- Behandlung
Hohe Werte, kein Insulin: Ketoazidose
4 Minuten
Die Ketoazidose tritt bei Insulinmangel auf. In dieser Situation greift der Körper für seinen Energiebedarf statt auf Zucker auf Fettreserven zurück. Bei 8 bis 9 Prozent aller Typ-1-Diabetiker tritt sie auf – und ist häufig der Grund für eine Krankenhauseinweisung. Wichtig ist, Anzeichen und Sofortmaßnahmen zu kennen.
Die 34-jährige Marianne M. hat Typ-1-Diabetes, der ihr keine Probleme bereitet, und ist Krankenschwester in einem Kreiskrankenhaus auf der gastroenterologischen Abteilung. Die Patienten, die sie betreut, kommen meist wegen Magen-Darm-Beschwerden zur weiteren Abklärung.
Als sie selbst eines morgens „Bauchschmerzen“ hat (sie hat auch nicht gefrühstückt, weil sie keinen Appetit hat), denkt sie natürlich zuerst daran, dass sie sich bei einem der Patienten etwas eingefangen hat! Als sie während der Morgenbesprechung plötzlich „komisch spricht“ und nicht ganz klar wirkt, rät eine Kollegin dazu, den Blutzucker zu testen: 300 mg/dl (16,7 mmol/l)! Danach wird von der Kollegin auch noch das Blut auf Ketone getestet: 2 mmol/l.
Im Rahmen eines leichten Infektes hat sich bei Marianne eine Ketoazidose entwickelt, die außer Bauchschmerzen und leichter Verwirrtheit keine anderen Beschwerden verursacht.
Nach etwas Ruhe, der Gabe von Insulin, Kalium und Flüssigkeit sind die Werte nach einigen Stunden auch wieder gut – Glück gehabt!
Jeder Typ-1-Diabetiker sollte schon einmal eine Schulung über die Ketoazidose mitgemacht haben. Da diese Stoffwechselentgleisung nicht so oft vorkommt, geraten die klassischen Beschwerden oft in Vergessenheit – und die Gefährlichkeit ist nicht mehr gegenwärtig.
Neue Antidiabetika erhöhen Ketoazidose-Risiko
Aktuelle neue medikamentöse Entwicklungen zeigen jedoch, wie wichtig es ist, die typischen Symptome zu kennen, um rechtzeitig handeln zu können. Es sind bereits Medikamente in Tablettenform für den europäischen Markt zugelassen, die auch übergewichtigen Typ-1-Diabetikern helfen sollen, ihren Blutzucker zu senken und gleichzeitig durch den Zuckerverlust über den Urin Gewicht abzunehmen (und auch, den Blutdruck zu senken).
Dabei handelt es sich um einen kombinierten SGLT-1- und SGLT-2-Hemmer (Wirkstoff: Sotagliflozin) sowie auch um SGLT-2-Hemmer (Dapagliflozin). Bei Typ-2-Diabetikern wirken SGLT-2-Hemmer schon sehr gut (Medikamente wie Forxiga, Jardiance). Aber es hat sich gezeigt, dass unter diesen Medikamenten vermehrt Ketoazidosen auftreten können – auch bei normalen Blutzuckerwerten. Warum diese Ketoazidosen entstehen, ist noch nicht eindeutig geklärt.
Gefahr: Fett wird statt Zucker verbrannt
Die Ketoazidose betrifft maximal 8 bis 9 Prozent aller Patienten – sie ist aber dann häufig der Grund für eine Krankenhauseinweisung. Die Ketoazidose ist ein Zustand des Insulinmangels, bei dem der Körper zur Deckung seines Energiebedarfs statt auf Zucker (Glukose) auf Fettreserven zurückgreift.
- sehr hoher Blutzucker (über 350 mg/dl bzw. 19,4 mmol/l)
- Austrocknung des Körpers (die Niere arbeitet unter Umständen nicht mehr!)
- Nachweis von Ketonkörpern in Urin (spezielle Urinteststreifen)und Blut (kombinierte Blutzucker- und Ketonmessgeräte)
- Zucker im Urin
- Veränderung wichtiger Blutsalze wie Natrium und Kalium
- „metabolische Azidose“ (stoffwechselbedingte Übersäuerung; Standardbikarbonat 8 – 10 mmol/l, niedriger pH-Wert)
Die dabei entstehenden Fettsäuren werden schließlich im Rahmen der „Beta-Oxidation“ im Körper unvollständig zu Ketonkörpern abgebaut, wodurch sich eine Übersäuerung des Blutes ergibt: Der Körper wird quasi mit Ketonkörpern, die Säuren sind, überschwemmt; die Ketonkörper finden sich in Blut und Urin.
Oft Krankenhausaufnahme
Die ausgeprägte Ketoazidose ist vor allem wegen der Übersäuerung ein internistischer Notfall, der eine Krankenhauseinweisung erfordert, soweit er in den Anfängen nicht beherrscht wird. Deshalb sollten jeder Typ-1-Diabetiker sowie deren Angehörige, Bekannte, Betreuer (wie Lehrer, Trainer) Symptome und unmittelbares Vorgehen bei einer solchen Stoffwechselentgleisung kennen!
Merke: Auch bei Nichtdiabetikern kann es bei starkem Fasten/Hungern zu einer, wenn auch geringen, Ketonbildung kommen, die allerdings so gut wie nie einer Behandlung bedarf.
Welche typischen Anzeichen bzw. Beschwerden findet man?
Sehr hohe Blutzuckerwerte (meist über 300 mg/dl bzw. 16,7 mmol/l) und zwei- bis dreifach positiver Keton-Nachweis im Urin oder Keton-Werte über 3,0 mmol/l im Blut, gemessen mit entsprechenden Teststreifen, und entsprechenden Beschwerden sind typisch.
… diese sollte jeder Patient sowie auch jeder Therapeut kennen (Auszug):
- Übelkeit mit Erbrechen
- Bauchschmerzen („Pseudo-Bauchfellentzündung“)
- häufiges Wasserlassen
- starker Durst
- Azetongeruch in der Atemluft (ähnlich wie frischer Nagellackentferner, „frische grüne Äpfel“)
- Müdigkeit oder Schläfrigkeit (Pat. sind manchmal nicht mehr richtig ansprechbar), dösig
- Benommenheit und Schwächegefühl
- tiefes Atmen („Kußmaul’sche Atmung“)
- Sehstörungen
- rasender Puls
Besonders typisch ist eine vertiefte Atmung (Kußmaul’sche Atmung), mit der der Körper versucht, die sauren Ketonkörper im Körper durch „Abatmen“ loszuwerden. Der Geruch des Atems nach frischen grünen Äpfeln durch den Ketonkörper Azeton ist auffällig! Bauchschmerzen im Rahmen einer Ketoazidose werden nicht selten fehlinterpretiert, z. B. als Magenverstimmung.
Wann tritt eine Ketoazidose auf?
Das Weglassen von Insulin bei Typ-1-Diabetikern im Rahmen von Infektionen mit Fieber und vermindertem Appetit ist einer der Gründe. Das Weglassen ist ein Fehler, denn Stress und Hormone, die gegen die Wirkung des Insulins gerichtet sind (z. B. Adrenalin, Wachstumshormon, Kortisol), führen zu einem zusätzlichen Blutzuckeranstieg, sodass auf jeden Fall Insulin gespritzt werden muss – um nicht in einen Insulinmangel mit Entwicklung einer Ketoazidose zu geraten.
- Insulinmangel, z. B. bei Neuauftreten eines Diabetes (meist Typ 1)
- vergessene oder ausgelassene Insulin-Injektion
- unbemerkter Insulinzufuhr-Stopp bei Insulinpumpentherapie, bei der ein Insulindepot im Unterhautfettgewebe fehlt
- falsche oder ungenügende Insulindosis z. B. bei Infektionen, Operationen, Schilddrüsenüberfunktion etc.
- technische Fehler bei der Insulin-Injektion (z. B. Injektionen in Lipohypertrophien, also Fettgewebsvermehrungen am Bauch oder Oberschenkel)
Die Behandlung des ketoazidotischen Komas
Regelmäßig geschulte Patienten sind oft in der Lage, mittels Insulingabe eine beginnende Ketoazidose selbst zu behandeln. Achtung: Die Korrektur des Blutzuckers durch Insulin führt zu einer Verschiebung von Kalium aus dem Blut in die Zellen; hierdurch wird der Kalium-Spiegel im Blut also erniedrigt – was zu lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen führen kann!
mind. 1 l Wasser pro Stunde trinken
sofort kurzwirksames Insulin nach der einfachem Korrekturregel spritzen (bei Pumpentherapie mit Insulinpen oder Einmalspritze!)
Bei Blutketon-Werten über 1,5 mmol/l:
sofort kurzwirksames Insulin nach der doppelten Korrekturregel spritzen (bei Pumpentherapie mit Insulinpen oder Einmalspritze!)
sofort Arzt informieren oder sich ins Krankenhaus fahren lassen
eine Klinikbehandlung ist in den meisten Fällen notwendig!
Eine der wichtigsten zusätzlichen Maßnahmen (neben Insulinzufuhr) ist daher, gleichzeitig Kalium zu sich zu nehmen – z. B. Kalinor-Brause oder entsprechende Tabletten. Dies gilt sowohl für zu Hause wie auch für die Klinik.
Zusammenfassung
Eine Stoffwechselentgleisung im Rahmen einer Ketoazidose mit sehr hohen Blutzuckerwerten und den damit verbundenen Wasser-und Blutsalzverschiebungen ist eine potenziell lebensgefährliche Angelegenheit.
Wenn insbesondere Typ-1-Diabetiker mit Übergewicht demnächst neben Insulin auch moderne Wirkstoffe oder Wirkstoffkombinationen erhalten werden, sollten sie trotz des hoffentlich seltenen Vorkommens einer Ketoazidose die Anzeichen kennen. Die Messung der Ketonkörper trägt zum Erkennen bei – regelmäßige Schulungen sind jedoch trotz technischer Hilfsmittel unbedingt notwendig.
Autor:
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Erschienen in: Diabetes-Journal, 2019; 68 (11) Seite 42-44
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 1 Woche
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina -
gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 2 Tagen
Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
Danke schonmal im Voraus-
darktear antwortete vor 1 Woche, 5 Tagen
Hallo,
Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*LG Sndra
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moira antwortete vor 1 Woche, 1 Tag
Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG
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hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 3 Tagen
Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.
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lena-schmidt antwortete vor 1 Woche, 5 Tagen
@stephanie-haack hast du vielleicht ein paar gutes Tipps?
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connyhumboldt antwortete vor 6 Tagen, 20 Stunden
Besorge Dir Pflaster die über Tattoos geklebt werden, wenn die neu gestochen sind! Oder Sprühpflaster das Stomapatienten benutzen!
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Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig