Wir brauchen Brachen

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© AdobeStock – heidepinkall
Wir brauchen Brachen

Freie Flächen, wo Wildes wild wachsen kann, fordert Kolumnist Hans Lauber gerade auch in großen Städten. Aber was hat das mit Corona zu tun?

Brav habe ich mich an die offiziellen Empfehlungen gehalten – und war die letzten Wochen weitgehend in Köln. Aber natürlich war ich zu Fuß und mit dem Rad viel draußen, schließlich stärken frische Luft und Bewegung das Immunsystem bestens. Aber natürlich wollte ich gerade jetzt im Frühling nicht auf die geliebten Wildkräuter verzichten, schließlich stärken diese mineralstoffreichen Vitaminbomben ebenfalls bestens die körpereigenen Abwehrkräfte.

Voller Begeisterung bin ich deshalb mit meiner Papiertüte losgezogen, schließlich hat Köln mit dem vom früheren Bürgermeister Konrad Adenauer in den 1920er Jahren angelegten Grüngürtel ein einzigartiges Refugium, das sich um die ganze Stadt zieht. Aber nach mehreren Stunden war mein Enthusiasmus verflogen und meine Papiertüte weitgehend leer – und zwar aus zwei Gründen: Zum einen wird alles gerne „gepflegt“, sodass etwa die nährstoffreichen Brennesseln kaum wachsen dürfen. Zum anderen sind so viele Hunde unterwegs, dass das Sammeln kaum möglich ist.

Also doch wieder raus aus der Stadt zu lieben Freunden im nahen Bergischen Land. Die haben einen großen Garten, wo alles wächst, was das Frühlingsherz begehrt: Brennesseln, Bärlauch, Giersch, Löwenzahn. Aber nicht alle haben solche Freunde, weshalb wir gerade auch in den großen Städten Flächen brauchen, wo sich das Wilde frei entfalten kann. Wo könnte das sein? Da habe ich eine Idee: Wir haben ja überall die Kleingärten – und da müsste es bei den Schrebern möglich sein, Flächen abzutrennen, wo die Natur wieder ungestört Natur sein darf, wo sich endlich auch wieder eine Artenvielfalt entfalten darf.

Wo die Natur noch Natur sein darf: Brache

Viele werden jetzt fragen: Hat der Lauber noch alle? Jetzt, wo alles auf dem Spiel steht, kommt er mit seinen komischen Kräutern. Ja, gerade, weil jetzt alles auf dem Spiel steht, komme ich damit. Denn die massenhafte Verbreitung der Viren hat ganz stark auch menschengemachte Ursachen. Eindringlich weist auf diese Zusammenhänge der populäre Arzt Eckart von Hirschhausen in einem Gespräch mit dem Kölner Stadtanzeiger hin: „Die größte Gesundheitsgefahr ist und bleibt die Klimakrise, die Zerstörung unserer Mitwelt, die sich an vielen Stellen rächt, durch die Zunahme von Infektionskrankheiten, von Allergien, von Hitze, Dürre und Waldbränden“.

Wie wichtig vielfältige Ökosysteme sind, erläutert die US-Biologin Felicia Keesing im „Spiegel“: Artenvielfalt führt zu einem „Verdünnungseffekt“, der die gefährliche Entstehung neuer Infektionskrankheiten verringere. In vielfältigen Ökosystemen hätten es einzelne Tierarten und so auch deren Viren schwerer, sich durchzusetzen. Das sieht auch Eckart von Hirschhausen so: „Der Grund, warum immer wieder Viren von Wildtieren auf Menschen übertragen werden, ist der brutale Rückgang ihrer natürlichen Lebensräume. Vor 10000 Jahren hatten Menschen global einen Gewichtsanteil von einem Prozent und Wildtiere von 99 Prozent. Heute besteht die Biomasse der Wirbeltiere aus 32 Prozent Menschen, 67 Prozent Nutztieren und nur noch einem Prozent Wildtieren. Das macht krank“.

Ein dramatischer Befund, denn machen wir uns nichts vor: Nach der Pandemie ist vor der Pandemie. In immer kürzeren Abständen überfallen von Viren ausgehende Krankheiten die Menschheit. Fahren wir dann jedes Mal so wie jetzt alles brutal herunter, dann ist eine Schlussfolgerung unausweichlich: Die Viren werden unser Leben in der bisherigen Form nicht mehr möglich machen. Denn die Kosten des Lockdowns werden so gewaltig sein, dass sie vielleicht einmal zu stemmen sind, ein weiteres Mal aber gewiss nicht.

„Wo aber die Gefahr ist, wächst das Rettende auch“, weiß unser kluger Dichter Friedrich Hölderlin. Wie das Rettende aussehen kann, skizziert Volker Mosbrugger, Generaldirektor der einflussreichen Frankfurter „Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung“ in der FAZ. So haben die Berater von Boston Consulting kürzlich einmal ausgerechnet, welche Auswirkungen die Tätigkeiten einzelner Bereiche auf den Planeten haben – und sie kommen laut Mosbrugger zu folgendem Ergebnis: „Die deutsche Landwirtschaft erreicht jährlich eine Bruttowertschöpfung von etwa 21 Milliarden Euro, die Umweltschäden betragen aber 90 Milliarden Euro. Das ist ein verdammt schlechtes Geschäft für die Gesellschaft. Deshalb muss ich die 90 Milliarden umlegen auf die Produkte. Wenn ich dann mein Rindfleisch kaufe, zahle ich nicht nur den Herstellungswert, sondern auch dafür, dass die Umweltschäden repariert oder kompensiert werden“.

„Dann wird aber das Rindfleisch fünfmal so teuer?“ fragt entsetzt der FAZ-Reporter. Worauf der Naturwissenschaftler lapidar antwortet: „Ja“. Sicher, das wird nicht von heute auf morgen kommen, aber es wird kommen müssen, wenn wir eine realistische Überlebenschance haben wollen. Das wird auch nicht ohne Friktionen passieren, denn die Bauern werden sich mit Macht wehren, etwa indem sie jetzt auf den dreisten Gedanken kommen, die höchst notwendige Verschärfung der Düngevorgaben zum Schutz des Wassers wegen Corona auszusetzen.

Sicher, auch die Schrebergärtner werden sich wehren, wenn ich ihnen Flächen wegnehme, um Brachen einzurichten, wo die Natur wieder ungestört Natur sein darf – und ich Bereiche ausweise, um Wildkräuter sammeln zu können. Aber irgendwo werden wir anfangen müssen. Und viele kleine Schritte ergeben irgendwann den notwendigen großen Schritt, nämlich eine Lebensweise, die nicht gegen die Natur, sondern mit der Natur im Reinen ist.

Utopie? Nein, die Konsequenz dessen, was Eckart von Hirschhausen so genial auf den Punkt bringt: „Gesunde Menschen gibt es nur auf einem gesunden Planeten“.


von Hans Lauber
E-Mail: aktiv@lauber-methode.de

Internet: www.lauber-methode.de

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  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

  • gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 5 Tagen

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

    Uploaded Image
    • Hallo,

      Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
      Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
      Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*

      LG Sndra

    • Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG

  • hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 6 Tagen

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

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