Die diabetologische Rehabilitation

4 Minuten

© © Dmitry Lobanov - Fotolia.com
Die diabetologische Rehabilitation

Eine Rehabilitationsmaßnahme kann man auch aufgrund der Diabeteserkrankung genehmigt bekommen. Was genau erwartet einen, wenn man eine diabetologische Rehabilitation in Anspruch nimmt? Dr. Gerhard-W. Schmeisl klärt auf.

Der Diabetes mellitus ist eine chronische Erkrankung, die am effektivsten durch den Patienten selbst behandelt werden kann – mit Unterstützung von “Fachleuten”, d. h. Diabetologen, Diabetesberatern, Diabetesassistenten, Podologen etc. Diesen Ansatz nennt man Empowerment, d. h. der Patient selbst soll gestärkt und ermächtigt werden, seinen Diabetes besser zu behandeln.

Im Gegensatz dazu steht das Modell der Compliance, heißt: Der Patient führt im Wesentlichen die ihm empfohlenen Maßnahmen durch. Zentraler Ansatzpunkt ist und muss bleiben die Hilfe zur Selbsthilfe (Empowerment)! Der bessere selbstbestimmte Umgang mit dem Diabetes ist auch das Ziel der Rehabilitation.

Neben der Akutbehandlung, z. B. der akuten Stoffwechselentgleisung, steht das Management der Begleiterkrankungen im Vordergrund – gerade bei älteren Menschen mit Diabetes. Viele Patienten, die z. B. im Rahmen einer Akuterkrankung auf Insulin umgestellt werden mussten (Typ-2-Diabetiker), können später während der Rehabilitation wieder auf Tabletten eingestellt werden – eventuell auch auf eine Kombination von Tabletten und Insulin bzw. auch GLP-1-Analoga (besonders bei starkem Übergewicht).

Nur eine Rehabilitationsmaßnahme (oder Anschlussheilbehandlung, AHB) bietet die Möglichkeit, drei Wochen lang Menschen mit Diabetes in einem multidisziplinären Team bezüglich der verschiedensten Probleme zu behandeln. Steht der Diabetes im Vordergrund, so erfolgen besondere Schulungen.

Das können z. B. sein:

  • Insulindosisanpassungen,
  • Besprechungen von Basalraten-Profilen von Pumpenträgern,
  • Nebenwirkungen von oralen Antidiabetika,
  • Vermeidung von Unterzuckerungen (Hypo-Wahrnehmungstraining),
  • neuere Medikamente,
  • neue Spritztechniken mit kurzen (!) Kanülen,
  • Vermeiden der Injektion in Lipohypertrophien,
  • Besprechung der aktuellen Blutzucker- und Blutdruckwerte,
  • die Durchführung von überwachter, körperlicher Betätigung, z. B. Ergometertraining – spielt beim Typ-2- (Gewichtreduktion) wie beim Typ-1-Diabetes (Gewichtreduktion, Steigerung der Herz-Kreislauf-Fitness) eine entscheidende Rolle.

Je älter man ist (auch schon bei 30-Jährigen), umso mehr spielt die Mitbehandlung orthopädischer Probleme (Wirbelsäule, Hüfte, Knie) eine immer größere Rolle während der Rehabilitationsmaßnahme.

Es gibt verschiedene Studien der Rentenversicherung und verschiedener Krankenkassen, die den Bedarf an Rehabilitation oder AHB bei Patienten mit Diabetes höher einschätzen, als er der Anzahl der Antragsteller entspricht.

Es gibt immer noch zu wenige Reha-Maßnahmen “wegen Diabetes” – aber eine stark zunehmende Anzahl von Reha-Maßnahmen von Menschen mit Diabetes wegen anderer Erkrankungen: z. B. nach Herzoperationen, Hüft-Prothesen-Operationen etc.

Gründe für eine diabetologische Rehabiliation (Auswahl)
  • Hypoglykämie-Wahrnehmungsstörung
  • Umstellung auf eine Pumpentherapie
  • schlecht eingestellter Diabetes
  • ausgeprägte Multimorbidität (z.B. schwere Neuropathie, Retinopathie, Polyneuropathie)
  • Neuein- nzw. Umstellung auf Insulin z.B. bei drohender Verschlechterung bereites bestehender diabetologischer Folgeerkrankungen
  • Notwendigkeit einer raschen und anhaltenden Gewichtsreduktion (z.B Schwangerschaftswunsch/Verschlechterung von Folgeerkrankungen, und hier z.B. schwere orthopädische Probleme
  • schwere Akzeptanzprobleme/psychische Probleme, z.B. schwere Depression im Zusammenhang mit diabetischen Folgeerkrankungen

Über 2 Mio. pro Jahr im Krankenhaus

In Deutschland werden pro Jahr laut einer aktuellen Studie 2,1 Mio. Diabetiker im Krankenhaus behandelt. Bei vielen ist der Diabetes als Nebendiagnose erwähnt. Eine Mitbehandlung des Diabetes ist jedoch dringend erforderlich, da erhöhte Blutzuckerwerte Komplikationen wie Wundheilungsstörungen, Nierenversagen oder Lungenentzündungen erst ermöglichen bzw. dramatisch verschlechtern, sagt z. B. Prof. Baptist Gallwitz, der Präsident der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG).

Man geht auch davon aus, dass etwa 10 Prozent aller Patienten, die zur Operation eingewiesen werden und einen Diabetes haben, gar nichts davon wissen – in der Regel handelt es sich um einen Prädiabetes, sprich eine gestörte Glukosetoleranz (gestörte Zuckerverwertung).

Durch den Stress, den ein Krankenhausaufenthalt oder eine Operation darstellt, kommen viele Stoffe ins Blut wie Glukagon, Adrenalin, Kortisol und Zytokine. Sie führen zu einer vermehrten Zuckerneubildung in der Leber; bei schwerkranken, intensivpflichtigen Diabetikern steigt dadurch das Risiko für Komplikationen bis hin zum Tod. Auch Patienten, die bisher keine erhöhten Blutzuckerwerte hatten, haben plötzlich deutlich erhöhte Blutzuckerwerte!

Werte über 180 mg/dl (10,0 mmol/l) bedürfen einer besonderen Therapie und Überwachung, da auch bei ihnen das Risiko für Komplikationen im Rahmen von Operationen steigt. Nicht selten wird auch anlässlich einer Operation mit Stress ein Diabetes neu entdeckt, wenn bereits mehr als die Hälfte aller Betazellen über die Jahre hin zerstört wurde. Auch diese Patienten bedürfen einer besonderen Überwachung und ggf. Therapie, meist mit Insulin.

Die richtige Klinik finden …

Es ist einer der großen Verdienste der DDG, dass sie den Diabetologen DDG, die Diabetesberaterin DDG und Diabetesassistentin DDG ins Leben gerufen hat; die Versorgung von Menschen mit Diabetes ist so enorm verbessert worden. Ebenso gibt es ein Qualitätsmerkmal der DDG für Kliniken und Rehabilitationseinrichtungen, die man auf Antrag erhält, wenn die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind.

So gibt es die “Klinik für Diabetespatienten geeignet (DDG)”, um die Grundversorgung von Patienten mit der Nebendiagnose Diabetes in Krankenhäusern zu verbessern. Etwa 2,1 Mio. Menschen mit der Nebendiagnose Diabetes werden in deutschen Krankenhäusern jährlich stationär behandelt. Ein “Zertifiziertes Diabeteszentrum DDG” (früher: Basisanerkennung DDG, z. B. die Klinik Saale des Rehazentrums Bad Kissingen) hat dagegen höheren Anforderungen standzuhalten. Das Zertifikat gilt für drei Jahre und kennt drei verschiedene Formen der Anerkennung:

  • Behandlungseinrichtung für Typ-2-Diabetes mellitus,
  • Behandlungseinrichtung für Typ-1- und Typ-2-Diabetes mellitus,
  • Behandlungseinrichtung für Kinder und Jugendliche mit Diabetes mellitus.

Für entsprechende Einrichtungen mit einem ganz besonderen diabetesspezifischen Qualitätsmanagement gibt es noch die Anerkennung zum “Zertifizierten Diabeteszentrum Diabetologikum DDG”.

Spezialisierte Diabetes-Reha-Einrichtungen haben in der Regel eines dieser Zertifikate als Zeichen, dass sie sich besonders um Patienten mit Diabetes kümmern. Es gibt aber entsprechende hoch qualifizierte Reha-Einrichtungen, die ein derartiges Zertifikat nicht haben und trotzdem laut Qualitätsbericht der zuständigen Träger hervorragende Arbeit bei Menschen mit Diabetes leisten.

Schwerpunkt: Diabetes und Rehabilitation

von Dr. Gerhard-W. Schmeisl
Internist/Angiologe/Diabetologe/Sozialmedizin, Chefarzt Deegenbergklinik
sowie Chefarzt Diabetologie Klinik Saale (DRV-Bund)

Deegenbergklinik, Burgstraße 21,
97688 Bad Kissingen, Tel.: 09 71/8 21-0, E-Mail: schmeisl@deegenberg.de

Klinik Saale, Pfaffstraße 10,
97688 Bad Kissingen, Tel.: 09 71/8 5-01

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2016; 65 (12) Seite 19-21

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Ähnliche Beiträge

„Weil du es kannst“: Neues Ratgeber-Buch von Shirin Valentine für Neudiagnostizierte mit Typ-1-Diabetes

„Weil du es kannst“: Neues Ratgeber-Buch von Shirin Valentine für Neudiagnostizierte mit Typ-1-Diabetes | Foto: MCGORIE – stock.adobe.com / MedTriX

2 Minuten

Unterricht, Brotzeit und mehr: Fit für die Schule mit Typ-1-Diabetes

Drei Tage, viele neue Horizonte: Mit dem Programm „Fit für die Schule“ möchte das Klinikum Dritter Orden die Aufregung für die Familien senken, bei denen der erste Schultag im nächsten Jahr ansteht – zumindest im Hinblick auf das Diabetes-Management.
Unterricht, Brotzeit und mehr: Fit für die Schule mit Typ-1-Diabetes | Foto: Kzenon - stock.adobe.com

3 Minuten

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Über uns

Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.

Community-Frage

Mit wem redest du
über deinen Diabetes?

Die Antworten werden anonymisiert gesammelt und sind nicht mit dir oder deinem Profil verbunden. Achte darauf, dass deine Antwort auch keine Personenbezogenen Daten enthält.

Werde Teil unserer Community

Folge uns auf unseren Social-Media-Kanälen

Community-Feed

  • cesta postete ein Update vor 21 Stunden, 51 Minuten

    Hallo zusammen, ich habe eine Frage an euch. Ich habe seit 4 Jahren Typ 1 LADA und bisher nur mit Basalinsulin ausgekommen. Seit 3 Wochen muss ich nun auch zu jeder Mahlzeit Humalog spritzen. Für die Berechnung wiege ich immer alles ab. Könnt ihr eine App empfehlen, die bei der Berechnung der Kohlenhydrate unterstützt? Oder habt ihr andere Tipps wie man sich daran gewöhnt? Ich wiege bisher alles ab und kann mir gar nicht vorstellen, dass ich mir das zukünftig merken kann bzw. wie ich die Kohlenhydrate schätzen kann. Vielen lieben Dank für eure Hilfe! Liebe Grüße, Christa

  • hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid

    • Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike

    • @mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid

    • Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike

    • @mayhe: Hallo Heike, oh da hast du aber auch viel geschafft. Ja ich habe die Kinder mit Diabetes bekommen und meine Kinder sind 26,25,23 und bald 19 🥰….und wie du hoffe bald wieder fit zu sein. Beruflich wechsle ich jetzt vom Kinderhospiz wieder in die Krippe da es dort vorausschaubarer ist als im Schichtdienst. In der Hoffnung der Diabetes lässt sich dort wieder besser einstellen. Eigentlich sollte ich auch die Ernährung wieder umstellen, das weiß ich aber es fällt mir so schwer. Wie ist das da bei dir. Was machen deine Werte ? Viele Grüße Astrid

    • @sveastine: Hallo liebe Astrid, sag mal kann es sein, daß du in den Wechseljahren bist? Ich habe meine schon hinter mir, aber das war zuckertechnisch eine der schwierigsten Zeiten, weil ständig alles durcheinander war. Damals war ich allein 2 x in der Diabetes Klinik Bad Mergentheim zum Anpassen innerhalb von 3-4 Jahren. Die Hormonwirkungen waren der Wahnsinn. Jetzt ist es wieder deutlich ruhiger. Was hast du eigentlich für eine Versorgung? Pen? Pumpe? Insulin? Sensor?
      Ich habe die Tandem tslim mit Sensor und Novorapid. Und das ist für mich der game changer gewesen. Seitdem werden die zuckertechnischen Anstrengungen auch mit guten Werten belohnt. Liebe Grüße Heike

    • @mayhe: Hi, ja ich bin in den Wechsel Jahren schon eine ganze Weile und nehme Hormone. Das ist denke ich ist der Hauptgrund der Schwankungen, aber das geht schon seit ca 3 Jahren so, was doof ist. Ich hab das gleiche System wie du tslim und Dexcom, trotzdem schwierig.aber für Bad Mergentheim lt. Diabetologe zu gut um die Genehmigung dafür zu bekommen 🤷🏻‍♀️

    • @sveastine: Das ist ja witzig, das du dieselbe Versorgung hast. Also bist du da optimal versorgt. Jetzt verstehe ich deinen Frust. Nach den Behandlungen in Bad Mergentheim war es wenigstens eine Weile besser. Warst du schon mal in Reha wegen dem Zucker? Ist zwar nicht Bad Mergentheim, aber manche Rehakliniken machen das wohl echt gut. Du musst “nur” darauf achten, dass sie ein spezielles Angebot für Typ1er haben. Ich war 2019 in der Mediclin Klinik Stauffenberg, Durlach. Das war okay. Am wichtigsten fand ich den Austausch mit den Mitpatienten. Aber natürlich ist der Aufwand für dich bei 4 Kindern für 3 Wochen, sehr hoch. Und eine Garantie dafür das dann länger besser läuft gibt es nicht. Ich fand es aber immer wichtig, den zuckertechnischen Input und die Solidarität zu erfahren. Liebe Grüße Heike

    • @mayhe: Nicht Durlach, sondern Durbach.

  • Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂

    Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/

Verbände