Zuhören? Zuhören!

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Zuhören? Zuhören!

Unsere Welt ist bestimmt von extrovertiert auftretenden Menschen. Wir müssen alle irgendwie Teil dieser homogenen Gruppe sein, um einen Platz in unserem System zu finden. Viele von uns müssen damit ein Verhalten anstreben, was sich eher aufgesetzt als natürlich anfühlt.

Schon im ersten Bewerbungsgespräch müssen wir unsere Kommunikationsstärke unter Beweis stellen. Zeigen, dass wir durchgängig reden, durchgängig argumentieren und immer wieder unsere Meinung präsentieren können. Aber fehlt da nicht was? Gehören zu einem interpersonalen Gesprächsakt in der Regel nicht mindestens zwei Personen? Hier kommt Zuhören ins Spiel. Eine Fähigkeit, die viel zu häufig vergessen wird und schneller als eine normale menschliche Fähigkeit angesehen wird als wie ein besonderes, schätzenswertes Verhalten.

Ich verstehe Zuhören primär als einen Weg, Menschen Raum zu geben oder Raum zu bekommen. Raum für meine Erfahrungen und Raum für ungeteilte Aufmerksamkeit. Raum, in dem mir das Gefühl gegeben wird, dass es okay ist, wenn ich ihn für diesen Moment einnehme.

Quelle: Pixabay

Und was hat Zuhören mit dem Puzzleteil Diabetes in meinem Leben zu tun?

Diese Frage stellte sich mir relativ schnell, als ich mein Verständnis von Zuhören auf unterschiedliche meiner Lebensbereiche anwendete. Mein erster Gedanke widmete sich hier meinen Ärzt*innen. Werde ich von meinem Diabetesteam gehört und wird mir vielleicht für einen kurzen Moment ungeteilte Aufmerksamkeit gegeben?

Ich bin mir sicher, wir können alle von den unterschiedlichsten Erfahrungen berichten, sämtlichen Gefühlslagen, mit denen wir aus unseren Quartalsterminen herausgekommen sind. Und ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, dass meine Stimmung nicht davon abhängt, wie aufmerksam mir zugehört wurde.

Es hat mich einige Jahre Erfahrungensammeln gekostet, bis ich Stück für Stück gelernt habe, dass es auch (oder vielleicht gerade) hier völlig legitim ist, diesen Raum einzunehmen. Schlecht gelaufene Termine bei Ärzt*innen zu relativieren, à la „die sind halt auch sehr gestresst“ oder „ich bin nun mal nicht die einzige Patientin hier“ kann ich mittlerweile leider auch ziemlich gut. Deswegen muss ich mir immer wieder vor Augen führen, dass es hier mehr als legitim ist, mich selbst für diese 10-20 min Gespräch als Priorität zu sehen.

Am Ende geht es um meine Gesundheit. Es geht darum, dass mein Körper als Ganzes gesehen wird. Und es geht darum, dass ich möglichst viel Mehrwert für meine (Diabetes-)Therapie aus dem Gespräch mitnehme. Und wenn wir Zuhören auch im Sinne von Vermeidung von Missverständnissen sehen, gibt es für mich wenige Orte, wo ich Fehlinterpretationen oder voreilige Schlüsse lieber vermeiden würde, als wenn es um meine Gesundheit geht.

Es geht um meine Gesundheit

Zuhören kann Empathie fördern. Und nein, Empathie ist nicht gleich Mitleid. Empathie ist Mitgefühl und Verständnis. Es ist der Versuch, sich in die andere Person und ihre Erlebnisse, Hindernisse und Hürden hineinzuversetzen. Ohne dabei sofort den Anspruch zu erheben, 100% nachempfinden zu können, wie sich nächtliche Unterzuckerungen anfühlen, wie es ist, am nächsten Morgen trotzdem aufstehen zu müssen, um zu funktionieren. Als Person mit Diabetes merke ich immer wieder, wie wichtig es mir ist, dass Menschen im meinem Umfeld mir zuhören. Nicht weil ich den Anspruch habe, dass sie meinen Spritzplan auswendig können, sondern weil sie mir auch zuhören würden, wenn ich wegen einer Grippe gerade angeschlagen wäre. Eine chronische Krankheit als Grund ist für nicht betroffene Personen schwerer greifbar. Umso wertvoller ist es, unaufgefordert Raum zu bekommen, um von meinen Erfahrungen zu berichten.

Und zu guter Letzt darf ich auch nie vergessen, mir selbst zuzuhören. Für mich bedeutet das, darauf zu achten, wann und wo mein Körper mir Grenzen setzt, psychische und physische. In Phasen wie gerade, in denen ich selten dazu komme, auch nur kurz durchzuatmen, merke ich, wie es mir ebenso schwerfällt, anderen Personen voll und ganz zuzuhören, wie auch mir und meinem Körper selbst. Wiederkehrende Kopfschmerzen, massenhaft Unterzuckerungen und einen trägen Körper als konstante Wegbegleitung, wie eine Rolle Traubenzucker, werden dann von mir ignoriert. Ich höre nicht hin, ignoriere, was mein Körper mir erzählt. Ich wende immer wieder ein: „nur noch ein paar Wochen durchhalten“, „du kannst dich heute Nacht ausruhen“, „die Unterzuckerung liegt sicherlich daran, dass ich die Kohlenhydrate falsch berechnet habe“.

Zuhören ist ein Zeichen von Respekt und Wertschätzung

Ich bin dann meine eigene unbeliebte Gesprächspartnerin, die mir ins Wort fällt und sich nicht darauf einlässt, was ich zu erzählen habe.

Mir hat es geholfen, vor allem mein eigenes Zuhörverhalten zu reflektieren. So merke ich, was für einen zwischenmenschlichen Umgang ich mir wünsche. Egal um welchen Lebensbereich es geht. Sei es Diabetes oder Unistress. Aktives Zuhören ist eins der Verhalten von Personen, für das ich mittlerweile am dankbarsten bin. Weil es auch immer ein Zeichen von Respekt und Wertschätzung ist.

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  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

  • gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 3 Tagen

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

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    • darktear antwortete vor 2 Wochen

      Hallo,

      Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
      Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
      Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*

      LG Sndra

    • Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG

  • hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 4 Tagen

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

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