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Diabetes-Barcamp: Warum sind Selbsthilfegruppen nicht so cool wie die Community? (Diabetes-Selbsthilfe Teil 1)
4 Minuten
Die klassische Selbsthilfe hat ein Imageproblem. Viele jüngere Menschen mit Typ-1-Diabetes verbinden mit ihr langweilige Treffen, bei denen man in einem Stuhlkreis in einem schäbig möblierten Seminarraum herumsitzt und gemeinsam langweiligen Vorträgen lauscht – garniert mit faden zuckerfreien Keksen und einer ordentlichen Portion Vereinsmeierei. Bäh. Da schließt man sich doch lieber verschiedenen Facebook-Gruppen an, folgt Diabetes-Blogs und besucht Community-Events, um sich über seinen Diabetes auszutauschen und von den Erfahrungen anderer zu profitieren. Doch müssen Selbsthilfe und Diabetes-Community wirklich zwei so verschiedene Welten sein? Beim Diabetes-Barcamp am 8. September in Frankfurt gab es gleich zwei Sessions, in denen über die Bedeutung der Selbsthilfe und ihr Verhältnis zur Diabetes-Community diskutiert wurde.
Community: spontan, unkompliziert, ohne feste Termine, persönlich
Die tollen Seiten der Diabetes-Community brauche ich auf diesem Kanal eigentlich niemandem näher zu erläutern: Auf Facebook, Twitter oder Instagram ist immer jemand wach, der einem schnell Trost spenden kann, wenn der Glukosewert mal wieder durch die Decke geht. Spontan, unkompliziert, ohne feste Termine, persönlich und ohne dass ein erster Vorsitzender die Agenda absegnen müsste. Das Diabetes-Barcamp ist ein Paradebeispiel dafür, dass das Prinzip auch bei Offline-Events gilt. Vielen Typ-Einsern ist mittlerweile ihr regionaler Diabetes-Stammtisch heilig: Dank des regelmäßigen Austauschs gelingt es manchen, sich intensiver und weniger gezwungen mit ihrem Diabetes zu beschäftigen und sogar ihren Langzeitwert deutlich zu verbessern.
Die Mitgliedschaft in der Diabetes-Community kostet keinen Vereinsbeitrag und verpflichtet einen zu nichts. Doch die Kehrseite der Medaille ist: Gegenüber politischen Gremien, die zum Beispiel über die Aufnahme von Hilfsmitteln wie CGM-Systemen oder innovativen Medikamenten für Menschen mit Typ-2-Diabetes in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen zu entscheiden haben, hat die Diabetes-Community keine Stimme und wird auch überhaupt nicht wahrgenommen.

Selbsthilfe-Organisationen werden in der Politik immerhin angehört
Und genau das ist bei den etablierten Selbsthilfe-Organisationen anders: Sie dürfen beim Gemeinsamen Bundessausschuss (G-BA) zwar nicht mitentscheiden, werden über die Mitgliedschaft in Selbsthilfe-Dachorganisationen aber immerhin angehört (wie das funktioniert, ist hier ausführlich beschrieben), können also Stellungnahmen oder Gutachten in Entscheidungsprozesse einbringen. Selbsthilfe-Organisationen beschäftigen in der Regel auch einen Justiziar, der Mitglieder in Rechtsfragen beraten kann. Außerdem werden sie von Parteien, Fachgesellschaften und Gremien der Selbstverwaltung als Ansprechpartner und Interessenvertretung der Patientinnen und Patienten wahrgenommen und haben deshalb Zugang zu vielen relevanten Informationen. Darüber hinaus setzen sie sich seit geraumer Zeit dafür ein, dass Selbsthilfe-Organisationen bei Entscheidungsprozessen nicht nur angehört werden, sondern auch stimmberechtigt sind. Das sind Aktivitäten, Privilegien und Rechte, mit denen ein Diabetes-Stammtisch und auch das lesenswerteste Diabetes-Blog eben nicht aufwarten können.
Von der Selbsthilfe dringt nicht viel Spannendes nach außen
Allerdings sind genau diese wichtigen Funktionen der etablierten Selbsthilfe-Organisationen vielen Menschen mit Diabetes überhaupt nicht bekannt – das zeigte zumindest die Diskussion in den beiden Sessions beim Diabetes-Barcamp. „Wenn ich gewusst hätte, dass die Selbsthilfe sich auch dafür einsetzt, dass mehr Typ-Einser ein CGM-System bekommen, dann wäre ich doch schon längst eingetreten und würde auch gern einen Mitgliedsbeitrag für den Verein zahlen“, sagte eine Teilnehmerin zum Beispiel. Dass von den Selbsthilfe-Verbänden nicht allzu viel Spannendes nach außen dringt, kann auch ich bestätigen. Ich bin zwar Mitglied im Diabetikerbund und auch in der DDH-M. Doch vom Landesverband Hamburg des Diabetikerbundes betrafen die (immer per Post verschickten) Schreiben der vergangenen Jahre eigentlich ausschließlich den Umstand, dass der Landesverband behelfsweise in einem anderen Büro untergeschlüpft ist – gefolgt von der tollen Neuigkeit, dass nun das neue Büro bezogen wurde. Nur um neues Mobiliar zu bestaunen, mache ich mich aber nicht auf den Weg, um an einem der Selbsthilfe-Treffen teilzunehmen. Auch die Post, die ich bislang von der DDH-M erhalten habe, konnte mich nicht so recht vom Hocker reißen. Der Gipfel waren anonymisierte Stimmzettel zur Wahl der Bundesdelegiertenversammlung – darüber habe ich mich sogar ziemlich aufgeregt und meinem Ärger auf meinem Blog Luft gemacht. Alles in allem habe ich aufgrund dieser Außendarstellung bislang noch keine Lust verspürt, mich aktiv in die etablierte Selbsthilfe einzubringen.

„Komplett einstampfen und unter einem neuen Dach ganz von vorn anfangen!“
Doch auch Menschen, die aktiv mitarbeiten oder in der Vergangenheit engagiert diverse Ehrenämter in der Selbsthilfe bekleidet haben, sind nicht unbedingt gut auf deren Strukturen zu sprechen. „Die Selbsthilfe spricht nicht mit einer Stimme“, hieß es in den Sessions beim Barcamp oder „In den Selbsthilfeverbänden geht es nur um Typ-2-Diabetes“ oder „Das sind verkrustete Strukturen, die von den Streitigkeiten älterer Herren geprägt sind!“ bis hin zu: „Man müsste die etablierten Verbände alle komplett einstampfen und unter einem neuen Dach ganz von vorn anfangen!“ Übrigens: Wer die Session nicht selbst erlebt hat, kann sich hier noch einmal den Livestream anschauen. Wenn also selbst Insider derart skeptisch sind, wie können die Selbsthilfe-Verbände effektiv unsere Interessen vertreten, geschweige denn mehr Menschen zur ehrenamtlichen Mitarbeit bewegen?
Das Thema lässt mich nicht los. Und deshalb widme ich ihm eine kleine Serie hier in der Blood Sugar Lounge. In Teil 2 werde ich einen Überblick über die verschiedenen Selbsthilfe-Organisationen geben. Und in Teil 3 Ideen aufschreiben, was sich aus meiner Sicht ändern müsste, damit klassische Selbsthilfe und Diabetes-Community nicht länger getrennte Wege gehen. Denn für mich sind Selbsthilfe und Community kein Widerspruch. Im Gegenteil: Die Selbsthilfe ist Teil der Community – und umgekehrt! Was sind eure Gedanken dazu? Was müsste die Selbsthilfe leisten, wie müsste sie sich präsentieren, damit ihr euch stärker angesprochen und vertreten fühlt?
Die Fortsetzungen findet ihr hier:
Diabetes-Selbsthilfe (Teil 2): Überblick über die verschiedenen Organisationen
Diabetes-Selbsthilfe Teil 3: Meine Ideen für Neuordnung und mehr Sichtbarkeit
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gingergirl postete ein Update vor 6 Tagen, 20 Stunden
Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
Danke schonmal im Voraus -
hexle postete ein Update vor 1 Woche, 1 Tag
Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.
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lena-schmidt antwortete vor 3 Tagen
@stephanie-haack hast du vielleicht ein paar gutes Tipps?
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Hallo,
Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*
LG Sndra