Forschung: Haben wir das Fettleber-Gen von den Neandertalern geerbt?

2 Minuten

Forschung: Haben wir das Fettleber-Gen von den Neandertalern geerbt?
© blackboard - Fotolia
Forschung: Haben wir das Fettleber-Gen von den Neandertalern geerbt?

Ein deutsches Forschungsteam hat bei einer Genom-Analyse Anzeichen dafür entdeckt, dass der moderne Mensch das Gen, das eine Fettleber-Erkrankung begünstigt, von den Neandertalern geerbt haben könnte.

Stammt unser genetische Veranlagung für das Entstehen einer Fettleber von den Neandertalern? Die Ergebnisse einer Studie, durchgeführt von den Universitätskliniken Würzburg und Homburg sowie dem Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie (MPI-EVA) in Leipzig, wirft neues Licht auf die evolutionären Ursprünge von Stoffwechselerkrankungen beim Menschen. Überraschenderweise zeigt die Forschung, dass die Genvariante, die am häufigsten mit Fettleber-Erkrankungen in Verbindung gebracht wird, bereits bei Neandertalern, vorhanden war – und zwar in einer Häufigkeit von 100 Prozent.

Eine Fettleber kann gravierende Gesundheitsfolgen nach sich ziehen, von Entzündungen bis hin zu Krebs. „Und mit der Zahl der Übergewichtigen steigt die Zahl unserer Patientinnen und Patienten“, unterstreicht Prof. Dr. Andreas Geier vom Universitätsklinikum Würzburg. Die Forschung zeigt, dass nicht nur Lebensstilfaktoren wie Überernährung und Bewegungsmangel, sondern auch genetische Veranlagungen eine Rolle spielen.

DNA von 10.000 alten und modernen Menschen analysiert

Die Wissenschaftler analysierten die DNA von 10.000 archaischen und modernen Menschen aus aller Welt sowie alle 21 verfügbaren Neandertaler-Genome und zwei Genome von Denisova-Menschen, einer Menschengattung, die eng mit den Neandertalern verwandt war. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die entscheidende Genvariante des PNPLA3-Gens bereits vor der Abspaltung der Frühmenschen vom Neandertaler existierte. „Überraschenderweise trugen alle archaischen Menschen, die vor 40.000 bis 65.000 Jahren lebten, ausschließlich das Risiko-Allel, was auf eine Fixierung des Varianten-Allels bei ihren gemeinsamen Vorfahren hindeutet“, erklärt Prof. Geier. „Bei der Analyse der Referenzgenomsequenz von Primaten wurde deutlich, dass die Menschenaffen, vom Orang-Utan über Gorilla bis zum Schimpansen und Bonobo, eine ursprüngliche, weniger riskante Genvariante tragen, einen sogenannten Wildtyp.“

Daraus schließen die Wissenschaftler, dass die Hauptvariante des Fettleber-Gens PNPLA3 bereits vor der Aufspaltung des menschlichen Stammbaums vor mehr als 700.000 Jahren entstanden sein muss. Diese Entdeckung wirft die Frage auf: Hatten diese Genvarianten einst einen Überlebensvorteil? Es scheint, dass die Fähigkeit, Fett zu speichern, in der Vergangenheit lebensrettend war, heute jedoch zu Gesundheitsproblemen führen kann. „Insbesondere die Fähigkeit, Fett zu speichern, war wahrscheinlich während des größten Teils der Menschheitsgeschichte von Vorteil, während sie unter den heutigen Lebensbedingungen von Nachteil ist“, erläutert Prof. Geier.

Darüber hinaus könnte das Gen auch eine Rolle in der Thermogenese, also der Wärmeproduktion, gespielt haben, insbesondere unter den kalten klimatischen Bedingungen, denen die Neandertaler ausgesetzt waren. Für diese Hypothese spreche zudem, dass die PNPLA3-Variante bei annährend 90 Prozent der Jakuten-Bevölkerung in der kältesten Region im Nordosten Russlands zu finden ist. Weitere Untersuchungen zur Funktion von PNPLA3 bei der Wärmeproduktion außerhalb der Leber wären laut Prof. Geier demnach spannend.

Kein signifikantes Signal für natürliche negative Selektion

Die Forschung liefert jedoch keinen eindeutigen Beweis für eine negative natürliche Selektion dieses Gens in den letzten 15.000 Jahren. „Obwohl unsere genomweite Analyse keine signifikanten Signale für natürliche Selektion in den letzten 10.000 Jahren gefunden hat, besteht immer noch die Möglichkeit, dass Selektion in Zeiträumen aktiv war, die älter sind als die, die wir heute statistisch analysieren können“, gibt Stephan Schiffels, Leiter der Arbeitsgruppe Populationsgenetik am MPI-EVA, zu bedenken.

Mehr zum Thema
➤ Nobelpreis für Paläogenetik-Pionier: Wie viel Neandertaler steckt in uns?

Abschließend bleibt die Frage, ob die moderne Menschheit dieses spezifische Fettleber-Gen von den Neandertalern geerbt hat. Während ein direkter Gentransfer durch den Neandertaler nicht bei allen Populationen nachweisbar ist, könnte er dennoch einen Beitrag geleistet haben. „Tatsächlich zeigen unsere nachfolgenden Analysen, dass eines von 1.000 heutigen PNPLA3-Varianten-Allelen aus dem Neandertaler-Genom stammen könnte“, ergänzt Schiffels, was die komplexe Geschichte unseres genetischen Erbes unterstreiche.



von Redaktion Diabetes-Anker

mit Materialen der Universität Würzburg

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Ähnliche Beiträge

Weltdiabetestag und „Meilensteine der modernen Diabetologie“: großes Diabetes-Event im November

Am 10. November 2024 finden die beiden vormals separaten Veranstaltungen „Meilensteine der modernen Diabetologie“ und die Patientenveranstaltung zum Weltdiabetestag in einem großen gemeinsamen Event für Menschen mit Diabetes statt.
Weltdiabetestag und „Meilensteine der modernen Diabetologie“: großes Diabetes-Event im November

2 Minuten

22. Düsseldorfer Diabetes-Tag: vielfältiges Programm für Menschen mit Diabetes und Interessierte

Der 22. Düsseldorfer Diabetes-Tag am 31. August 2024 bietet bei freiem Eintritt ein umfangreiches Programm mit Vorträgen, einer Industrieausstellung und Mitmach-Aktionen für Betroffene, Angehörige und Interessierte.
22. Düsseldorfer Diabetes-Tag: vielfältiges Programm für Menschen mit Diabetes und Interessierte

2 Minuten

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Über uns

Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.

Community-Frage

Mit wem redest du
über deinen Diabetes?

Die Antworten werden anonymisiert gesammelt und sind nicht mit dir oder deinem Profil verbunden. Achte darauf, dass deine Antwort auch keine Personenbezogenen Daten enthält.

Werde Teil unserer Community

Folge uns auf unseren Social-Media-Kanälen

Community-Feed

  • smc postete ein Update vor 7 Stunden, 39 Minuten

    Hallo zusammen, da ich Metformin nach vielen Jahren nicht mehr nehmen darf und Ozempic meine Bauchspeicheldrüsenwerte zu stark erhöht da, soll ich nun Forxiga bekommen. Habt ihr Erfahrung damit, besonders mit den Nebenwirkungen? Bin sehr verunsichert…

  • carogo postete ein Update vor 3 Tagen, 3 Stunden

    Hallo zusammen! Ich habe mich mit einer Freundin über die Rezepte in der Zeitschrift unterhalten und wir haben uns gefragt, was es eigentlich konkret mit den Nähwertangaben und der Unterscheidung zwischen Kohlenhydraten und anrechnungspflichtign KH auf sich hat?

    • Das wüsste ich auch gerne.

    • Liebe Carogo,
      anrechnungspflichtige KH sind Kohlenhydrate, die den Blutzuckerspiegel erhöhen. Es gibt auch KH, die nicht direkt blutzuckersteigernd wirken und damit für die Insulintherapie nicht oder nicht voll angerechnet werden müssen, wie bspw. Ballaststoffe oder KH, die nur sehr langsam den Blutzucker beeinflussen.
      VLG
      Gregor aus der Diabetes-Anker Redaktion

    • @gregor-hess: danke für die Antwort! Könntest du hierfür mal Beispiele nennen?

  • cesta postete ein Update vor 1 Woche, 6 Tagen

    Hallo zusammen, ich habe eine Frage an euch. Ich habe seit 4 Jahren Typ 1 LADA und bisher nur mit Basalinsulin ausgekommen. Seit 3 Wochen muss ich nun auch zu jeder Mahlzeit Humalog spritzen. Für die Berechnung wiege ich immer alles ab. Könnt ihr eine App empfehlen, die bei der Berechnung der Kohlenhydrate unterstützt? Oder habt ihr andere Tipps wie man sich daran gewöhnt? Ich wiege bisher alles ab und kann mir gar nicht vorstellen, dass ich mir das zukünftig merken kann bzw. wie ich die Kohlenhydrate schätzen kann. Vielen lieben Dank für eure Hilfe! Liebe Grüße, Christa

    • Hallo cesta, ich habe gute Erfahrungen mit der WETID App gemacht. Hier erhältst du für fast alle Lebensmittel BE – Werte. Man kann auch das Portionsgewicht eingeben und erhält dann die entsprechenden BE’s.
      Die App mit Werbung war bisher kostenlos. App ohne Werbung und im Abo ist besser.

      LG von kw = Kurt mit Diabetes Typ 3c

    • Hallo Christa! Ich verwende die FDDB app. LG Sarah (Lada)

    • @kw: Vielen lieben Dank für den Tipp!

    • @moira: Vielen lieben Dank für den Tipp!

Verbände