Finger in die Wunde gelegt

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Finger in die Wunde gelegt

Günter Nuber hat Gedanken gemacht über die Aussagen eines Diabetes-Experten, der die Lücken im Versorgungssystem offen angesprochen hat.

“Der liebe Gott hat uns die Vielfalt und auch die Menge des Nahrungsangebotes nicht geschenkt, um uns umzubringen.”: Das schreibt Diabetes- und Ernährungs-Experte Prof. Stephan Jacob im aktuellen Buch von Johann Lafer: Mit Lafer leicht genießen (Kirchheim-Verlag).

Lebensstilumstellung

Die Umstellung des Lebensstils seiner Patienten – Lieblingsthema des Pfälzers Jacob. So auch beim Diabetes-Mediendialog 2013, zu dem das Unternehmen Roche Diagnostics im März nach Hohenkammer eingeladen hatte.

Denkt man stärker in Prozessen, so Jacob, wird es auch gelingen, die Diabetikerversorgung zu verbessern. Laut Prof. Jacob ist das Dilemma, dass die Diabetikerzahlen explodieren – mit allen Problemen: “Immer jüngere Menschen, die immer länger der Hyperglykämie ausgesetzt sind. Das Einzige, was bei vielen Menschen zu Hause noch läuft, ist der Fernseher.”

„Wenig Zeit im Praxisalltag“

Viele Betroffene haben neben dem Typ-2-Diabetes einen Bluthochdruck, sind fettleibig, haben gestörte Blutfettwerte. Dazu kommen oft weitere chronische Krankheiten. “Und der Arzt? Wir haben wenig Zeit im Praxisalltag, wir sollen in 3 Minuten Tipps zum gesunden Leben geben.”

Letztlich, so Jacob, erkläre man zwar vieles als Experte, aber das Problem werde vielmals nicht richtig erfasst – auch nicht von den Therapeuten: “Zum Diabetiker wird man nicht über Nacht. Wenn man also den Lebensstil eines Diabetikers ändern will, so betrifft das den Lebenspartner, die gesamte Familie.” Eine Diabetesschulung muss demnach den Partner/die Familie einbeziehen: “Wie soll’s denn sonst funktionieren mit gesunder Ernährung und mehr Bewegung im Alltag?”

Finger in die Wunde gelegt

Aus meinem Blickwinkel legt Stephan Jacob den Finger in die Wunde: Wir wissen seit langem so vieles über den Diabetes, über seine Entstehung, seine Therapie – über Selbstmanagement. Trotzdem gelingt es vielen Therapeuten und Patienten nicht, langfristig eine gute Einstellung zu erreichen. Es gelingt schon gar nicht mit wenig Zeit, mit wenig Engagement und mit wenig Motivation seitens aller Beteiligter.

Jacob: “Es bleibt bei uns zu wenig Zeit fürs Lebensstil-Management – und das bei der sehr komplexen chronischen Krankheit Diabetes mellitus.” Für den Betroffenen gibt es neben der medizinischen Ebene natürlich seine private und seine berufliche Welt, die allesamt die Qualität der Diabeteseinstellung beeinflussen:

“Gelingt meine Diät nur, wenn der Partner mitmacht? Kann ich noch mit meinen Freunden wandern gehen? Darf ich noch zum Stammtisch – oder Motorrad fahren?” Selbst wenn all die heiklen, bis dato ungelösten Probleme in gute und funktionierende Prozesse überführt werden könnten – es wird noch “besser”:

Sparwütiges Gesundheitssystem

“Was nutzen alle Bemühungen, wenn sie dem Menschen mit Diabetes nicht zugutekommen können?” Jacob spricht von der “Gem-BA-Welt“, also der Gesundheitspolitik in Deutschland und vom Gemeinsamen Bundesausschuss: So sparen nicht verordnete Teststreifen zwar Kosten – aber führen auf lange Sicht zu schlechter Einstellung und zu mehr Komplikationen.

So werden aktuell wertvolle Medikamente mit anderen Ansatzpunkten im Körper in Deutschland nicht erstattet – und es bleibt oft nur der schnelle Beginn einer Insulintherapie. “Selbst wenn Studien Vorteile zeigen, heißt es nicht zwangsläufig, dass das Wissen umgesetzt werden kann.”

Der liebe Gott hat uns demnach nicht die Vielfalt der Medikamente geschenkt, damit wir sie nicht benutzen dürfen.


von Günter Nuber

Kontakt:
Kirchheim-Verlag, Kaiserstraße 41, 55116 Mainz, Tel.: (0 61 31) 9 60 70 0,
Fax: (0 61 31) 9 60 70 90, E-Mail: redaktion@diabetes-journal.de

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2013; 62 (4) Seite 21

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