben, macht mich glücklich und lässt mich den Alltag vergessen. Den Diabetes habe ich durch die heutigen technischen Möglichkeiten besser im Griff und im Blick. Und so kann ich jede Gelegenheit nutzen, durch das Leben zu tanzen.

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  • hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid

    • Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike

    • @mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid

    • Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike

  • Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂

    Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/

  • insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 3 Wochen

    Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

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