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Mit Typ-1-Diabetes ins Krankenhaus
5 Minuten
Den nachhaltigsten Eindruck hat ein Aufenthalt Anfang 1982 bei mir hinterlassen.
Ich lerne fleißig und bereite mich auf die Abschlussprüfung meiner Ausbildung vor. In 4 Tagen muss ich dafür für 4 Monate meinen Wohnort in Richtung einer kleinen Stadt in der Eifel verlassen. Aber es kommt anders…
Entzündeter Blinddarm zur Unizeit
Mit starken Bauchschmerzen und Übelkeit beginnt der Tag. Da ich mich auch häufiger übergeben muss, fahren mich meine Eltern in die Notaufnahme des Krankenhauses, in dem ich seit Jahren in der Stoffwechselambulanz betreut werde. In der Notaufnahme gebe ich als Allererstes zu Protokoll: „Ich bin Typ-1-Diabetikerin.“
Nach einigen Untersuchungen ist klar, es ist der Blinddarm, und ich werde Patientin in der Chirurgie. Auch dort weise ich mehrfach darauf hin, dass ich Typ-1-Diabetes habe. Merkwürdig ist allerdings, dass das keine Reaktionen bei den Ärzten und den Krankenschwestern hervorruft. Eigenständiges Diabetes-Management einschließlich selbständiger Insulingabe während eines Krankenhausaufenthaltes ist noch nicht üblich.
Die Blinddarm-OP wird für den folgenden Morgen geplant, aber auch das kommt anders. Wegen zunehmender Schmerzen werde ich noch in der Nacht als absoluter Notfall in den OP geschoben. Nach der OP erklärt mir der Chirurg, der Blinddarm sei gerade noch rechtzeitig entfernt worden. So weit, so gut.

Zwei Tage nach der OP bekomme ich Fieber und muss mich ständig übergeben. Es hört auch nicht auf, als ich nichts mehr im Magen habe. Heute weiß ich: Das war eine Ketoazidose. Denn in der Chirurgie hielt man es nicht für notwendig, meinen Blutzucker zu überwachen, geschweige denn, mir Insulin zu geben. Und Selbstmanagement war noch nicht üblich und auch nicht erwünscht.
Glücklicherweise alarmiert meine Mutter den mich behandelnden Diabetologen der Stoffwechselambulanz, der dann offensichtlich ein kollegiales Gespräch mit seinem chirurgischen Kollegen führt. Trotzdem folgt auf eine Woche Chirurgie noch eine Woche in der Inneren, um die Diabetestherapie wieder in ruhige Bahnen zu bringen.
Das bedeutet für mich, erst 14 Tage später zum Abschlusslehrgang, in den folgenden 14 Tagen den Lehrstoff von 4 Wochen in den Kopf reinkriegen, damit ich die Abschlussprüfung bestehe. Ich bestehe sie, aber die angestrebte Note verpasse ich knapp.
Einige Zeit später bekomme ich zufällig den Arztbrief der Chirurgie an die Innere zu lesen. Dort steht tatsächlich, die Probleme nach der OP seien von mir verschuldet, weil ich Schokolade gegessen hätte. Das hat mich wirklich schockiert.
Diesmal geplant ins Krankhaus
Der nächste stationäre Krankenhausaufenthalt ist glücklicherweise erst 20 Jahre später erforderlich. Diesmal ist es kein Notfall, nur eine geplante gynäkologische Operation. Der einweisende niedergelassene Gynäkologe empfiehlt mir ein anderes Krankenhaus.
2002 und in diesem Krankenhaus ist das Zusammenspiel zwischen Ärzten und Patienten deutlich anders. Eine halbwegs stabile Stoffwechsellage während der OP und des anschließenden Aufenthaltes wird als wichtig erachtet. Ich werde in die OP-Planung insbesondere wegen der Medikation mit einbezogen. Außerdem bin ich selbstbewusster und gehe auch entsprechend mit meinem Diabetes um. Technisches Gerät, wie beispielsweise eine Insulinpumpe, spielt keine Rolle, noch therapiere ich mit ICT.
Im Vorfeld der OP arbeite ich mit meinem Diabetologen einen Therapieplan aus. Diesen erläutere ich mit dem Operateur und dem Anästhesisten in den Vorgesprächen und händige ihn beiden aus. Wir vereinbaren, dass ich am OP-Tag als Erste in den OP „darf“. Dadurch soll der Zeitraum mit der reduzierten Insulindosis nicht zu lange sein. Für die Zeit der OP-Vorbereitung und der Narkose gebe ich die Verantwortung an das OP-Team ab. Dieses wird darüber wachen, dass der Blutzucker in einem bestimmten Rahmen bleibt und notfalls mit Glukose oder Insulin gegensteuern. Sobald ich wieder wach sein werde, darf ich entscheiden, was auf der Grundlage der Blutzuckerwerte geschehen soll, und, wenn mir das möglich ist, selbst Insulin injizieren.

Diesmal funktioniert es prima. Alle halten sich an die Absprachen. Als ich aus der Narkose aufwache, reicht mir eine Krankenschwester mein Blutzuckermessgerät und die Teststreifen. Und die notwendige Insulinkorrektur gebe ich mir bereits selbst. Für den restlichen Aufenthalt manage ich meinen Diabetes selbstständig, nur die von mir getesteten Blutzuckerwerte werden täglich für die Patientenakte erfragt.
Jetzt auch noch das Knie
Die nächste OP steht leider schon ein Jahr später an. Anhaltende Knieprobleme enden in der Diagnose, dass die Kniescheibe wohl ein Problem hat. Ich erhalte wieder die Empfehlung für dasselbe Krankenhaus wie im vergangenen Jahr. Und auch den Therapieplan erarbeite ich vorher wieder mit meinem Diabetologen.

Glücklicherweise ist für die geplante Arthroskopie keine Vollnarkose erforderlich, sondern nur eine Spinalanästhesie. Da ich also während des Eingriffs wach bleibe, verabreden Operateur und ich, dass die beim Eingriff anwesende Krankenschwester in kurzen Abständen meinen Blutzucker kontrollieren wird und ich dann entscheide, ob ich Insulin benötige oder ggf. Glukose.
Wieder darf ich morgens als Erste in den OP. Operation selbst und Diabetesmanagement laufen wirklich prima.
Kleine Bemerkung am Rande: Das eigene Knie von innen zu sehen, ist total spannend.
15 Jahre später Diabetesfachklinik
Diese guten Erfahrungen lassen mich den nächsten Krankenhausaufenthalt entspannter angehen.
Anhaltender Stress im privaten und beruflichen Bereich haben Auswirkungen auf meinen Diabetes. Außerdem habe ich grundsätzlichen Schulungsbedarf.
Im Februar 2018 bekomme ich von meinem Diabetologen eine Einweisung für einen stationären Aufenthalt in einer Diabetesfachklink.
Das Diabetesmanagement liegt, nach Absprache mit den mich dort behandelnden Ärzten, in meiner Hand. Ich „muss“ nur zu bestimmten Zeitpunkten einen blutigen Blutzuckerwert bestimmen lassen, ansonsten reichen die Daten meines rtCGM-Systems. Seit 2014 nutze ich eine Insulinpumpe und ein rtCGM.
Natürlich stehen die klassischen Basalratentests und das Testen von Korrektur- und KE-Faktor auf dem „Stundenplan“. Daneben etliche Schulungen, unter anderem zu Ernährung, Sport und Ablegen der Pumpe, die sogar mir alter Häsin etliche neue Erkenntnisse bringen. Aber dafür bin ich auch hier.
Was mich positiv überrascht: Die Basalratentests darf ich mit dem rtCGM machen. Das ist besonders für den nächtlichen Zeitraum nervensparend. Die Daten des CGM landen seit September 2017 in einer Datenbank (mLab), die Visualisierung erfolgt über Nightscout.
Für die Basalratentests nutze ich die Darstellung der alle 5 Minuten gemessenen Gewebszuckerwerte als gepunktete Linie.

Die Basalrate wird optimiert. In der Summe wird sie um 0,57E erhöht und in den Zeitsegmenten leicht verschoben. Es ist wirklich Feintuning.
Ansonsten erhalte ich deutliche Worte, meine eigenen Ansprüche runterzuschrauben. Hinsichtlich der Therapieziele, insbesondere HbA1c-Wert, Definition des Zielbereichs und Zeit im Zielbereich, soll ich mir ernsthaft Gedanken machen, ob ich mich 24 Stunden intensiv mit dem Diabetes beschäftigen will, um optimale Ergebnisse zu haben, nämlich HbA1c deutlich unter 6,0%, Zielbereich zwischen 70 und 160 mg/dl (3,9 und 8,9 mmol/l) und Zielblutzucker von 100 mg/dl (5,6 mmol/l). Oder ob ich mit weniger Aufwand gute Ergebnisse erzielen möchte.
Denn konstant HbA1c-Werte unter 6,5% zu haben, sei völlig in Ordnung und ausreichend, um Spätschäden zu verhindern.
Auch soll ich mir mal selber auf die Schulter klopfen. Nach 47 Jahren Diabetes sind keine Spätschäden festzustellen.
Mit diesen mahnenden Worten verlasse ich nach 10 Tagen die Fachklinik wieder Richtung Heimat.
Fazit:
Diese Erfahrungen mit Krankenhausaufenthalten haben mich gelehrt, soweit wie möglich nichts dem Zufall zu überlassen und die Therapie meines Diabetes in der Hand zu behalten. Natürlich ist man nicht davor gefeit, unverhofft einer stationären Behandlung zu bedürfen. Und nicht in der Lage zu sein, das Diabetesmanagement alleine zu erledigen. Dafür habe ich mittlerweile schriftlich vorgesorgt. Und das Schreiben dieses Artikels hat mich angeregt, ein kleines Notfallpäckchen für alle Fälle griffbereit zu haben.
Mit Hilfe des DDG-Zertifikats „Klinik für Diabetespatienten geeignet“ ist es inzwischen leichter herauszufinden, welche Kliniken eine gute Diabetes-Versorgung gewährleisten.
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sveastine postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Diabetes und Psyche vor 4 Tagen, 21 Stunden
hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid
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stephanie-haack postete ein Update vor 5 Tagen, 18 Stunden
Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂
Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/
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lena-schmidt antwortete vor 5 Tagen, 17 Stunden
Ich bin dabei 🙂
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 2 Wochen, 6 Tagen
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina-
darktear antwortete vor 2 Wochen, 1 Tag
Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig
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Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike
@mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid
Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike