- Behandlung
Hypoglykämien: Zu tiefe Zuckerwerte ernst nehmen!
4 Minuten
Eine Unterzuckerung entsteht, wenn der Körper zu wenig Zucker bildet, zu wenig Zucker aufgenommen wurde oder vermehrt Glukose verbraucht wird. Im Diabetes-Kurs nennen wir die typischen Symptome von Unterzuckerungen.
Die Frau von Franz H. ist schon richtig verzweifelt. Mehrfach in den letzten Monaten ist sie von ihrem Mann plötzlich und ohne Ursache als „blöde Kuh“ bezeichnet worden. Zunächst dachte sie immer nur: „Was habe ich denn falsch gemacht?“ und „Wie kommt er plötzlich auf so etwas?! So hat er sich sonst nie verhalten!“
Schweren Herzens vertraute sie sich schließlich doch ihrem Hausarzt an, da sie nicht mehr weiterwusste. Dieser hatte dann auch nach Durchsicht der Krankenakte den richtigen Riecher: Franz H. hatte wegen eines Infektes an der Großzehe mit Fieber und Anstieg des Blutzuckers während ihres letzten Urlaubs von einem ortsansässigen Arzt Glibenclamid 3,5 mg erhalten – wie sich zeigte, hatte er jetzt nach Abklingen der Infektion ständig Unterzuckerungen!
Nach Absetzen dieses Medikamentes hat Franz H. seine Frau nie wieder beschimpft – zumindest nicht ohne erkennbaren Grund.
Unter einer Unterzuckerung (Hypoglykämie) versteht man den Abfall des Blutzuckers in einen Bereich, der potenziell gefährlich für den Menschen werden kann. Heute gilt bei Diabetikern ein Wert unter etwa 70 mg/dl (3,9 mmol/l) als Hypoglykämie – auch ohne äußerliche Anzeichen (Symptome).
Denn ab etwa diesem Wert beginnt der Körper mit einer „Gegenregulation“: Die Leber als unser wichtigster Zuckerspeicher schüttet Zucker aus ihrem Vorrat aus, damit der Blutzucker wieder steigt. Dies geschieht bei jedem Menschen automatisch, indem Notfall-Hormone wie Adrenalin, Noradrenalin und Kortison ins Blut abgegeben werden.
Denn es gibt im Alltag nur zwei Situationen, die lebensgefährlich werden können:
- mehrminütige schwere Unterzuckerung,
- ein mehrminütiger Sauerstoffmangel (z. B. bei Herzstillstand) im Gehirn.
In letzterer Situation bleibt das Gehirn vorübergehend mit Sauerstoff unversorgt, was zu einem Gehirnschaden oder sogar zum Tod führen kann. Andererseits: Wer Medikamente verwendet, mit denen man unterzuckern kann (z. B. Sulfonylharnstoffe, Glinide, Insulin), muss entsprechend vorsichtig sein z. B.
- bei oder nach körperlicher Belastung (Verbrauch von Zucker!),
- besonders nach reichlich Alkoholgenuss, denn Alkohol blockiert die Leber, sodass diese während einer Unterzuckerung keinen Zucker ins Blut abgeben kann.
Wegen der Gefahr der Hypoglykämie sollten gerade ältere Menschen mit Typ-2-Diabetes und z. B. zusätzlich koronarer Herzkrankheit (KHK) eher Medikamente einsetzen, die kein oder nur ein geringes Unterzuckerungsrisiko haben (SGLT-2-Hemmer, Gliptine, Metformin, GLP-1-Rezeptoragonisten etc.).
Wie kommt es zu einer Unterzuckerung?
Eine Unterzuckerung ist stets verursacht durch entweder zu wenig Zuckerbildung des Körpers selbst in Leber und Niere oder mangelnde Zuckeraufnahme im Darm sowie vermehrten Glukoseverbrauch der Gewebe (z. B. der Muskulatur). Das Zuckergleichgewicht bei Menschen wird durch ein komplexes System konstant gehalten: So wird z. B. nach dem Essen und einem Zuckeranstieg im Blut innerhalb weniger Minuten Insulin aus den Betazellen der Bauchspeicheldrüse ausgeschüttet sowie die Zuckerproduktion in der Leber gedrosselt.
Zum anderen werden Zuckerausschüttung und -neubildung innerhalb weniger Minuten gesteigert, wenn der Zuckerwert im arteriellen Blut unter etwa 67 mg/dl (3,7 mmol/l) abfällt; die Produktionssteigerung geschieht durch gegenregulatorische Maßnahmen über Glukagon und Noradrenalin.
Das wichtigste Hormon zu Beginn der Unterzuckerung ist das Glukagon – das Nebennierenhormon Noradrenalin tritt erst in Aktion, wenn die Glukagonreserven in den Alphazellen der Bauchspeicheldrüse erschöpft sind. Glukagon stimuliert primär die Zuckerneubildung in der Leber (Noradrenalin hemmt eher den Zuckerverbrauch).
Weitere aktiv werdende gegenregulatorische Hormone wie Kortisol und Wachstumshormon reagieren 3 bis 4 Stunden verzögert und hemmen den Zuckerverbrauch und stimulieren die Zuckerneubildung in der Leber. Heute wissen wir, dass auch die Nieren zu einer echten Zuckerneubildung in der Lage sind.
- Schwitzen
- Übelkeit
- Blässe
- Herzklopfen
- Herzdruckgefühl, aber manchmal auch Bauchschmerzen
- Hunger, Angst und Kopfschmerzen
Wie bemerkt man eine „Hypo“?
Als Erstes kommt es zu einer Aktivierung des autonomen, sympathisch-adrenalen Nervensystems (Eingeweide-Nervensystem) mit den typischen Symptomen wie Schweißausbruch, Zittern und schnellem, heftigem Herzschlag. Man nennt diese Symptome auch „autonome“ Symptome.
- Krampfanfall
- Bewusstseinsstörungen
- isolierte neurologische Ausfälle
- Gefühlsstörungen
- Aggressionen
- Verschwommen- oder Doppeltsehen
- Zittern
- vorübergehende Halbseitenlähmungen (Vorsicht: kann auch ein Schlaganfall sein!)
Die Stärke dieser Symptome wird durch die oft gleichzeitige Abgabe von Kortisol verstärkt. So kommt es bei einem weiteren Abfall der Zuckerwerte im arteriellen Vollblut auf unter 50 mg/dl (2,8 mmol/l) zu Zeichen des Zuckermangels im Gehirn (neuroglykopenische Symptomatik).
Gibt es Unterzuckerungen ohne Diabetes?
Ja, Unterzuckerungen gibt es auch bei Vorliegen eines Tumors im Bereich der insulinproduzierenden Zellen, dem Insulinom, oder auch bei einer verstärkten Ausscheidung von Zucker im Urin (renale Glukosurie) und einer speziellen Erkrankung der Nebenniere.
Das Insulinom kommt nur mit einer Häufigkeit von 4 Fällen pro etwa 1 Million Einwohner vor und ist damit extrem selten. Unmittelbar nach dem Essen gibt es sogar Unterzuckerungen, die nicht durch Diabetes verursacht sind (siehe folgenden Kasten).
- vermehrte körperliche Arbeit
- Alkohol
- Medikamente (z. B. Insulin)
- Leberzirrhose
- Mangel an Glukokortikoiden
- Fehlernährung
- Blutvergiftung
- Vorhandensein von Insulinantikörpern
Was versteht man unter „Hypoglykämie-Wahrnehmungsstörung“?
Bei Typ-1-Diabetikern führen häufige Unterzuckerungen zu einer Veränderung der Hypoglykämie-Wahrnehmung bis hin zu der Situation, dass diese gar nicht mehr wahrgenommen werden. Dies kann im Alltag z. B. beim Autofahren sehr gefährlich werden – deshalb sollte man häufigen Hypoglykämien immer auf den Grund gehen und nach den Ursachen forschen, um sie zu vermeiden.
Zusammenfassung
Unterzuckerungen sind einer der häufigsten Gründe für einen Krankenhausaufenthalt von Menschen mit Typ-2-Diabetes und sowohl für Typ-2-Diabetiker als auch Typ-1-Diabetiker potenziell gefährlich – manchmal sogar lebensgefährlich, besonders im Zusammenhang mit stärkerem Alkoholkonsum!
Bei regelmäßigen Unterzuckerungen sollten Betroffene gemeinsam mit dem Arzt, der den Diabetes behandelt, immer nach den Ursachen suchen. Typ-2-Diabetiker, insbesondere alte Menschen, sollten wegen der besonderen Gefahren (Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Demenz) eher Medikamente ohne Unterzuckerungsgefahr bevorzugen!
Autor:
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Erschienen in: Diabetes-Journal, 2019; 68 (7) Seite 32-34
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 1 Woche
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina -
gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 2 Tagen
Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
Danke schonmal im Voraus-
darktear antwortete vor 1 Woche, 6 Tagen
Hallo,
Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*LG Sndra
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moira antwortete vor 1 Woche, 2 Tagen
Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG
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hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 3 Tagen
Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.
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lena-schmidt antwortete vor 1 Woche, 5 Tagen
@stephanie-haack hast du vielleicht ein paar gutes Tipps?
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connyhumboldt antwortete vor 1 Woche
Besorge Dir Pflaster die über Tattoos geklebt werden, wenn die neu gestochen sind! Oder Sprühpflaster das Stomapatienten benutzen!
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Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig