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Den HbA1c-Zielwert muss man laut Petry individuell festlegen: Man kann ihn z. B. niedriger ansetzen, wenn der Diabetes erst kurz besteht, der Patient hochmotiviert ist, kaum Hypoglykämierisiko besteht und der Betroffene sozial kompetent ist.
„Uns Ärzte treiben Individualfaktoren um – wie das Diabetesstadium, Begleiterkrankungen, Psyche und Motivation der Patienten, soziale Faktoren …“, so Petry. „Lieber sterbe ich, als dass ich mich pikse …“, auch das sind Wahrheiten aus der Praxis, die sich auf die Therapie auswirken. Die Individualität in der Versorgung zeigt sich laut Petry im modernen personalisierten Diabetes-Management.
Für seine Patienten vergibt er heutzutage Blitztermine am selben Tag; der Patient kommt direkt in die Praxis, legt sein Blutzuckermessgerät auf den Tisch und los geht es: Daten werden ausgelesen, das Problem kurz besprochen. „Die Blitztermine führen zu einer ganz anderen Art der Arzt-Patienten-Kommunikation“, so Petry. Vorteil computergestützter Auswertungen: Sie führen laut Petry sehr schnell zur Erfassung des Problems.
Personalisierte Medizin, eine neue Art des Kommunizierens – aber Patienten unter sich: darüber sprach Bastian Hauck (36); er ist Gründer und Moderator der Deutschen Diabetes Online Community (www.dedoc.de) mit einigen hundert Mitgliedern. „Wie viel Zeit am Tag verbringt ihr mit eurem Diabetes?“, lautete eine der Dedoc-Umfragen.
Hauck: „Heraus kam: 1 Stunde aktiv und 24 Stunden passiv. Wohin soll sich jemand mit seinen Problemen wenden angesichts seltener, oft wenig intensiver Arzttermine? Hier bedarf es anderer Kanäle.“
Dedoc ist vor gut 1 Jahr gestartet: „Keiner von uns war je in einer Selbsthilfegruppe. Viele kennen keine anderen Typ-1-Diabetiker persönlich, wollen dies auch nicht.“ Viele, so Hauck, reden mit niemandem über ihren Diabetes – außer vielleicht mit dem Partner, den Eltern. „Selbsthilfe? Ich bin seit 16 Jahren Diabetiker und war kein einziges Mal in einer Selbsthilfegruppe.“
Allein das Wort: Viele der 20- bis 40-jährigen Typ-1-Diabetiker denken dabei an Kaffeeklatsch, ab 65 aufwärts, Typ-2-Diabetes – „das ist ein Vorurteil, aber damit gehen viele hinein“. Viele Mitglieder seiner Community sind mitten in Familiengründung, haben Kinder, sind freizeitaktiv, arbeiten – da bleibe kaum Zeit. „Also holen wir die Menschen online ab! Denn das Smartphone hat in der Altersklasse so ziemlich jeder in der Tasche.“
Angefangen habe alles mit Online-Foren, später Facebook-Gruppen, die sich dezidiert mit Diabetes befassten. Letzteres finden viele heute „nicht mehr so toll, auch weil dort viel Müll steht“. Dedoc ist anders: Auf einer offenen Plattform (OpenBlog) kann man Einträge anderer lesen oder selbst schreiben. Vor allem: Jeden Mittwoch von 21 bis 22 Uhr gibt es den TweetChat: eine Stunde live Diskussion zu einem Thema, bei dem jeder über Twitter mitdiskutieren kann. Ohne Passwort „und total offen: Alles, was gesagt, gepostet wird, ist öffentlich; dadurch disziplinieren sich die Leute selbst.“
Um 22 Uhr heißt es: Blutzucker-Bingo! Jeder misst seinen Blutzucker, fotografiert den Wert von seinem Messgerät und postet ihn, so dass die Community ihn sehen kann. Wer einem zuvor festgelegten Blutzuckerwert zwischen 80 und 140 mg/dl (4,4 und 7,8 mmol/l) am nächsten kommt, ist Tagessieger.
Es geht bei Dedoc nicht um therapeutische Beratung – es geht um Spaß, Austausch, Motivation: „Die meisten diskutieren mit bei Themen wie Sex, Drogen, Alkohol.“ Die wenigsten bei Diabetes und Alleinsein, Depressionen – „da haben wir aber die meisten stillen Mitleser!“
Womit Hauck und sein Team nicht rechneten: Es entwickeln sich Dedoc-Stammtische! Heute schon zu finden in Hamburg, Berlin, Frankfurt, Stuttgart, Heidelberg, Berlin, demnächst Leipzig. Die Rede ist von Spontan-Verabredungen an x-beliebigen Tagen zum Bier. Das Tolle daran: „Keine Organisation, keine Struktur, die Menschen kommen einfach zusammen.“
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