- Aus der Community
Diabetes im Alter – ein Interview mit Leo Attermeyer
5 Minuten
![]() | ![]() |
| Olivia Peters | Leo Attermeyer |
| 26 Jahre alt | 87 Jahre alt |
| Diabetes Typ 1 | Diabetes Typ 1 |
| Diabetes seit dem 11. Lebensjahr | Diabetes seit dem 38. Lebensjahr |
| Systeme(e): Accu Chek Spirit Combo FreeStyle Libre | Systeme(e): Accu Chek Spirit Combo FreeStyle Libre |
| Diabetesmanagement: selbstständig | Diabetesmanagement: selbstständig |
| wohnhaft: in einer Wohnung mit Hund Oskar | wohnhaft: in einem Haus, gemeinsam mit seiner Frau |
Das Interview wurde Ende November 2020 telefonisch geführt. Herr Attermeyer und ich haben uns zunächst ein wenig privat unterhalten, bevor es mit dem eigentlichen Interview losging.
In dem Vorgespräch mit Herrn Attermeyer konnte ich erfahren, dass er (wie wahrscheinlich viele andere auch schon einmal) leider nicht allzu gute Erfahrungen mit Krankenhausaufenthalten und entsprechend geschultem Personal machen musste. Dies wird auch innerhalb der Fragen noch einmal etwas näher aufgegriffen.
Das Interview
Herr Attermeyer, wollen wir starten?
| Ja!
Okay, dann kommen wir zu der allerersten Frage:
Was war Ihr erster Impuls, warum wollten Sie bei der Interview-Aktion denn eigentlich teilnehmen?
| Ich muss ganz einfach sagen, weil ich Schwierigkeiten sehe im Alter. Das war schon öfter das Gespräch zwischen meinem Freund und mir. „Wie sieht es bei uns aus, wenn wir älter werden? Wer wird unsere Pumpe bedienen? Wer wird uns behilflich sein/behilflich sein können?“ Diese Fragen stellten sich einfach. Das war der Grund, entweder etwas zu erfahren oder eben diese „Schwierigkeit“ noch einmal laut mitzuteilen.
Genau! Das kann ich absolut verstehen. Das sind auch plausible Gründe, es gibt ja auch sehr sehr viele Leser*innen, welche dieselben Gedankengänge haben. Und mit dieser Möglichkeit hier einfach noch einmal aufmerksamer zu machen, das ist ein schöner Grund. Auf jeden Fall ein Grund, der Hand und Fuß hat.
Diabetes-Fremdmanagement und private Wünsche
Ich würde somit übergehen zu Frage zwei und gleichzeitig an Sie diese Frage übergeben: Haben Sie schon einmal Erfahrung mit einem Diabetes-Fremdmanagement gemacht? Bezogen auf z.B. ein „Closed-Loop“-Pumpen-System?
| Nein. Nur die Verbindung von der Accu-Chek-Spirit-Combo-Insulinpumpe zu dem Testgerät, bei welcher ich mit dem Blutzucker-Testgerät die Pumpe steuere. Ein System, bei welchem also alles in einem Gerät ist, bzw. Erfahrungen mit einem „Closed-Loop“-System habe ich nicht.
Genau, dem Komplettsystem…, damit habe ich auch keine Erfahrung. Ich muss auch sagen, ich vertraue der Thematik und ich sehe das bei meinem Bruder, welcher ein Komplettsystem verwendet. Aber wenn ich den Libre-Sensor betrachte mit Hinblick darauf, dass dieser 14 Tage liegen bleiben darf und andere Sensoren diese „Liegezeit“ nicht bieten können, ist mir das alles noch zu aufwendig.
Herr Attermeyer, dann sind wir uns da ja schon einmal einig. Bei mir heißt es weiterhin, „je weniger Aufwand, desto angenehmer gestaltet sich das Ganze für mich“.
Frage Nummer drei:
Was ist Ihr Wunsch für die Zukunft in Bezug auf das Diabetes-Management? Das kann jetzt speziell etwas sein oder das allgemeine Diabetes-Management.
Gibt es da etwas, was Ihnen einfällt, wo Sie sagen: das wäre schön für die Zukunft, wenn es entweder für Sie privat klappt oder für alle Personen mit Diabetes?
| Ja, mein Wunsch ist einfach, dass evtl. doch mehr fachkundiges Personal, Menschen, zur Verfügung stünden. Krankenpfleger oder Diabetes-Berater. Wie sie sich genau nennen, spielt gar keine explizite Rolle. Menschen, welche wirklich im Bedarfsfall in der Lage sind, einem behilflich zu sein, wenn man es selbst nicht mehr kann. Das ist eine Sorge, die ich habe.
Klar, das ist für mich ebenfalls nachvollziehbar. Darüber hatten wir uns am Anfang des Interviews kurz privat unterhalten. Gemäß dem Fall, dass es so ist, dass man bereits in einer Situation steckt, in welcher man auf Hilfe angewiesen ist, und dann kennt sich die behilfliche Person nicht aus, dann macht das einen als Betroffenen natürlich noch einmal nervöser.
Feierlichkeiten und das eigene Empfinden
Frage Nummer vier:
Haben Sie nächstes Jahr oder noch in diesem Jahr 2020 ihr 50-jähriges Diabetes-Jubiläum?
| Ne, 50 Jahre noch nicht. Im Januar 2021 habe ich es erst 49 Jahre.
Ah, okay. Gut. Dann also erst im Jahr 2022. Manche Betroffene feiern ja solch ein Jubiläum, wie eine Art kleinen Geburtstag. Feiern Sie Ihr Jubiläum oder nicht?
| Nein. Wissen Sie, ich muss mich da bei der vorhandenen Technik einfach einmal „bedanken“. Diese hat es mir ermöglicht, dass ich überhaupt so alt geworden bin. Als bei mir der Zucker ausbrach, da redete man von einer Lebenserwartung, naja, von 20-25 Jahren (ab dem Zeitpunkt). Und dann ist es jetzt bereits das Doppelte geworden. Ich bin dankbar für das, was ich erfahren durfte, sehr sogar. Ich freue mich, wenn meine Frau bei mir ist und unsere Kinder. Wir haben zwei Kinder und vier Enkelkinder. Wenn die dabei wären, das wäre schön. Aber grundsätzlich und überhaupt wichtig wäre mir das Ganze nicht. Auch nicht, dies zu feiern. Ich würde dann vielleicht des einen Morgens feststellen: „Ach weißte was, jetzt sind es schon 50 ganze Jahre!“
Das ist ja auch eine ganze Menge! Ich bin gespannt, denn ich habe den Diabetes jetzt 15 Jahre. Wenn’s gut läuft und ich auch 87 Jahre alt werden darf, dann kriege ich das auch hin mit dem 50. Jubiläum.
Dann auf zur nächsten Frage:
Wie empfinden Sie Diabetes als Krankheit? Finden Sie es sehr belastend oder finden Sie, dass es eine Krankheit ist, mit welcher man, wenn man ganz gut eingestellt ist und wenn man sich
natürlich bemüht, in Ordnung leben kann?
| Ich lasse bewusst die Zucker-„Krankheit“ weg und sage, ich lebe damit und, wie ich damit lebe, das bestimme ich zum größten Teil selbst. Ansonsten ist es eine Stoffwechselstörung und ich selbst muss sehen, dass ich damit fertig werde. Bisher hat’s gut geklappt und dafür bin ich dankbar. Aber da auf einer Krankheit rumjammern würde ich nicht.
Ihr Wunsch für alle anderen
Die allerletzte Frage kommt jetzt, das ging ja richtig flott mit Ihnen:
Was würden Sie denn gerne frisch Diagnostizierten, ich meine, Sie bekamen es mit 38 Jahren, ich mit 11 Jahren, dann gibt’s auch noch viele Altersgruppen dazwischen – was würden Sie Lesern oder Leserinnen, die gerade frisch diagnostiziert sind, mit auf den Weg geben?
| Man soll da mit frischem Mut rangehen. Und vor allen Dingen nicht den Kopf hängen lassen. Nie den Kopf hängen lassen, dafür ist gar kein Grund vorhanden. Und ich sage immer wieder, auch wenn es mir manchmal bescheiden geht: Ich nehme gerne einiges in Kauf, weil ich so gerne lebe.
Das ist ein schöner Satz, Herr Attermeyer! Aber das Gesagte stimmt ja auch. Man muss auch einmal erwähnen, dass man mit Diabetes gut leben kann. Klar kostet uns das alle zu bestimmten Zeiten sehr viel Kraft und sehr
viele Nerven sowie Durchhaltevermögen. Dabei handelt es sich ja noch um eine Krankheit, welche immer da ist. Man kann es nicht „abschalten“ oder eine Pause einlegen. Ich finde die Einstellung von Ihnen sehr gut und vertrete diese ebenfalls. Wissen Sie, ich bin eine Person, ich mache alles in meinem Leben, worauf ich Lust habe. Und ich bin mir sicher, dass ich nichts anders gemacht, hätte ich diese Erkrankung beispielsweise nie bekommen.
Ich bin der festen Überzeugung, Ihre Aussage und Ansicht, als auch das geführte Interview, ermutigen viele Leser*innen. Einfach schon aus dem Grund zu lesen, dass man wie Sie das hohe Alter erreichen kann. Aber auch in Bezug auf Ihre positive Einstellung, das ist so eine Grundeinstellung, ohne Meckern.
| Es ist viel mehr vorbei, wenn man meckert.
Richtig!
______________________________________________________________________________
Ich bedanke mich noch einmal vielmals bei Herrn Attermeyer für seine Zeit sowie das sehr angenehme Interview und wünsche ihm und seiner Familie für die Zukunft stets das Beste.
Mehr zum Thema lest ihr zum Beispiel in diesem Artikel von Susanne: Selbstbestimmte Diabetestherapie auch im Alter
Diabetes-Anker-Newsletter
Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.
Ähnliche Beiträge
- Behandlung
VDBD-Vorsitzende Kathrin Boehm: „Diabetesberaterinnen sind lebenslange Begleiter“
8 Minuten
- Aus der Community
DIAlog 15: Die Zukunft
5 Minuten
Diabetes-Anker-Newsletter
Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.
Über uns
Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.
Community-Frage
Mit wem redest du
über deinen Diabetes?
Die Antworten werden anonymisiert gesammelt und sind nicht mit dir oder deinem Profil verbunden. Achte darauf, dass deine Antwort auch keine Personenbezogenen Daten enthält.
Werde Teil unserer Community
Community-Feed
-
sveastine postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Diabetes und Psyche vor 5 Tagen, 14 Stunden
hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid
-
stephanie-haack postete ein Update vor 6 Tagen, 12 Stunden
Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂
Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/
-
lena-schmidt antwortete vor 6 Tagen, 11 Stunden
Ich bin dabei 🙂
-
-
insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 3 Wochen
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina-
darktear antwortete vor 2 Wochen, 2 Tagen
Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig
-



Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike
@mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid
Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike