Ein genauer Blick auf Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse

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Ein genauer Blick auf Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse

Diabetes ist die häufigste, aber längst nicht die einzige Erkrankung der Bauchspeicheldrüse (Pankreas). Auch eine Entzündung des Pankreas, ein Tumor oder auch eine Mukoviszidose können ihre Funktion beeinträchtigen. Vor allem beim Pankreaskarzinom ist die Früherkennung überlebenswichtig. Für seine Forschung zum Bauchspeicheldrüsenkrebs wurde Prof. Dr. Alexander Kleger vom Universitätsklinikum Ulm unlängst mit dem Deutschen Krebspreis 2023 ausgezeichnet.

Die Bauchspeicheldrüse zählt zu den kleinsten und leichtesten Organen im menschlichen Körper. Bei einem Erwachsenen wiegt sie maximal 120 Gramm. Die Folgen einer Erkrankung können gleichwohl verheerend sein. Am Universitätsklinikum Ulm (UKU) hat man sich auf das Pankreas spezialisiert. Die Sektion für Interdisziplinäre Pankreatologie (Klinik für Innere Medizin I) und das Institut für Molekulare Onkologie und Stammzellbiologie (IMOS) arbeiten dort unter der Leitung von Prof. Dr. Alexander Kleger eng zusammen. Sie bilden die Schnittstelle zwischen Grundlagenforschung und angewandter Medizin.

Mini-Organe gezüchtet

Den Ulmer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ist es inzwischen unter anderem gelungen, aus multipotenten Stammzellen die verschiedenen Arten an Pankreaszellen zu entwickeln. Dabei handelt es sich um Organoide – kleine Nachbildungen und Modelle echter Organe also, an denen sich zum Beispiel das Entstehen von Krebs erforschen lässt. Bislang ist relativ wenig über das Entstehen und die frühen Stadien eines Pankreaskarzinoms bekannt, erklärt Prof. Dr. Kleger. Die Erkrankung verursacht anfangs kaum Beschwerden. Wenn sie diagnostiziert wird, ist sie oft schon so weit vorangeschritten, dass sich meist schon Metastasen in benachbarten Organen gebildet haben, was die Chancen auf Heilung deutlich verringert und auch die Suche nach den Ursachen erschwert.

Dass es nun gelungen ist, exokrine Zellen (produzieren Verdauungs-Enzyme) und endokrine Zellen (produzieren unter anderem Insulin) der menschlichen Bauchspeicheldrüse zu “züchten”, macht Hoffnung auf eine bessere Früherkennung des Pankreaskarzinoms: Die Forschenden können im Labor an den Organoiden von Anfang an beobachten, wie und wo genau Bauchspeicheldrüsenkrebs entsteht, und zudem mögliche Ursachen untersuchen. Unter Umständen lassen sich Tumormarker identifizieren, die künftig eine frühere Diagnose des Pankreaskarzinoms per Blutuntersuchung ermöglichen.

Therapien individueller abstimmen

Das Universitätsklinikum arbeitet überdies daran, die Therapie stärker auf den jeweiligen Patienten abzustimmen. Helfen sollen auch hierbei Organoide, die in diesem Fall aus den Tumoren der Betroffenen gewonnen werden. Im Labor soll dann getestet werden, wie diese Mini-Organe auf unterschiedliche Therapien ansprechen, um im Anschluss die beste Variante speziell für den Patienten auszuwählen. “Fast jedes Pankreaskarzinom ist eine eigenständige Erkrankung”, erklärt Prof. Dr. Kleger. Klinische Studien sind daher schwieriger in der Planung und Interpretation, da die Gruppe der Betroffenen jeweils sehr klein ist und die Krankheit meist schon zu weit fortgeschritten ist. Es brauche bessere Modelle, um kleinere Gruppen von Patienten möglichst schnell identifizieren zu können, die auf die jeweilige Behandlung gut ansprechen, so der Wissenschaftler. Die praktische Anwendung sei in diesem Fall aber noch Zukunftsmusik, schränkt er ein.

Auch bestimmte Diabetes-Formen im Blick

Von einer besser auf den Einzelfall abgestimmten Therapie könnten überdies auch Patienten mit anderen Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse profitieren. Beim eher seltenen Diabetes des Typs MODY (Maturity Onset Diabetes of the Young), der durch einen Defekt eines einzelnen Gens entsteht, habe sich bei der Behandlung eines der MODY-Typen etwa ein sehr gutes Ansprechen auf Sulfonylharnstoff gezeigt, nennt der Wissenschaftler ein Beispiel. Der Wirkstoff wurde früher oft zur Behandlung von Typ-2-Diabetes genutzt. Inzwischen kommt er bei dieser Diabetes-Form allerdings eher nicht mehr zum Einsatz. Seltene Diabetes-Formen, die meist dem Typ 3 zugeordnet werden, sind bislang kaum Gegenstand der Forschung. In der Praxis werden sie dann meist wie ein Typ-2- oder wie ein Typ-1-Diabetes behandelt, obwohl eine individuelle Therapie unter Umständen erfolgversprechender wäre.

Ähnlich verhält es sich bei einer Entzündung der Bauchspeicheldrüse (Pankreatitis): Etwa 60 bis 70 Prozent der Fälle seien durch hohen Alkoholkonsum zu erklären, so Prof. Dr. Kleger. Bei rund 10 bis 20 Prozent der Betroffenen sei jedoch unklar, was die Erkrankung ausgelöst hat. Bei den Patienten können sowohl das exokrine als auch das endokrine Pankreasgewebe Schaden nehmen. In der Folge drohen dann eine Pankreasschwäche, die mit Verdauungs-Enzymen behandelt werden muss, und womöglich auch ein Diabetes.

Präventivmaßnahmen in Aussicht

Falls es durch die Forschung mit Organoiden gelingt, die genetischen Ursachen dieser Erkrankung zu identifizieren, lässt sich das Entstehen in Zukunft möglicherweise durch Präventivmaßnahmen mindern, hofft der Forscher. Es könnte zum Beispiel sein, dass bei einer bestimmten erblichen Vorbelastung schon relativ geringe Mengen Alkohol eine Pankreatitis auslösen, erläutert Prof. Dr. Kleger. Bisher wissen Betroffene jedoch nicht, dass sie ein erhöhtes Risiko für eine Entzündung der Bauchspeicheldrüse tragen. “Die verschiedenen Erkrankungen des Pankreas bedingen sich teilweise gegenseitig, ohne dass es im ersten Moment logisch erscheint”, fasst der Experte zusammen. “Es gibt also weiterhin einen hohen Forschungsbedarf.”


von Thorsten Ferdinand

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2023; 72 (7) Seite 36-37

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