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Im Januar 1922 wurde das erste Kind mit Typ-1-Diabetes mit Insulin behandelt – so konnte es überleben. Das war der Startschuss für die Insulintherapie, die sich in den vergangenen 100 Jahren entwickelt hat bis zu den Therapieformen, die heute bekannt sind. In einer Pressekonferenz von Deutscher Diabetes Gesellschaft (DDG) und diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe, moderiert von Anne-Katrin Döbler, blickten Ärzte und eine Patientin mit langjährigem Typ-1-Diabetes zurück.
Neun Monate sind keine lange Zeit – aber das war bis vor 100 Jahren die durchschnittliche Lebenserwartung, wenn ein Typ-1-Diabetes auftrat. „Wenn wir bedenken, dass bis zu diesem Zeitpunkt die Diagnose eines Typ-1-Diabetes gleichbedeutend mit dem sicheren Tod war, dann kann man ermessen, welche Zäsur die Entdeckung und Etablierung der Insulintherapie in der Medizingeschichte darstellt!“ So beschrieb Prof. Dr. Andreas Neu (im obigen Bild rechts), Präsident der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) in einer virtuellen Pressekonferenz im Januar die Bedeutung, die die erste Behandlung mit Insulin hatte. Diese erfolgte am 23. Januar 1922 in Toronto, sechs weitere Patienten folgten schnell.
Sehr schnell begann dann auch die industrielle Produktion von Insulin in den USA und in Europa, berichtete Neu. „Bemerkenswert ist die Tatsache, dass die ersten Unternehmen, die nach der Entdeckung des Insulins die industrielle Herstellung übernommen haben, auch heute noch die weltweit größten Insulin-Hersteller sind.“
Die Entwicklungen der Insulin- und der Diabetestherapie ermöglichen es heute, „eine auf jeden Patienten abgestimmte Behandlungs-Strategie umzusetzen und den Alltag der Heranwachsenden mit Diabetes so zu gestalten, dass er altersgerecht ist und ein Leben erlaubt, wie es Gleichaltrige ohne Diabetes führen“, betonte der Tübinger Kinder- und Jugendmediziner.
Fragt man Menschen mit Diabetes, wie zufrieden sie mit ihrer Insulintherapie sind, zeigt sich ein hoher Grad an Zufriedenheit. Die Organisation diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe hatte zusammen mit dem Forschungsinstitut Diabetes-Akademie Mergentheim (FIDAM) zum 100. Jubiläum der Insulin-Entdeckung Ende 2021 eine Online-Befragung durchgeführt, an der 1.338 Menschen teilnahmen. Je flexibler die Therapie war, desto zufriedener zeigten sich die Befragten, wie Dr. Jens Kröger (im obigen Bild in der Mitte), Vorstandsvorsitzender von diabetesDE, berichtete. Allerdings waren die Unterschiede zwischen den Therapieformen gering. „Das Wohlbefinden, das ist ein ganz wichtiger Punkt!“, sagte Kröger.
Was sich Menschen mit Diabetes in Zukunft von einem Insulin wünschen, wurde ebenfalls erfragt. An erster Stelle stand mit fast 90 Prozent der Wunsch nach globaler Verfügbarkeit von Insulin, denn noch immer gibt es viele Menschen, die einen begrenzten oder keinen Zugang zu diesem Hormon als Medikament haben. Dicht gefolgt war dieser Wunsch von einem Insulin, das nicht zu Unterzuckerungen führen kann oder das abhängig vom aktuellen Glukosewert wirkt. Interessant fand Kröger, dass den Wunsch, Insulin in Tablettenform zu bekommen, nur etwa 50 Prozent der Umfrage-Teilnehmenden äußerten.
Prof. Dr. Andreas Fritsche (2. v. r. im obigen Bild), der in Tübingen Erwachsene mit Diabetes betreut, betonte in der Pressekonferenz: „Man kann nicht von einer Insulintherapie sprechen“, weil es unterschiedliche Therapieformen gibt. Ein ganz entscheidender Unterschied ist, wie er sagte, dass Menschen mit Typ-1-Diabetes insulinpflichtig sind, Menschen mit Typ-2-Diabetes hingegen nicht. Menschen mit Typ-2-Diabetes gab es nach dem Zweiten Weltkrieg selten, das Krankheitsbild war eher unbekannt.
So kam es, dass in dieser ersten Zeit Ärztinnen und Ärzte der Meinung waren, dass die Insulintherapie für Menschen mit Typ-1-Diabetes genauso passen würde für Menschen mit Typ-2-Diabetes – wenn bei ihnen eine Insulintherapie nötig wurde. Erst später entwickelten sich die heute bei Typ-2-Diabetes eher üblichen Therapien, z. B. die reine Basalinsulin-Gabe. Für ganz wichtig hält Fritsche: „Wir brauchen weiter informierte Patienten und auch Ärzte und Pflegekräfte!“
Wie es war, wenn man vor mehr als 60 Jahren die Diagnose Typ-1-Diabetes erhielt, berichtete Michaela Berger (im obigen Bild links). Sie war damals, im Jahr 1959, 6 Jahre alt. Kurz nach der Diagnose wurde in ihrem Fall überprüft, ob ein „von Insulin abhängiges Kind überhaupt im Kreis der Familie aufwachsen durfte …“ Sie durfte – musste aber jedes Jahr ins Kinderheim in Garz auf Rügen, wo Kinder mit Typ-1-Diabetes betreut und „streng reglementiert“ wurden. „Ich lernte, sehr diszipliniert zu sein und auf Regeln zu achten.“
Autorin:
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Erschienen in: Diabetes-Journal, 2022; 71 (3) Seite 12-13
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