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Einfühlsame Ärzte mit einer besonderen kommunikativen Begabung sind vielleicht nicht unbedingt die Ausnahme, aber gewiss auch nicht die Regel. Dies liegt auch an der bisherigen Strukturen des Medizinstudiums. Daran müsse sich was ändern, findet Nicole Finkenauer-Ganz in der Kolumne Blickwinkel.
Zwei Erlebnisse haben mir in letzter Zeit zu denken gegeben. Beruflich war ich auf einer Veranstaltung für Ärzte, während der die Teilnehmer sich einen Film über einen Mann mit Diabetes anschauten und in kleinen Gruppen diskutierten, welche “Hausaufgabe” sie diesem Mann stellen würden. Ich stand dabei und konnte mich nur wundern über die Vorschläge auf dem großen Blatt Papier.
Ein Arzt wollte zum Beispiel, dass der Mann zu Hause das Insulinspritzen üben sollte – um dieses Thema war es in dem Film aber gar nicht gegangen. Auch einige andere Ärzte hatten den Inhalt des Films anscheinend nicht richtig erfasst, und ich hoffe sehr, dass sie ihren eigenen Patienten aufmerksamer zuhören.
Privat war ich kürzlich in einer großen radiologischen Praxis. Im Wartebereich saß ein Mann mittleren Alters. Er hatte eine Bekannte getroffen, und so erfuhren auch wir Mitwartenden seine Krankengeschichte: Er hatte gerade eine Krebserkrankung überstanden, und es sollte nun geschaut werden, ob auch wirklich alles in Ordnung ist. Bevor er die Praxis verließ, wandte er sich an alle Wartenden: “Also, das muss ich wirklich mal weitersagen, so einen guten und einfühlsamen Doktor habe ich noch nie gehabt. An dem könnten sich die meisten anderen ein Beispiel nehmen!”
Tatsächlich hatte ich das auch so wahrgenommen: Trotz der eher technischen Untersuchung war der Arzt mir zugewandt, hatte echte Anteilnahme gezeigt.
Ob Sie und ich an einen Arzt mit eher mangelhafter Auffassungsgabe für Patientenbelange oder an einen einfühlsamen, zuhörenden Arzt geraten, ist bisher eher Glückssache. Wie ein Gespräch zwischen Patient und Arzt für beide Seiten nutzbringend und zufriedenstellend verlaufen kann, ist nämlich nicht unbedingt Bestandteil des Medizinstudiums und damit eher von der Persönlichkeit des Arztes abhängig. Aus meinem Blickwinkel sollte sich das unbedingt ändern.
Und wirklich: Es tut sich was! 2016 wurde in Heidelberg ein Mustercurriculum für Arzt-Patienten-Kommunikation vorgestellt. Daraus entstanden ist die “Heidelberger Erklärung”. Die Unterzeichner, allesamt Vertreter der Institutionen, die an der ärztlichen Aus-, Weiter- und Fortbildung teilhaben, bekundeten damit ihre Absicht, “sich bundesweit für eine Förderung der kommunikativen Kompetenzen in der ärztlichen Ausbildung einzusetzen”.
Was ist seitdem passiert? Ich bin bei meiner Recherche auf eine Pilotstudie gestoßen, in der die in Heidelberg vorgestellten Ausbildungsinhalte für Ärzte im Bereich Patientenkommunikation erprobt werden sollen. Es wird also noch etwas dauern, bis die Gesprächsführung ein wichtiger Bestandteil der Arztausbildung wird. Dabei ist schon seit 2012 die Ausbildung in ärztlicher Gesprächsführung und deren Prüfung in den abschließenden Examen in der Approbationsordnung festgeschrieben.
“Es wurde aber schnell deutlich, dass es an den Fakultäten an geeigneten strukturellen Rahmenbedingungen und Strategien mangelt, um diese Konzepte umzusetzen und nachhaltig zu implementieren”, heißt es im Hintergrundtext zur Pilotstudie. Anders gesagt: Bisher war das Thema nicht wichtig genug, um es ernsthaft anzugehen.
Es werden wahrscheinlich noch einige Jahre ins Land gehen, bis wir Patienten tatsächlich auf einen Arzt treffen, der darin ausgebildet ist, mit uns ein zielführendes Gespräch zu führen. Bis dahin sind wir darauf angewiesen, auf ein Naturtalent zu treffen…
von Nicole Finkenauer-Ganz
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Erschienen in: Diabetes-Journal, 2018; 67 (5) Seite 29
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