- Behandlung
Durchblutungsstörungen der kleinen Blutgefäße: diabetische Mikroangiopathie
4 Minuten
Hohe Blutzuckerwerte über lange Zeit können bei Menschen mit Diabetes dazu führen, dass sich Teile der Blutgefäßwände verdicken. Sind kleinste Blutgefäße betroffen, nennt man das „Mikroangiopathie“. Was sollten Sie wissen und beachten? Dr. med. Gerhard-W. Schmeisl weiß Rat.
Der Fall
Peter H., 60 Jahre alt, hat seit 30 Jahren Typ-1-Diabetes. Er fährt sicher und regelmäßig mit dem Auto. Nachdem er jedoch schon dreimal gegen Abend beinahe einen Fußgänger übersehen hatte, ließ er sich schließlich doch von seiner Frau zu einem Augenarztbesuch überreden. Der letzte Besuch war bestimmt schon 8 Jahre her – Peter H. hatte es nicht so mit Arztbesuchen.
Der – mittlerweile neue – Augenarzt konnte zunächst gar nicht glauben, was er sah: eine diabetische Netzhauterkrankung, mit der Peter H. niemals hätte Auto fahren dürfen. Nach einigen Injektionen eines Medikamentes direkt in das Auge und einer wohl nicht vermeidbaren Operation hat ihm der Augenarzt in Aussicht gestellt, bald wieder, zumindest tagsüber, Auto fahren zu dürfen. Wäre er doch nur regelmäßig zum Augenarzt gegangen!
Wenn bei einem Menschen die großen Blutgefäße verengt oder verstopft sind (Makroangiopathie), kommt bei den Organen kein Blut mehr an. In einer Vene spricht man von einer venösen Thrombose, in einer Arterie von einer Stenose (Einengung) bzw. einem Verschluss. Sind die kleinsten Blutgefäße, die sich in einem Organ befinden und es so mit Blut versorgen, betroffen, spricht man von einer Mikroangiopathie. Bei Menschen mit Diabetes ist es eine diabetische Mikroangiopathie.
Diese betrifft vor allem die feinsten Verzweigungen (Kapillaren) – dies kann zu Erkrankungen führen wie
- diabetische Nephropathie (Nierenschaden),
- diabetische Retinopathie (Netzhautschaden).
Beteiligt ist die Mikroangiopathie auch am Entstehen
- der diabetischen Polyneuropathie (Nervenschaden),
- der diabetischen Kardiomyopathie (Herzschaden).
Die Mikroangiopathie bedeutet eine Verdickung eines Teils der Blutgefäßwand – entstanden durch meist lange bestehende erhöhte Blutzuckerwerte. Je länger man Diabetes hat und je schlechter die Stoffwechseleinstellung ist, desto größer ist die Gefahr eines Verdickens der Blutgefäßwand. Auch das Geschlecht spielt eine Rolle: Männer sind eher betroffen als Frauen.
Blutzuckereinstellung: große Rolle
Die Mikroangiopathie hängt direkt mit der Güte der Blutzuckereinstellung zusammen. Weitere Ursachen werden angenommen bzw. sind gesichert:
- Bildung von Zucker-Eiweiß-Verbindungen („Advanced Glycation Endproducts“, AGEs), die eine Schädigung der Gefäßwand bewirken,
- oxidativer Stress, auch gefördert durch Rauchen,
- „Nebenwege“ der Verstoffwechselung von Glukose,
- Aktivierung der Proteinkinase C.
Die diabetische Nierenerkrankung
Zeichen einer beginnenden Nierenerkrankung sind Spuren von Eiweiß im Urin (Mikroalbuminurie). Die Schädigung der kleinsten Blutgefäße wird direkt verursacht durch den erhöhten Blutzucker, aber auch durch eine Anhäufung der schon genannten Glukose-Eiweiß-Produkte.
Die Prognose der Patienten ist schlechter, wenn schon Eltern, Großeltern, Geschwister betroffen waren oder sind – und je länger man schon Diabetes hat. Weiter schädigend sind das Rauchen, die regelmäßige Einnahme von Schmerzmitteln, „Rheumamitteln“ und manchmal auch das Verabreichen von Kontrastmitteln z. B. bei Gefäßuntersuchungen.
Folge: Eiweiß im Urin
Als Folge dieser Schädigung findet man Spuren von Eiweiß im Urin. In der Regel werden drei Urinproben im Abstand von 2 – 4 Wochen untersucht, und zwar nach 6 – 8 Stunden nächtlicher Ruhephase als erster Morgenurin. Sind zwei Urinproben in Folge positiv, besteht der dringende Verdacht auf eine diabetische Nephropathie. Zusätzliche Blutuntersuchungen (z. B. Kreatinin) dienen der Abschätzung der verbliebenen Nieren-Filterfunktion.
Typ-1-Diabetiker
- ab dem 5. Jahr nach Diagnosestellung mindestens 1-mal jährlich
- sofort bei Diagnosestellung, dann mindestens 1-mal jährlich
Test auf Mikroalbuminurie kann „falsch positiv“ ausfallen bei:
- frischem Harnwegsinfekt
- während der Regelblutung
- hohem Fieber
- entgleistem Blutzucker
- entgleistem Blutdruck
- Stress, z. B. Operationen
- körperlicher Aktivität
Erwachsene Typ-1-Diabetiker und Kinder mit Typ-1-Diabetes ab 5 Jahren Diabetesdauer bzw. ab dem 11. Lebensjahr sollten sich mindestens jährlich darauf untersuchen lassen. Menschen mit Typ-2-Diabetes sollten sich unmittelbar nach der Diagnosestellung untersuchen lassen hinsichtlich einer chronischen Nierenerkrankung – und dann mindestens jährlich.
Bei Typ-2-Diabetikern ist eine konsequente Behandlung von Begleiterkrankungen erforderlich wie Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen und Übergewicht, um ein Fortschreiten der Eiweißausscheidung zu verhindern. Wichtigste Therapie: Optimieren der Blutzuckereinstellung und des Blutdrucks!
Die diabetische Netzhauterkrankung
Die diabetische Netzhauterkrankung gehört zu den häufigsten Komplikationen bezüglich der kleinen Blutgefäße bei Menschen mit Diabetes. Veränderungen werden anfänglich von den Betroffenen normalerweise nicht bemerkt. Frühformen der diabetischen Retinopathie verursachen keine Änderung der Sehstärke oder -schärfe. Nur aufwendige Tests, die in der Routine meist nicht durchgeführt werden, zeigen beginnende Veränderungen an den Nervenzellen, die am Sehen beteiligt sind.
- nicht proliferative diabetische Retinopathie mild/mäßig/schwer
- proliferative diabetische Retinopathie Gefäßneubildungen („Gefäßproliferationen“), Blutungen
- diabetische Makulopathie Makulaödem: Wasseransammlung im Bereich der Macula lutea (gelber Fleck) in verschiedenen Ausprägungen; Diagnose nur durch Augenuntersuchung möglich
Also: Nur durch regelmäßige Untersuchungen können Frühformen der diabetischen Retinopathie entdeckt werden. Achtung: 40 Prozent der Menschen mit Typ-2-Diabetes haben bereits bei Diagnosestellung ihrer Erkrankung eine milde Retinopathie – ein rechtzeitiges Erkennen ist unabdingbar!
Allgemeine Therapiemaßnahmen:
- gute Einstellung des Blut-/Gewebezuckers
- Blutdrucknormalisierung
- nicht (mehr) rauchen
- Behandlung einer Hypercholesterinämie (v. a. LDL-Cholesterin)
Therapie bei fortgeschrittenen Stadien:
Bei fortgeschrittener diabetischer Retinopathie behandelt man mit Laserkoagulation, aber auch mit Injektion von Wachstumsfaktor-Hemmern. Wenn Gefäße auf den Glaskörper gewachsen sind, kann eine Netzhautablösung drohen.
Typ-1-Diabetiker
- Kinder ab 5 Jahren Diabetesdauer, aber spätestens ab dem 11. Lebensjahr,
- Erwachsene 1-mal jährlich (auch ohne Netzhauterkrankung).
Typ-2-Diabetiker
- sofort nach Diagnosestellung, danach jährlich (auch ohne Netzhauterkrankung)
Um diese zu verhindern, versucht man, operativ Blutungen bzw. Gefäßneubildungen im Glaskörper zu beseitigen. Gelingt dies nicht, kann der Glaskörper komplett entfernt werden. So wird versucht, die Netzhautablösung zu verhindern. Ist sie bereits aufgetreten, versucht man, sie wieder an die ernährende Aderhaut anzulegen.
Diabetische Nervenerkrankung
Das Risiko für eine „Polyneuropathie“ ist schon während des Diabetes-Vorstadiums erhöht. 30 bis 40 Prozent aller Diabetiker entwickeln sie im Laufe ihrer Erkrankung, etwa 30 Prozent aller neu diagnostizierten Diabetiker sind bereits davon betroffen. Eine der möglichen Ursachen kann eine Mikroangiopathie der Nerven sein.
Durch die teils quälenden Beschwerden (besonders nachts) ist häufig die Lebensqualität der Patienten mit Neuropathie extrem eingeschränkt. Außerdem gelten die periphere und die autonome „Eingeweide-Neuropathie“ als wichtiger Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Insbesondere erhöht sich die Gefahr für eine Amputation: Für etwa 70 Prozent aller Amputationen ist die periphere Polyneuropathie verantwortlich.
Typische Beschwerden:
- Ameisenlaufen, Taubheit, brennende Füße, Pelzigkeit (besonders nachts)
- Schmerzen wie Nadelstiche, auch verminderte Empfindlichkeit gegenüber Hitze, Kälte, Berührung, Druck
- Berührungen werden als schmerzhaft empfunden, manchmal einschießende Schmerzen (wie ein Messer) oder die Haut ist überempfindlich bei geringster und leichter Berührung
- meist sind die Füße strumpfartig, die Hände handschuhartig betroffen
- die Beschwerden beginnen meist an den Zehen und schreiten Richtung Körper fort – anders als bei vielen orthopädischen Problemen, bei denen die Beschwerden von der Wirbelsäule oder dem Becken ausgehen und Richtung Füße ausstrahlen
Allgemeine Therapiemaßnahmen:
- optimale Blutzuckereinstellung
- Optimierung der Durchblutung, des Blutdrucks, des Gewichts
- Behandlung erhöhter Blutfette
- ideal: wenig Alkohol, kein Nikotin
Zusammenfassung
Eine gute, möglichst gleichmäßige Blutzuckereinstellung ist ein wichtiges Ziel ab Beginn der Diabeteserkrankung, um Schäden an den kleinen Blutgefäßen zu verhindern. Wichtig sind auch eine gute Blutdruckeinstellung, Nichtrauchen, womöglich eine Ernährungsumstellung mit Gewichtsabnahme und viel Bewegung im Alltag.
Autor:
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Erschienen in: Diabetes-Journal, 2020; 69 (9) Seite 34-36
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 2 Tagen, 22 Stunden
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina -
gingergirl postete ein Update vor 1 Woche, 5 Tagen
Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
Danke schonmal im Voraus-
darktear antwortete vor 1 Woche, 1 Tag
Hallo,
Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*LG Sndra
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moira antwortete vor 4 Tagen, 16 Stunden
Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG
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hexle postete ein Update vor 1 Woche, 6 Tagen
Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.
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lena-schmidt antwortete vor 1 Woche, 1 Tag
@stephanie-haack hast du vielleicht ein paar gutes Tipps?
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connyhumboldt antwortete vor 2 Tagen, 16 Stunden
Besorge Dir Pflaster die über Tattoos geklebt werden, wenn die neu gestochen sind! Oder Sprühpflaster das Stomapatienten benutzen!
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