„Vieux Sinzig“: Wo Wildkräuter wahre Wonnen werden

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© Vieux Sinzig
„Vieux Sinzig“: Wo Wildkräuter wahre Wonnen werden

Das Echt essen-Gasthaus im März: Das „Vieux Sinzig“ ist eine gekonnte Melange aus französischem Esprit und deutschem Ernst, gewürzt mit einer Prise Philosophie.

Wildkräuter sind in. Immer mehr Köche schmücken sich mit Gänseblümchen, Gundermann und Co. aus dem Garten der Natur. Der unumstrittene Pionier des „Wilden“ ist aber Jean-Marie Dumaine aus dem Städtchen Sinzig an der Mündung der Ahr in den Rhein. Bei seinen Streifzügen durch die Wälder und Rebberge des Ahrtals stibitzte der Besitzer des „Vieux Sinzig“ schon vor über 20 Jahren immer wieder ein Kräutlein, roch daran, zerrieb es, verglich es mit bekannten Gerüchen – und fing an, damit zu kochen.

Schon früh faszinierte mich dieser völlig neue Ansatz – auch wenn mir das Ergebnis auf dem Teller oft ein wenig zu süß war: „Die Leute mögen das Bittere der Kräuter nicht so“, lächelte der gebürtige Normanne dann verschmitzt. Doch seit einigen Jahren steht vor allem sein Neffe Yoann Hue am Herd – und gemeinsam gelingt den beiden immer stärker eine einmalige Verbindung aus Natur und großer Kochkunst, was kein Wunder ist, war Yoann doch lange Zeit in Diensten des weltweit gefeierten Magiers von Kraut und Gemüse, dem Franzosen Michel Bras aus der Auvergne.

„Wild” macht glücklich: Jean-Marie, Colette Dumaine und Yoann Hue

Eine perfekte Mischung ist das: Jean-Marie Dumaine mit seinen Erfahrungen um die Geheimnisse der Kräuter, inzwischen fundiert durch ein reiches botanisches Wissen, das ihn zum gefragten Partner renommierter Botaniker macht, etwa der Universitäten in Bonn und Nancy, sowie zum Autor gefeierter Kochbücher über Wildkräuter. Dazu Yoann, der mit seinem Onkel immer wieder bei den besten Köchen einkehrt, um hinterher den eigenen Weg um so klarer zu gehen. Gekrönt alles von Colette Dumaine, die mit ihrer normannischen Trachtenhaube und ihrem entwaffnenden Charme eine heitere Atmosphäre in dem lichten Restaurant schafft, das sich um einen Garten gruppiert, in dem an die 200 Kräuter gedeihen.

Als ich da war, wuchs aber noch wenig. Aber die Dumaines finden immer was, selbst im Januar, wenn leichter Schnee liegt, blinzeln ihnen vor allem in den Reben wilder Schnittlauch, Ehrenpreis und Labkraut zu. Aber erst der triebhafte Monat März ist die hohe Zeit der Wildkräuter, weil sie jetzt voller vitalisierender Stoffe und Vitamine stecken, welche die Schlacken des Winters vertreiben – den Stoffwechsel beschwingen. Also bestellte ich ein reines Menü aus Kräutern und Gemüse:

Küchengruß: Löwenzahncrème mit Curry-Ingwer Sauce

Gleich zu Beginn ein „Kracher“: Im runden Schälchen eine hinreißende Löwenzahncrème mit einem Klacks Curry-Ingwer. Viel raffinierter lassen sich die Leber stärkenden Bitterstoffe des Löwenzahns wohl nicht verpacken – ich hätte einen ganzen Teller verputzen können. Auf dem Löffel eine Miesmuschel auf Paprika-Bohnen-Salat und daneben eine Fasanenpaté mit Maronen. Dazu selbstgebackenes Brot mit einem Wildkräuterpesto, das süchtig machen kann – und das so geheimnisvolle Kräuter versammelt wie Franzosenkraut, Melde und Wassermiere. Ein Tipp: Sie müssen nicht alles aufessen, Sie können es auch kaufen und zu Hause genießen.

Gang 1: Ofengemüse, Wildkräuter, Vinaigrette

Was für eine Trilogie – sie allein lohnt den Weg ins Ahrtal. Was für eine Zeremonie: Zuerst das Weckglas öffnen – und die „aufgeweckten“ Gemüsedüfte schnuppern, dann die Wildkräuter und die Vinaigrette aus den beiden weiteren Schälchen zugeben, alles sanft mengen – und genießen. Für mich schon jetzt ein Klassiker, der in seiner Raffinesse über Michel Bras hinausweist, weil die Gemüse subtil-aufwendig zubereitet werden: Jedes Gemüse schlüpft zusammen mit einem „Gewürzpartner“ in ein Backpapier: Der Kohlrabi liebt die Nelke, die Steckrübe freit den Kümmel, der Staudensellerie lacht den Schabziegerklee an. Dann wird jedes Pärchen sanft im Ofen gegart, neben den genannten Gemüsen etwa noch Rote Bete, Topinambur (mit seinem mehrkettigen Inulin ein „Diabetikergemüse“), Fenchel, Chinakohl.

Dazu die Wildkräuter (und einige angebaute aus einer Gärtnerei der Caritas): Petersilie, Schnittsellerie, Koriander, Rote Bete-Blatt, Pimpernell, Labkraut, Tripmadam, Ehrenpreis, Knoblauchrauke, Giersch – und als Geschmacksexplosion: Veilchenblüten. Ja, Veilchen, bitte probieren! Verfeinert wird die bunte Mixtur durch die Salbei-Vinaigrette.

Warum ich so schwärme? Weil wir immer hören, wie gesund Gemüse ist – und sich viele trotzdem mit Grausen wenden. Hier im „Vieux Sinzig“ lässt sich erschmecken, wie sich „Grünzeug“ zu „Regina Leguma“ krönen lässt.

Gang 2: Vogelmieresüppchen, Eigelbravioli, Zuckermais

Penible Gärtner schelten das weiße Blümchen als Unkraut – und vergessen, dass die Vogelmiere dem trägen Stoffwechsel Beine macht und sogar die winterschlaffe Haut „schönt“. Zugegeben, der erste Löffel löst schon aus: „Na, oh, ui“. Aber schnell stellt sich Behagen ein, vor allem, wenn dann noch das Eigelb aus seiner schützenden Raviolihülle „befreit“ wird. Dazu der Zuckermais als ein Ergebnis Dumaine´scher Riechkünste: Der Mais erdet geschickt die leichte Exotik der Vogelmiere. So lassen sich Suppenkasper in Suppengourmets verwandeln.

Gang 3: Sauerampfer-Risotto, Kohlrabi, Steinpilze

Auch so ein freches „Frühlingsfrüchtchen“, der Sauerampfer. Er putzt alles durch, schafft Platz für Neues. Yoann Hue mengt ihn unter all dente gekochten Reis mit einigen Körnern vom wilden Reis – beides ist gut, denn je „denter“, je wilder, desto weniger dick machend. Gut passen dazu die in Butter geschwenkten Steinpilze. Sicher, die Pilze, der Reis, sie könnten auch mit weniger Fett auskommen. Aber würde dann alles noch so gut schmecken? Und: Je fetter, desto tiefer der glykämische Index, der ja auch ein Maß für Dickmachen ist. Essen kann so kompliziert sein – oder einfach nur gut schmecken! Schließlich sind ja die Kohlrabi puristisch gegart, treibt der leicht säuerliche, dickblättrige Tripmadam das Wasser aus dem Körper.

Gang 4: Mirabellensorbet

So schlicht, so fein: Eine Kugel Sorbet, eine eingelegte Mirabelle, quelle belle! Yoann servierte noch ein wohl schmeckendes, nicht zu süßes Sabayon auf neutralen Mango mit Banane und Mandarine. Nicht so ganz meins – aber das ist Geschmacksache und eine Petitesse.

Ein ausgefallenes Essen, das angesichts des Aufwands (Wildkräuter gibt es praktisch nicht zu kaufen) mit rund 45 Euro korrekt bepreist ist. Aber das Essen ist nur ein Aspekt des einladenden Hauses, das im Sommer über 80 Prozent der Waren aus der unmittelbaren Umgebung bezieht: Genau so spannend sind die Veranstaltungen, etwa rund um die guten Weine des Ahrtals, aber auch etwas so Schlicht-Wichtiges wie der ökologische Apfel bekommt sein Freiluftpodium. Besonders empfehlen kann ich die Pflanzen- und Kräuterführungen mit Jean-Marie, die mir die Augen für diese unbekannten Schätze der Natur geöffnet haben. Wenn er mit seiner sanft-suggestiven Stimme erzählt, dass die gegarte Mariendistel wie Fleischbrühe schmeckt – und anfügt: „Ganz sischer“, wirkt das glaubhaft. Es stimmt übrigens tatsächlich, ich habe es ausprobiert.

Fazit: Das „Vieux Sinzig“ ist eine gekonnte Melange aus französischem Esprit und deutschem Ernst, gewürzt mit einer Prise Philosophie, etwa wenn der normannische Koch-Botaniker Jean-Marie Dumaine sinniert. „Die Seele der Pflanzen muss im Essen spürbar sein – auch wenn sie am Ende unsichtbar bleibt“.

„Vieux Sinzig“
Kölner Straße 6, 53489 Sinzig, Tel.: 026 42/4 27 57 www.vieux-sinzig.com

Nicht verpassen: Vor allem die Wildkräuter, besonders schmackhaft bis Ende Mai


von Hans Lauber
E-Mail: aktiv@lauber-methode.de
,
Internet: www.lauber-methode.de

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  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

  • gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 5 Tagen

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

    Uploaded Image
    • Hallo,

      Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
      Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
      Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*

      LG Sndra

    • Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG

  • hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 6 Tagen

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

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