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Diabetes im Wandel der Zeit – Eine Zeitreise von damals bis Heute
4 Minuten
Als ich 1999 an Diabetes erkrankte, blieb ich vier Wochen im Krankenhaus. Ich wurde geschult, es wurde gekocht und Sport getrieben. Ich lernte noch, wie ich mein Insulin mit Spritzen aufzog, und hatte einen Ernährungsplan, an den ich mich halten sollte. Ob ich nun großen Hunger hatte oder nicht.
Heute weiß ich, dass diese Behandlung zu der Zeit schon etwas veraltet war. Denn es gab bereits Insulinpens und von den starren Mahlzeiten rückte man auch ab.
Oft fragte ich mich, warum bei mir noch diese Behandlung gewählt wurde. Auch wenn ich mich nie beschwert habe und dies alles eher lehrreich fand.
Dennoch beschäftigte mich die Entwicklung der Diabetestherapie. Besonders, weil mein Bruder bereits 1986 erkrankte und mich seine alten „Geräte“ faszinierten.
Diabetes im Wandel der Zeit
„Diabetes ist ein furchtbares Leiden, nicht sehr häufig beim Menschen, ein Schmelzen des Fleisches und der Glieder zu Harn … Das Leben ist kurz, unangenehm und schmerzvoll, der Durst unstillbar, … und der Tod unausweichlich.“ – Aretaios von Kappadozien, um 100 n. Chr.
1675 – Honigsüßer Urin
Thomas Willis, ein englischer Arzt, entdeckte 1675, dass der Urin bei Diabetikern „honigsüß“ (lat. mellitus) ist. Durch strikte Diät erkannte er, dass er das Leiden seiner Patienten kurzweilig verbessern konnte. Eine Heilung oder ein langes Leben schien jedoch unmöglich für die Leidenden.
Zu dieser Zeit galt Diabetes noch als reine Nierenkrankheit, bis 1683 ein weiterer Arzt entdeckte, dass die Bauchspeicheldrüse bei dieser Erkrankung eine große Rolle zu spielen schien.
Ein richtiger Zusammenhang zwischen Diabetes und der Bauchspeicheldrüse wurde aber erst 1788 von Thomas Cowley beschrieben.
19. Jahrhundert – Unterscheidung des Diabetes in Typen
Im 19. Jahrhundert wurden verschiedene Formen des Diabetes unterschieden und die Erforschung der Bauchspeicheldrüse in den Fokus gesetzt.
Paul Langerhans schrieb seine Dissertation über die Inselzellen im Gewebe der Bauchspeicheldrüse. Später werden sie nach ihm benannt: die Langerhansschen Inseln.
1900 – Entdeckung des Insulins
Noch immer war eine Diät die einzige Möglichkeit, die Erkrankung für einen gewissen Zeitraum erträglich zu halten.
Als zwei deutsche Ärzte die Bauchspeicheldrüsen bei Hunden entfernten, entdeckten sie, dass dadurch bei den Hunden Diabetes ausgelöst wurde.
1900 fand Leonid Sobolew heraus, dass die Inselzellen blutzuckersenkende Substanzen produzieren.
Diese noch unbekannte Substanz des Pankreas wurde Insulin getauft.
Das „Zülzer-Extrakt“ war das erste therapeutische Bauchspeicheldrüsenextrakt. Dies konnte aufgrund zu großer Nebenwirkungen jedoch nicht bei Menschen eingesetzt werden.
1921/22 – Frederik Banting und Charles Best als Lebensretter
1921 gelang es Frederik Banting und Charles Best, Insulin zu extrahieren.
Ein Jahr später schafften es Banting und Best, das Leben eines Diabetikers zu retten.
Der 13-jährige Junge wurde von ihnen mit Rinderinsulin behandelt und wies nach 3 Tagen erhebliche Besserungen auf.
Im selben Jahr begann auch dieselbe Behandlung bei einem 5-jährigen Jungen, der durch diese Behandlungsmethode 70 Jahre mit der Krankheit überlebte. Die längste Überlebensdauer eines Diabetikers bis zu diesem Zeitpunkt!
1923 – Insulin wird markttauglich
1923 brachte das Unternehmen „Lilly“ das erste Insulinpräparat auf den Markt.
In den folgenden Jahren wurde Insulin vom Schwein und vom Rind gewonnen. Dennoch wurde immer weiter versucht, menschliches Insulin herzustellen.
Hierbei wurde erst 1928 erkannt, dass Insulin ein Protein ist.
1930 – Eröffnung des ersten Diabetikerheims in Europa
Zwei Jahre später wurde auf Rügen das erste Diabetikerheim in Europa eröffnet, in dem Patienten gezielt geschult und betreut wurden.
1959 entwickelte ein Arzt mit einer Physikerin den Radioimmunoassay, welcher die Bestimmung des Insulinspiegels im Blut möglich macht.
1962-1985 – Von der Herstellung zur Nutzung vom synthetischen Insulin
1962 gelang es einem deutschen Ärzte-Team, Insulin synthetisch herzustellen. Am Menschen konnte es jedoch noch nicht verwendet werden.
Die Herstellung von gentechnischem Insulin erfolgte erstmals 1978. Nur ein Jahr später gelang die Synthese von Humaninsulin aus Schweineinsulin. Ab 1982 ist es möglich, dieses synthetische Insulin in großen Massen zu produzieren.
Drei Jahre später brachte das Unternehmen Novo (heute Novo Nordisk) den ersten Insulinpen auf den Markt.
1980er – Die technische Entwicklung nimmt Fahrt auf
Als vor über 60 Jahren das Verzögerungsinsulin eingeführt wurde, wurde eine Therapie mit möglichst wenigen Spritzen angestrebt. Ein Krankenhausaufenthalt zur Ersteinstellung dauerte rund sechs Wochen. Hier wurde das Essen in viele kleine Mahlzeiten geteilt und an feste Insulinmengen angepasst. Zur Kontrolle standen nur Harnzuckerteststreifen zur Verfügung.
Auch hinterher erfuhr man nur bei einem Arztbesuch, wo die Werte lagen. Eine Selbstkontrolle war noch nicht möglich.
Erst in den 1980ern war die Technik so weit, dass der Blutzucker auch zu Hause selbst ermittelt werden konnte. Es erfolgte zudem ein Umdenken. Man erkannte, dass man mit nur zwei Spritzen täglich keine optimale Einstellung erzielen konnte, dass diese aber notwendig war, um Folgeerkrankungen zu vermeiden.
Die nächsten Pens kamen auf den Markt und auch an Insulinpumpen wurde eifrig gearbeitet.
Die Messgeräte wurden immer kleiner, benötigten weniger Blut und ermittelten die Werte schneller.
Und Heute?
Heutzutage dauert ein Krankenhausaufenthalt nur 1 – 2 Wochen. Ich habe allerdings auch schon mitbekommen, das einige fast ganz ambulant eingestellt werden.
An den Essgewohnheiten muss nichts mehr geändert werden. Das Insulin wird für jeden an seine Essgewohnheiten und seinen Alltag angepasst, sodass durch den Diabetes keine großen Einschränkungen mehr erfolgen.
Es gibt Pumpen mit und ohne Schlauch, eine Sammlung von Blutzuckermessgeräten, Sensoren, Handyapps und viele andere Hilfsmittel, die einen den Diabetes immer leichter managen lassen.
Ist wirklich alles Besser als damals?
Wenn ich darüber nachdenke, bin ich froh, dass ich damals so lange im Krankenhaus blieb. Als ich nach den vier Wochen nach Hause kam, fühlte ich mich gut ins Lebens entlassen. Immer wieder bin ich schockiert, wenn ich höre, dass Leute mit der Diagnose und einem Insulinpen nach Hause geschickt werden. „Die Diabetesschulung haben sie dann in zwei Wochen.“
Auch wenn es heute wesentlich einfacher ist und sich niemand mehr groß umstellen muss, ist eine intensive und gute Schulung ein Muss.
Wir können froh sein, dass wir heute diese Therapiemöglichkeiten haben. Aber dennoch sollte sich auch jeder selbst mit seiner Krankheit ausreichend auseinandersetzen.
Das Leben ist kein großer Kompromiss mehr mit Diabetes, jedoch nur, wenn man gut geschult und vorbereitet wird.
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sveastine postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Diabetes und Psyche vor 4 Tagen, 12 Stunden
hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid
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stephanie-haack postete ein Update vor 5 Tagen, 9 Stunden
Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂
Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/
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lena-schmidt antwortete vor 5 Tagen, 8 Stunden
Ich bin dabei 🙂
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 2 Wochen, 6 Tagen
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina-
darktear antwortete vor 2 Wochen
Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig
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Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike
@mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid
Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike