Lymphsystem: Drainage des Körpers

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Lymphsystem: Drainage des Körpers

Rund 5 Liter Gewebeflüssigkeit fallen beim Menschen pro Tag an. 2 Liter davon werden zurück ins Venensystem transportiert. Das Lymphsystem ist dafür verantwortlich – eine Art Drainagesystem des menschlichen Körpers.

Das Fallbeispiel

Ein 25-jähriger Mann bemerkte, dass sein rechter Fußrücken seit einigen Tagen immer mehr anschwoll und zunehmend nicht mehr in seinen Schuh passte. Schmerzen hatte er nicht. Nachdem einige Tage später auch die Knöchelregion und zunehmend auch der Unterschenkel geschwollen waren, begann er, sich Sorgen zu machen, und vereinbarte einen Termin beim Hausarzt. Die Schwellungen waren zunächst weich und bildeten sich über Nacht fast vollständig zurück.

Zunehmend waren sie jedoch nicht mehr eindrückbar und gingen in der Nacht auch nicht mehr vollständig zurück.Als er beim Arzt 3 Wochen später ankam, hatte er einen massiv geschwollenen Unterschenkel und einen massiv geschwollenen Fuß, der in keinen Schuh mehr passte. Er erinnerte sich, dass er vor 3 bis 4 Wochen zeitweise Fieber hatte – und lokal am Fuß und zwischen den Zehen eine Rötung mit Juckreiz! Der Arzt stellte ein massives, nicht eindrückbares Ödem am Unterschenkel fest sowie eine umschriebene Rötung mit Überwärmung am Vorfuß, zusätzlich weißliche Haut zwischen den Zehen.

Im vorliegenden Fall hatte sich im Rahmen eines Fußpilzes ein Ödem durch Befall der örtlichen Lymphgefäße gebildet – wohl ausgehend von einer Infektion der Haut zwischen den Zehen und des Vorfußes. Durch eine Antibiotika- und Fußpilztherapie über 2 bis 3 Wochen konnte die akute Entzündung zum Abklingen gebracht werden. Danach konnte mittels einer Lymphdrainage eine Entstauungsbehandlung durchgeführt werden – dauerhaft!

Das Lymphsystem des Menschen ist eine Art Drainagesystem; es führt Flüssigkeiten wie Wasser sowie feste Bestandteile wie Fette, Eiweiße und Zellbestandteile von peripher (also von den Beinen und Armen her) nach zentral wieder in das Venensystem. Es liegt zwischen Arterien und Venen im Gewebezwischenraum (Interstitium) und beginnt quasi blind (offen) mit einzelnen Lymphgefäßen, die sich schließlich zu immer größeren Gefäßen zusammenschließen und schließlich in die Venen des Schlüsselbeines fließen.

Die Lymphe fließt vorbei an regionalen Lymphknoten, wo die Strömung abgebremst wird und wo Zelltrümmer oder auch z. B. Bakterien durch Immunzellen unschädlich gemacht werden; der Fluss ist wie im Venensystem durch Klappen in eine Richtung gerichtet (von peripher nach zentral). Lymphgefäße besitzen auch Muskulatur, wodurch die sehr langsame Strömung pulsschlagartig abläuft.

Staut sichGewebsflüssigkeit auf, können Ödeme entstehen

Von den 4 bis 10 Litern Gewebeflüssigkeit, die pro Tag anfallen, werden etwa 2 Liter täglich zurück ins Venensystem transportiert. Staut sich diese eiweißreiche Flüssigkeit auf, kann es zu Umbauprozessen kommen – wie Verhärtungen, aber auch schließlich zu einer Behinderung des Abflusses: zu einem Ödem, das mitunter auch ein monströses Ödem sein kann.

In Deutschland haben geschätzt 100.000 Menschen ein Lymphödem. Die meisten davon sind Frauen, was wohl mit den entsprechenden Hormonveränderungen z. B. in einer Schwangerschaft/bei Regelblutungen etc. zusammenhängt. Die Ursache können vererbte Anlagen sein, die zu einem nicht optimal ausgebildeten Lymphsystem geführt haben (Hypoplasie), es kann auch komplett nicht angelegt sein (Aplasie). Meist tritt ein Lymphödem jedoch nach Verletzungen (auch Operationen) oder Entzündungen auf, was den örtlichen Aufstau verursacht.

Das Lymphödem muss von anderen Ödemen abgegrenzt werden, da es eine völlig andere Behandlung als z. B. ein Ödem durch eine Herzschwäche erfordert.

Die Diagnose des Lymphödems

Die Diagnose wird meist durch Inspektion der betreffenden Gliedmaßen und durch Druck auf das Ödem gestellt. Im Zweifel können weiterführende Untersuchungen (Ultraschall, Röntgen mit Kontrastmittel) etc. erforderlich sein.

Zeichen des Lymphödems
  • “Stemmersches Zeichen”: eine Hautfalte über den Zehen lässt sich nicht oder kaum abheben
  • Schwellung nicht schmerzhaft
  • asymmetrisch, z. B. nur ein Bein oder ein Arm betroffen

Therapie des Lymphödems

Da es sich um eine chronische, oftmals fortschreitende Erkrankung handelt, sollte so früh wie möglich und konsequent und dauerhaft behandelt werden. Um die Ödeme zu reduzieren, ist eine komplexe physikalische Entstauungstherapie (KPE) erforderlich. Die KPE besteht aus zwei Phasen:

  1. Die zurückgestaute eiweißreiche Ödem-Flüssigkeit (Lymphe) wird mobilisiert.
  2. Dieses Ergebnis soll gehalten werden und ggf. bereits vorhandene Bindegewebsvermehrungen und Fibrosen sollen reduziert werden (Erhaltung und Optimierung des Ergebnisses).

Die Phasen der KPE sind also Entstauung (Phase 1) und Konservierung und Optimierung des Befundes (Phase 2).

Die Mischformen

Das Lymphödem kommt nicht selten gemeinsam mit einem Lipödem vor (Lipo-Lymphödem) oder auch im Rahmen einer Krampfader-Venenerkrankung als Phlebo-Lymphödem. Das Lipödem ist eine angeborene Fettverteilungsstörung an Beinen und Armen – es tritt fast nur bei Frauen auf. Kennzeichen dieser chronischen Erkrankung ist das vermehrte und geschwollene Unterhautfettgewebe an Armen und Beinen. Fuß- und Handrücken bleiben verschont!

Häufig lokalisiert ist es an Oberschenkeln (Seite) und im Hüftbereich (Seite), seltener an den Armen (fast immer Oberarm/Rückseite). Meist tritt es “muffartig” abgesetzt gegenüber dem normalen restlichen Bein auf (“Türkenhosenphänomen”). Es kann aber auch “säulenartig” das ganze Bein betreffen.

Ursache des Lipödems

Ein Zusammenhang mit hormonellen Faktoren wird vermutet (da fast nur bei Frauen!) – eine eigentliche Ursache ist bis heute nicht bekannt. Es tritt häufig erst nach der Pubertät auf und häufig auch nach einer Schwangerschaft. Grundsätzlich kann es aber auch erst in späteren Lebensphasen auftreten – gehäuft im Alter von 30 bis 40 Jahren. Da es auch familiär gehäuft auftritt, ist eine genetische Komponente wahrscheinlich.

Selten kommt es auch bei Männern vor – jedoch nur, wenn ausgeprägte hormonelle Störungen vorliegen (z. B. nicht oder unzureichend ausgebildete Hoden, schwere Leberschäden, z. B. Leberzirrhose durch Alkohol, Hormontherapie im Rahmen einer Tumorerkrankung z. B. nach Prostata-Karzinom).

Es ist bisher nicht ganz klar, wie diese umschriebene Vermehrung des Unterhautfettgewebes eigentlich zustandekommt. Zusätzlich zur Fettgewebsvermehrung sind die Wände der Blutgefäße geschädigt (“Permeabilitätsstörung”), wodurch vermehrt Flüssigkeit ins Zwischengewebe gelangt. Durch diese “Empfindlichkeit der Gefäßwände” kommt wohl auch die Neigung zu Blutergüssen nach bereits leichten Stößen zustande.

Die Dauerbelastung der Lymphgefäße führt zu einer Überbelastung und zu Stau und damit zu Veränderungen der Gefäßwände. Wenn sich die unter der Haut liegenden Fettansammlungen mit einem Ödem durch Druckgefühle äußern, sind oft schon Jahre der Entstehung vorausgegangen – es kann sich aber auch innerhalb nur weniger Jahre stark verschlimmern.

Neben den Fettablagerungen kommt es häufig im Laufe eines Tages zusätzlich zu Ödemen aus Wasser im Bereich der Unterschenkel und Knöchel, die sich durch Spannungsschmerz bemerkbar machen.

Lipödem oder Lipohypertrophie?

Viele Diabetiker wissen: Wer lange Insulin in immer den gleichen Bereich spritzt, kann dort harmlose Fettansammlungen bekommen: Das nennt man Lipohypertrophie. Der Blutzucker schwankt dann manchmal unerklärlich, weil an diesen Stellen Insulin ungleichmäßig aufgenommen wird. In einem solchen Fall gilt, wie im Allgemeinen: Spritzstellen und Kanülen regelmäßig wechseln. Das Lipödem muss hiervon abgegrenzt werden – allerdings kann es sich auch daraus entwickeln.

Die Therapie des Lipödems

Die komplexe physikalische Entstauungstherapie wie beim Lymphödem steht ganz im Vordergrund. Aber: Eine Reduktion des krankhaft vermehrten Fettgewebes ist durch die KPE nicht möglich.

Die Fettabsaugung (Liposuktion) ist in begründeten Fällen mit massiver lokaler Fettansammlung nicht nur aus kosmetischen Gründen angezeigt. Diese sollte aber nur (!) von Fachärzten mit der Zusatzbezeichnung “Arzt/Ärztin für plastische Chirurgie” mit stumpfen Kanülen (oft in Lokalanästhesie möglich) vorgenommen werden – und nicht vom “Schönheits-Chirurgen”: Diese Bezeichnung ist nicht geschützt.

Die Liposuktion in örtlicher Betäubung wird in der Regel in Form der wet technique mit stumpfen vibrierenden Sonden durchgeführt. Durch die oft großen Mengen von Fett an einer Stelle werden oft auch relativ große Mengen in einer Sitzung abgesaugt: rund 6 bis 8 Liter. Dies kann zu Kreislaufstörungen führen.

Die Fettzellen, die abgesaugt wurden, sind weg. Das verbliebene Fettgewebe kann innerhalb von Jahren wieder zunehmen – nicht aber die Anzahl der Fettzellen. Leider bleiben nach Absaugen großer Mengen an Fett manchmal Dellen zurück oder es sind überschüssige Hautlappen vorhanden. Bei manchen folgt dann eine Schönheits-Operation oder eine Straffungs-Operation.

Oft gute Ergebnisse nach plastischen Operationen

Manchmal können auch mehrere Sitzungen erforderlich sein – auch ist es nicht selten schmerzhaft. Die Ergebnisse sind jedoch häufig für die betroffenen Patienten erstaunlich gut, sowohl ästhetisch als auch in Bezug auf die Stauungsschmerzen! Leider werden die Kosten von den Krankenkassen nicht regelhaft übernommen. Lipolyse-Spritzen, also das Spritzen von Substanzen, die das Fettgewebe auflösen,können ebenfalls im Einzelfall angezeigt sein.

Bedenken sollte man: Auch wenn das meiste Fett zunächst weg ist, handelt es sich um eine chronische Erkrankung – die restlichen Fettzellen führen meist nach Jahren erneut zu einer lokalen Fettvermehrung.


von Dr. med. Gerhard-W. Schmeisl
Internist, Angiologie, Diabetologie, Sozialmedizin; Chefarzt Deegenbergklinik, Chefarzt Diabetologie Klinik Saale

Kontakt:
Deegenbergklinik, Burgstraße 2, 97688 Bad Kissingen, Tel.: 09 71 / 8 21-0, E-Mail: schmeisl@deegenberg.de

Diabetologie Klinik Saale, Pfaffstraße 10, 97688 Bad Kissingen, Tel.: 09 71 / 85-01

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2014; 63 (11) Seite 34-37

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  • tako111 postete ein Update vor 17 Stunden, 54 Minuten

    Fussschmerzen lassen leider keine Aktivitäten zu!

  • Hallo guten Abend ☺️

    Ich heiße Nina, bin 33j jung und Mama von drei zauberhaften Mädels.
    Und vor kurzem bekam ich die Diagnose Diabetes Typ 3c. Nach 5 Jahren – 11 Bauchspeicheldrüsen Entzündungen und schwangerschaftsdiabetes 2024, hat meine Drüse nun fast aufgegeben.. Ich bin irgendwie froh diese Schmerzen nicht mehr zu haben, aber merke wie schwer der Alltag wird. denn hinzukommt noch dass ich alleinerziehend bin.
    Aktuell komme ich überhaupt nicht klar mit der ganzen Situation, täglich habe ich hunderte Fragen die niemand beantworten kann. Dass ist mehr als verrückt.
    Wie habt ihr euch gefühlt in dem Moment als es diagnostiziert wurde?

    Ich freue mich sehr auf einen netten Austausch und eure Erfahrung.

    Liebe Grüße, schönen Abend
    Nina 🙂

    • Willkommen Nina, …
      da hast du ja sich schon einiges hinter Dir. Wie schaut es bei Dir mit Mutterkindkur aus, auch in hinblick einer Diabetesschulung. Hast du guten Diabetologen, Teilnahme DMP, Spritzt du selber oder Pumpe, auch hier gibt es viele Fragen. Wie sieht es mit Selbsthilfegruppen bei Euch aus. …
      Oder Forum? Gerade am Anfang, wo noch alles neu ist, – ist es schon eine tägliche Herausforderung, – da kann es hilfreich sein kleine Ziele sich zu setzen. Dabei finde ich die Aktzeptanz am wichtigsten, oder auch sich selber spritzen zu müssen, oder das Weg
      lassen bzw. bändigen des Naschen … etc. Kleine Schritte …

      Viele Fragen bekommst du auch in eine Diabetes-Schulung beantwortet,
      falls noch nicht gemacht, spreche das bei Deinem Diabetologen an!

      Über weiteren Austausch bin ich auch erfreut, schildere ruhig deine Bausstellen, … doch letztendlich sollte Dein Arzt das beurteilen.

      LG

      Wolfgang

  • swalt postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Dia-Newbies vor 2 Tagen, 1 Stunde

    Hallo zusammen. Ich möchte mich erst einmal vorstellen. Ich bin “noch” 59 Jahre, und habe wahrscheinlich seit 2019 Diabetes. Ich würde mir wünschen, endlich angekommen zu sein. Wahrscheinlich seit 2019, weil ich in einem Arztbrief an meinen damaligen Hausarzt zufällig auf den Satz: “Diabetes bereits diagnostiziert” gestoßen bin. Ich habe meinen Hausarzt dann darauf angesprochen und wurde mit “ist nicht schlimm” beschwichtigt.
    Lange Rede. Ich habe einen neuen Hausarzt und einen sehr netten Diabetologen, bei dem ich jetzt seit 4 Jahren in Behandlung bin. Ich vertrage die orale Therapie nicht und spritze ICT. Dennoch bin ich in diesem Thema immer noch absoluter Neuling. Natürlich habe ich viermal im Jahr ein Gespräch mit meinem Diabetologen. Das hilft aber im täglichen Umgang nicht wirklich. Auch die anfangs verordnete Schulung war doch sehr oberflächlich und das war es. Ich kenne nicht die Möglichkeiten, die mir zustehen. Ich habe mir alles, was ich zu wissen glaube aus Büchern angelesen. Irgendwie fühle ich mich allein gelassen, irgendwie durchgerutscht. Ich kenne niemanden in meinem Bekanntenkreis, der Diabetes hat und die nächste Selbsthilfegruppe ist über 50 km entfernt.
    Und so bin ich jetzt hier gelandet. Ich möchte wissen, wie ihr das handhabt, damit ich verstehe, was ich richtig mache und was falsch. Damit ich weiß, dass ich nicht allein damit lebe.

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