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„Streng dich doch mal mehr an!“ – gegen diese Worte hat vermutlich so gut wie jeder Mensch mit Diabetes eine starke Allergie. „Du solltest das doch besser nicht essen?“ Ja, ist klar.
Ratschläge von außen, die jegliche Aspekte der Diabetestherapie betreffen, sind schwer abzuwehren, und die „Fürsorge“, die dahintersteht, ist nicht immer glaubwürdig. Wenn es also Regeln für Typ-Fler (und alle anderen) gäbe, dann wäre „Gutgemeinte Ratschläge sind nicht immer passend“ sicherlich eine. Aber es gibt keine Regeln, denn jede zwischenmenschliche Beziehung, ob zwischen gesund und gesund, Typ-F- und Typ-1-Diabetes – ja selbst zwischen Typ 1 und Typ 1 – hat seine eigenen Regeln.
Aufgrund von sozialen Medien und der Community können wir uns viel austauschen – das bringt einen unfassbaren Mehrwert. Man wird jedoch auch verleitet. Verleitet dazu, sich schlecht zu fühlen, weil man keinen guten HbA1c-Wert posten kann. Sich schlecht zu fühlen, weil die Kurve der CGM-Werte seit Tagen nicht einmal für 2 Stunden gerade bleibt. Oder auch, weil man schlicht mit dem zufrieden ist, das Allerbeste gibt, was gerade möglich ist… und eine Benchmark gesetzt durch soziale Medien gerade einfach nicht so einfach zu erreichen ist. Mit Diabetes oder ohne.
Ich frage mich: Wie ist die Regel für mich selbst? Wo ist die Grenze? Wie viel Anstrengung für den Diabetes ist zu viel? Und wie wenig ist zu wenig? Wie finde ich meine Grenze heraus?
Um meine Grenze zu erkennen, habe ich mich gefragt, was ich eigentlich von meinem Leben mit Diabetes erwarte. Ich habe Störgrößen herausgefunden, Situationen, in denen der Diabetes nervt, und mich auch mit der Zukunft beschäftigt.
Das hat bei gutem Willen mehr als eine Tasse Tee am Nachmittag gebraucht – ich glaube, ich bin auch keineswegs fertig mit diesem „Grenzenerkennen“. Vielleicht gibt es auch keine Grenzen, sagst du? Richtig! Alles ist möglich. Trotzdem halte ich mich aus Selbstschutz häufig an eine Regel, wenn es an Entscheidungen geht: das Paretoprinzip oder auch die 80-20-Regel.
Das Paretoprinzip stammt von Vilfredo Pareto, einem Ökonomen des 19. Jahrhunderts. Heute wird es häufig im Zusammenhang mit Zeitmanagement und Organisation von Aufwand beschrieben. Nach diesem Prinzip erreicht man mit 20 % des Einsatzes ganze 80 % des gesamten Ertrags. Die fehlenden 20 % des Ertrags zu erreichen, kostet dann anschließend die restlichen 80 % Einsatz. Ergo: Gib dich mit 80 % Ertrag zufrieden, um Ressourcen zu sparen.
Was hat das jetzt mit Diabetes zu tun? Ich finde, Ressourcensparen ist auch im Diabetesmanagement wichtig! Häufig hört man davon, wie viele Entscheidungen wir pro Tag mehr treffen müssen aufgrund des Diabetes, dass wir häufiger an Depressionen erkranken würden, dass ein Diabetes-Burnout jeden ereilen kann und, und, und. Niemand gibt uns die extra Zeit, die wir für unser Diabetesmanagement aufwenden, zurück – das können nur wir selbst, indem wir einfach mal zufrieden mit dem sind, was wir tun!
Ich finde, es ist vollkommen in Ordnung, wenn ich mir keinen Loop baue, weil ich mit meinen derzeitigen Werten zufrieden bin. Ja, sie könnten besser werden (die verbleibenden 20 %) – aber der Aufwand (nämlich 80 %) ist es mir derzeit nicht wert.
Ich finde, es ist vollkommen in Ordnung, wenn ich im Winter nicht jeden Morgen um 06:00 Uhr laufen gehe, so wie im Sommer. Somit gehe ich eben nicht so viel und so regelmäßig wie im Sommer laufen. Diese fehlenden 20 % zu erreichen, würde mich aber derzeit einfach zu viel Energie, nämlich nochmal 80 % von dem, was ich bereits investiert habe, kosten.
Ich finde es vollkommen okay, wenn ich die letzten 20 % Disziplin nicht einhalte – ich möchte jetzt einfach einen Käsekuchen essen!
Falscher Ehrgeiz im falschen Moment führt in meinen Augen nur zu einem: Unzufriedenheit.
Einfach mal zufrieden sein. So, wie es ist. So, wie ich bin. So, wie meine Werte sind. Und mit dem, was ich tagtäglich für meinen Diabetes leiste, ohne dass mir jemand eine Wahl gegeben hat.
Zufriedensein heißt nicht, 100 % zu erreichen.
Mir reichen auch 80 %, wenn ich stattdessen nicht im Diabetes-Burnout stecken bleibe.
Zufriedensein heißt für mich also besonders eines: wissen, wo meine Wohlfühlen-Grenze ist.
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