Me, myself and I – mit Diabetes allein in den Urlaub

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Me, myself and I – mit Diabetes allein in den Urlaub

„Ich hab’ keine Urlaubstage mehr.“ „Ich war dieses Jahr schon im Urlaub.“ „Mein Freund möchte das nicht.“ „Ich bin da schon im Urlaub.“

Alles Antworten auf meine Frage, ob man denn nicht Lust habe, gemeinsam in den Urlaub zu fliegen. Meine Freunde und Freundinnen waren also allesamt raus.

Ein Urlaub allein

„Dann flieg’ ich eben allein“, war meine Antwort, die ich unter einem verunsicherten Lachen gab. Auch mein Gegenüber lachte mit. Klar, als ob gerade ich alleine in den Urlaub fliege. Ich, der größte „ich bin nicht gern allein“-Mensch aller Zeiten.

Quelle: Lesley-Ann Weitzel

Die Idee, mal über ein Wochenende allein in eine andere Stadt zu fahren, hatte ich schon lang. Aber so in ein anderes Land, mit anderer Sprache, anderen Kulturen, mit dem Flieger, das kam mir irgendwie gar nicht erst in den Sinn.

Rauskommen. Dem Alltag entfliehen. Einfach mal nichts tun. Es niemandem recht machen müssen. Nur die Seele baumeln lassen. Schlafen, essen, lesen, spazieren gehen, Sport treiben, in Ruhe zu Abend essen, einen Drink genießen, das Meer rauschen hören, gemütlich und entspannt einschlafen. Das kam mir in den Sinn, wenn ich an Urlaub dachte. Und vor allem das „es niemandem recht machen müssen“ war sehr prägnant. Ich bin nach wie vor ein Mensch, der gern und viel unter Leuten ist, der sich rumtreibt, an mindestens zwei oder sogar drei Tagen in der Woche Freunde trifft, an einem anderen die Familie und an den weiteren mit Klassenkameraden und Klassenkameradinnen lernt. Zu Hause allein auf der Couch zu sitzen oder gar allein spazieren oder in die Stadt zu gehen, ist und bleibt mir fremd. Denn ich meine: Was sollen denn die Leute denken, wenn ich allein im Restaurant sitze, mir ein Essen bestelle und nach dem Bezahlen das Lokal – wieder allein – verlasse?

Ja, was sollen denn die Leute denken…

Entweder sie denken sich: „Ach Gott, die Arme! Sitzt sie da allein… hoffentlich wurde sie nicht versetzt und falls doch, dann ist sie hoffentlich nicht allzu traurig.“

Oder: „Oh weia, das würde ich mich ja niiiie trauen, so allein ins Lokal. Da denkt ja jeder gleich, ich hätte keine Freunde.“

Was soll ich sagen… ich hab’s gemacht. Ich bin wahrhaftig allein, also nur ich mit mir, in den Urlaub geflogen.

Quelle: Lesley-Ann Weitzel

Mein Flieger ging sonntags um 5.20 Uhr, ich war natürlich nervös, hab gehofft, dass am Flughafen alles glatt läuft. Gerade auch wegen des Diabetes-Equipments bin ich immer angespannt, zumal ich dieses Mal einen Glukose-Sensor getragen habe und nicht sicher war, wie das Sicherheitspersonal da so reagiert. Generell war ich ziemlich besorgt, was das Diabetesmanagement anging. Natürlich wohne ich in Deutschland auch allein, schlafe allein und kümmere mich selbstständig um alles rund um den Diabetes, aber so in einem anderen Land und eben auch mit anderen Temperaturen ist es eben doch anders. Was, wenn ich im Hotelzimmer oder gar am Pool oder im Flieger unterzuckere und womöglich auf Fremdhilfe angewiesen bin? Die Angst war da. Bei mir, bei meiner Mama, bei meinen Freunden. Wie unangenehm einfach die Vorstellung ist, in diesem „Hypo-Delirium“ am Pool oder im Restaurant zu sein. Mein Verstand sagte mir die ganze Zeit, dass die Angst unbegründet sei, ich trug ja auch den Sensor, aber in einigen Momenten war die Angst wesentlich lauter und schrie mir förmlich Horrorvorstellungen zu.

Die Hinreise

Nun gut, am Flughafen ist alles glatt gelaufen. Den Flug habe ich komplett verpennt. Kann man mal machen, so ging die Zeit wenigstens schnell rum.

Der Transfer zum Hotel hat auch super geklappt und so langsam kam die Entspannung: es ist alles glatt gelaufen, es gab keinen einzigen Grund zur Sorge. Mein Freund hat mich quasi den ganzen Hinweg am Handy begleitet – außer während des Fluges, versteht sich.

Das Hotel war ein Traum, genauso wie das Wetter. Ich habe jeden noch so kleinen Sonnenstrahl aufgesaugt und genießen können. Das Essen, die Mitarbeiter, die Hotelanlage, der Pool, der Strand, das Meer, alles rundum perfekt.

Genug geschwärmt: Ich möchte euch hier ja nicht das Hotel, das Land oder die Reise weiterempfehlen, sondern von meinen Erfahrungen und Gefühlen berichten, wie es ist, allein zu verreisen.

Zugegeben, das erste Essen in diesem riesigen Speisesaal war merkwürdig. Als die Dame am Eingang mich fragte, wie viele Personen wir denn seien, antwortete ich etwas zaghaft: „One, I’m alone.“ Und was soll ich euch sagen, ich erwartete eine erstaunte, verdutzte oder verwirrte Mitarbeiterin des Hotels, aber weit gefehlt: Sie brachte mich zu einem Tisch und wünschte mir ein angenehmes Mittagessen.

Quelle: Lesley-Ann Weitzel

Der erste Tag war alles in allem „komisch“, oder eher ungewohnt? Er war nicht schlimm, ich hatte kein Heimweh, aber es war eben anders.

An dem einen Morgen bin ich früh aufgestanden und war vor dem Frühstück am Strand joggen. An dem anderen habe ich länger geschlafen und am dritten Tag habe ich den Sonnenaufgang von meinem Balkon aus genossen. Ganz so, wie ich es eben wollte. Mal bin ich mittags zum Essen ins Restaurant, mal gab’s gar nichts und an einem anderen Tag hab’ ich mir Pizza an der Poolbar gegönnt. Eben ganz so, wie ich es wollte.

Mein Urlaubs-Blutzucker

Und was soll ich euch sagen: Mein Blutzucker hat alles mitgemacht, ob Pizza oder Salat, ob Joggen oder Ausschlafen. Das Dia-Monster hat einfach mal ordentlich die Klappe gehalten, ich hatte super Werte und konnte somit sogar Urlaub vom Diabetes und den damit verbundenen Sorgen und Ängsten machen.

Quelle: Lesley-Ann Weitzel

Mein Fazit zu einem Urlaub allein ist durchweg positiv. Zu 100%. Ich kann es jedem nur empfehlen, auch wenn ihr in einer Beziehung seid. Das hat nichts mit Egoismus zu tun oder damit, dass ihr euren Partner oder eure Partnerin nicht liebt, im Gegenteil! Ihr tut euch etwas Gutes, sammelt neue Kraft, findet zu euch und könnt so wieder ein richtiger Mehrwert für eure Mitmenschen sein.

Sicherlich spreche ich hier nicht für jedermann, aber für mich war es eine der besten Entscheidungen, die ich in meinem Leben getroffen habe. Ich habe gelernt, dass Zeit mit mir allein nichts Schlimmes ist, sondern sehr wertvoll und angenehm sein kann. Dass ich mir selbst genug bin, mich gern hab’ und die Zeit mit mir allein genießen kann. Ich bin mir sicher, dass ich auch ein Stück weit zu mir selbst gefunden habe. Es muss diabetestechnisch nicht immer perfekt laufen, manchmal ist – zumindest bei mir – weniger mehr. Sich kümmern, aber eben nicht übertreiben, darauf achten, aber eben nicht 24/7 hinterher sein. Der Urlaub hat mir gezeigt, dass Ängste und Sorgen oft unbegründet sind, dass ich mehr schaffen und erreichen kann, als ich oft von mir selbst denke.

Wie schön kann das Leben sein?

Natürlich habe ich auch mal nur gelesen, am Handy „Instastorys“ durchgeschaut und ein Nickerchen auf der Liege in der Sonne gemacht, aber ich war auch spazieren, habe mich und mein Verhalten, meine Denkweisen und Ansichten und auch meine Ziele und Träume überdenken können und mir ist so das ein oder andere bewusst geworden. Ich kann voller Elan, gut erholt und tiefenentspannt das Jahr zu Ende bringen, an mir arbeiten, mir Ziele setzen und vor allem das Leben genießen. Denn sind wir mal ehrlich: Wie schön kann das Leben denn bitte sein?


Mein Diabetes macht ohne mich Urlaub – die Auswirkungen Italiens auf meinen Blutzucker – Kathy Maggys Rätsel, warum auch bei ihr der Insulinbedarf im Urlaub sinkt.

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