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Beim Diabetischen Fußsyndrom kann eine große Amputation oberhalb des Knöchels drohen. Aber wie kann es überhaupt so weit kommen – und wie lässt sich das verhindern? Das erfahren Sie im Diabetes-Kurs.
Der Arzt hat sie nun nach drei Wochen Therapie (ohne wesentlichen Erfolg) zur Weiterbehandlung in die Klinik überwiesen!
Bei einer “großen Amputation” (auch: Major-Amputation) wird oberhalb des Fußknöchels amputiert – es ist also der Ober- oder Unterschenkel betroffen. Von den etwa 40 000 jährlich in Deutschland bei Diabetikern durchgeführten Amputationen sind etwa 12.000 Major-Amputationen.
Die Zahlen sind in den letzten Jahren gleichgeblieben – aber weil immer mehr Menschen Diabetes haben, ist die Häufigkeit insgesamt rückläufig. Leider gibt es nicht überall multidisziplinäre Fußnetze (wie z. B. in Köln/Leverkusen), die die Zahl großer Amputationen in der Region teils deutlich senken!
In etwa 80 Prozent der Fälle ging einer solchen großen Amputation ein vermeintlich harmloses Geschwür voraus, aus dem sich eine schwere Infektion (Entzündung) entwickelte, bis hin zum Absterben eines Teils des Beines. Wie kommt es so weit?
Beim Entstehen des Diabetischen Fußsyndroms (DFS; meist eine Kombination aus geschädigten Nerven und einer Durchblutungsstörung) spielt die Erkrankung der Nerven (die Polyneuropathie) meist die entscheidende Rolle: Durch die Nervenschäden empfinden viele Diabetiker kaum oder gar keine Schmerzen. Es kommt auch vor, dass Beschwerden nicht ernst genommen werden, denn: “Was nicht wehtut, kann auch nicht so schlimm sein!”
Besteht zudemeine Durchblutungsstörung der Beine(durch die “periphere arterielle Verschlusskrankheit”, pAVK) wird es noch gefährlicher. Es ist einleuchtend: An Stellen, an die kein Blut kommt, kann auch nichts heilen! Wird eine Wundinfektion nicht konsequent behandelt, steigt das Risiko für eine Amputation.
Sehr häufig ist die Ursache für ein DFS eine Nervenstörung (periphere Polyneuropathie). Die periphere Polyneuropathie beginnt häufig mit einem gestörten Schmerz-, Berührungs- und Temperaturempfinden; auch eine verminderte Schweißsekretion am Fuß kommt vor. Dadurch bildet sich verstärkt Hornhaut, insbesondere an den besonders belasteten Stellen (z. B. Ferse oder Vorfuß-Ballen-Bereich). Bereits in diesem Stadium könnte z. B. durch Einsatz eines Bimssteins oder durch Einlagen in Schuhen Schlimmeres vermieden werden.
Ist der Nervenschaden die alleinige Ursache, kann ein Fußgeschwür innerhalb weniger Tage/Wochen komplett abheilen – durch konsequente Druckentlastung des Geschwürs, konsequente Wundbehandlung und evtl. eine antibiotische Therapie. Das Problem ist, dass Betroffene aufgrund der Nervenschäden keine Warnsymptome (Schmerzen) spüren. Deswegen können auch zusätzliche Durchblutungsstörungen der Beine (pAVK) leicht übersehen werden!
Menschen mit Diabetes haben ein deutlich höheres Risiko für eine Amputation, wenn zu dem Nervenschaden eine Durchblutungsstörung kommt. Engstellen (Stenosen) oder Verschlüsse an den Blutgefäßen der Beine treten bei Diabetikern meistens 10 Jahre früher auf als bei Nichtdiabetikern und etwa fünfmal häufiger, speziell in der Kombination mit einem Nervenschaden.
Eine Infektion gepaart mit einer Durchblutungsstörung ist die Hauptursache für eine Amputation bei Patienten mit Diabetischem Fußsyndrom. Bei jedem Patienten mit Diabetischem Fußsyndrom muss deshalb ein ausführlicher Blutgefäß-Status erhoben werden. Das heißt, es muss überprüft werden, inwieweit die Blutgefäße an den Beinen noch ausreichend mit Sauerstoff versorgt werden. Dafür genügt es nicht, die Füße nur zu betrachten! Die Füße müssen abgetastet werden – mittels eines Stethoskops können Engstellen an Blutgefäßen erkannt werden.
Mit einer genauen Messung der Blutdrücke an den Fußknöcheln, die verglichen werden mit dem Blutdruck am Oberarm (Knöchel-Arm-Index, engl. ankle-brachial-index, ABI) und ggf. einer zusätzlichen Untersuchung mittels Duplex- oder Farb-Duplex-Sonographie (beim Facharzt) kann eine Durchblutungsstörung der Füße sicher bestätigt oder ausgeschlossen werden.
Bei Diabetikern fehlt durch die Nervenschäden oft der Schmerz als Warnsignal. Der Betroffene hat dann trotz eines Geschwürs am Fuß oder manchmal auch einer ausgeprägten Rötung mit Schwellung und Überwärmung des Beines keine Schmerzen. So verstreicht oft kostbare Zeit bis zu einer Diagnose und einer angemessenen Therapie.
Ist dann auch noch die Durchblutung gestört, besteht jederzeit die Gefahr für einen plötzlichen Gefäßverschluss – eine Amputation wird notwendig. Was nun? Bei jedem Diabetiker mit einem Fußgeschwür am Unterschenkel muss vor einer größeren (Major-)Amputation ein zweiter Arzt, der sich mit der Durchblutungsstörung (und ggf. auch mit der Operationstechnik) auskennt, eine Zweitmeinung abgeben.
Das sollte, wenn irgend möglich, in einem Gefäßzentrum geschehen. Dort kann in kurzer Zeit eine Durchblutungsstörung bestätigt oder ausgeschlossen und eine entsprechende Therapie (Katheter, Operation) in die Wege geleitet werden. Dabei müssen Begleiterkrankungen berücksichtigt werden: Häufig sind Patienten mit Diabetes und einer diabetischen Nierenschädigung auch von einem Diabetischen Fußsyndrom betroffen.
Nervenschaden (Neuropathie)
Die Diagnose erfolgt heute meist standardisiert (Dokumentationsbogen mit Wagner-Stadien oder Wagner/Armstrong-Stadien). In diesen Stadien ist berücksichtigt, ob es außer dem Geschwür noch eine Entzündung gibt, ob das Geschwür tief oder oberflächlich ist, ob der Knochen bereits betroffen ist und ob zusätzlich eine Durchblutungsstörung vorliegt.
Vorbeugung heißt das Zauberwort! Und dazu gehört die tägliche Inspektion der Füße. Das können Sie selbst machen – oder Sie bitten jemanden darum. Wer raucht, sollte sofort aufhören: Durchblutungsstörungen, für die Raucher ein hohes Risiko haben, können das Abheilen von Wunden hinauszögern, verschlechtern oder manchmal unmöglich machen – gerade, wenn außerdem die Nerven geschädigt sind.
Auch ist es wichtig, Begleiterkrankungen rechtzeitig zu behandeln. Und: Die Unterscheidung zwischen einem Nervenschaden und einer Durchblutungsstörung ist unumgänglich. Dass verschiedene Fachdisziplinen und ambulante und stationäre Versorgung zusammenarbeiten, ist unbedingt sinnvoll: Jede Amputation, die vermieden werden kann, ist es wert!
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Erschienen in: Diabetes-Journal, 2017; 66 (5) Seite 32-34
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