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Sich aktiv einbringen, Ziele für die Wissenschaft definieren oder mehr über die eigene Erkrankung erfahren – es gibt viele Gründe, um als Mensch mit Diabetes an der Forschung mitzuarbeiten. Zwei Menschen mit Diabetes berichten über ihre Erfahrungen im Beirat des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung.
Wer weiß am besten, was Menschen mit Diabetes wirklich benötigen? Richtig, sie selbst! Beteiligen sich Patientinnen und Patienten an der Forschung, ist das für alle Seiten ein Gewinn. Forschende erfahren aus erster Hand, wo es aktuell noch Defizite gibt. Die Forschung gewinnt an Relevanz und wird greifbarer. Die Patientinnen und Patienten wiederum bekommen mehr Möglichkeiten, ihre Bedürfnisse und Präferenzen einzubringen. Wie gelingt das praktisch?
Zuletzt verabschiedete das Forum Gesundheitsforschung ein Papier. Darin zeigen Fachleute Wege der Patientinnen- und Patienten-Beteiligung an der Gesundheitsforschung auf. Das Forum berät das Bundesministerium für Bildung und Forschung im Bereich der Lebenswissenschaften.
Die Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung (DZG), dazu gehört auch das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung (DZD), formulieren mehrere Empfehlungen: Patientinnen und Patienten sollten, etwa in Form eines Beirats, aktiv in die Forschung eingebunden werden, um die Möglichkeit zu bekommen, eigene Vorschläge und Wünsche einzubringen. Speziell für den Austausch mit jungen Forschenden hat das DZD eigene Veranstaltungs-Formate entwickelt. Nicht zuletzt spielen Betroffene eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, die Forschung in die Breite zu tragen.
Viel Erfahrung mit der Diabetesforschung hat die 39-jährige Karin Seyffarth. Sie weiß seit 22 Jahren, dass sie an Typ-1-Diabetes erkrankt ist. Bei der Krankheit zerstört das körpereigene Immunsystem Insulin-produzierende Zellen der Bauchspeicheldrüse. Seyffarths Töchter, vier und sieben Jahre alt, haben ein erhöhtes Risiko, ebenfalls zu erkranken.
Mit ihrem Typ-1-Diabetes geht Seyffarth ganz offen um. Schon während ihres Studiums nahm sie an zwei Diabetes-Studien teil – und war überrascht, wie unterschiedlich das Wissen anderer Teilnehmender war. Auch die Ärztinnen und Ärzte hatten etliche Fragen an Teilnehmende. “Ich denke, die Forschung wird besser vorankommen, wenn wir Patientinnen und Patienten selbst mithelfen”, ist sich Seyffarth sicher – ein Grund für sie, sich als Patientin in die Forschung einzubringen.
Als Seyffarth Mutter wurde, zögerte sie nicht lange und meldete ihre Kinder zur Früherkennung beim halbjährlichen Diabetes-Screening sowie der Pre-POINTearly-Studie beim Münchner Forschungszentrum Helmholtz Munich, einem Partner im DZD, an. Bei dieser Studie wird Kindern mit familiärem und genetischem Risiko für Typ-1-Diabetes im Alter zwischen sechs Monaten und zwei Jahren täglich eine kleine Menge Insulin-Pulver mit der Nahrung verabreicht, damit sich ihr Immunsystem normalisiert und nicht mehr die Zellen der Bauchspeicheldrüse attackiert. Der Blutzucker verändert sich beim Schlucken von Insulin nicht.
“Ich bin ein proaktiver Mensch”, erzählt Seyffarth. “Ich kann nicht nur rumsitzen und warten. Das Einzige, womit ich meinen Töchtern mit ihrem Diabetes-Risiko helfen kann, ist, die Forschung voranzutreiben.” Sie ist auch Mitglied des Bürger:innen- und Patient:innenbeirats des DZD sowie Patientenvertreterin in der im Jahr 2020 gegründeten Arbeitsgruppe “Patient:innenbeteiligung” der Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung (DZG).
Viel Erfahrung mit seiner Erkrankung hat auch der 69-jährige Hansgünter Bischoff. Seit 18 Jahren weiß er von seinem Typ-2-Diabetes. Ihm ist wichtig, sich zu engagieren, seine Erfahrung als Patient weiterzugeben. “Teilweise ist Diabetes immer noch ein Tabuthema”, so Bischoff. Deshalb engagiert er sich seit acht Jahren in der Deutschen Diabetes-Hilfe – Menschen mit Diabetes, Landesverband Nordrhein-Westfalen. “Ich hatte erfahren, dass das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung Interessenten sucht, die im neu gegründeten Patient:innenbeirat mitarbeiten”, erzählt Bischoff. “Ich hatte Interesse – und bin jetzt mit dabei.”
Beim ersten Treffen im Juli 2022 konstituierte sich der Bürger:innen- und Patient:innenbeirat und erarbeitete eine Geschäftsordnung. “Außerdem haben Expertinnen und Experten Vorträge zum Thema Diabetes gehalten, denn nicht alle Mitglieder haben Diabetes”, erinnert sich Bischoff. Als Sachthema wurde über eine geplante Diabetes-Präventions-Studie gesprochen. “Wir konnten Input geben, welchen Schwerpunkt die Forschung am DZD hier künftig haben soll, aber auch, was Betroffene davon abhalten könnte, an Studien teilzunehmen”, so Bischoff weiter. Bereichernd findet er auch, dass im Beirat unterschiedliche Menschen aus verschiedenen Regionen aufeinandertreffen.
Doch welche Vorteile bringt der Austausch? “Forschende haben oft einen anderen Blickwinkel als Betroffene”, weiß Bischoff. “Patientinnen und Patienten möchten vor allem ihre Lebensqualität erhalten oder verbessern.” Als Chance und als Aufgabe des Beirats sieht er, beide Perspektiven in Einklang zu bringen. “Und das funktioniert sehr gut”, lautet sein Resümee. “Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fragen viel nach, wir diskutieren verschiedene Sichtweisen.” Und die Beiratsmitglieder profitieren von den Informationen, die sie von den Expertinnen und Experten erhalten. Bischoff: “Der Gewinn an Wissen für beide ist nicht zu unterschätzen.”
Doch der Beirat befasst sich nicht ausschließlich mit wissenschaftlichen Fragestellungen. Im November 2022, bei der zweiten Sitzung, nahmen die Mitglieder das Portal diabinfo.de kritisch unter die Lupe. Es ging um die Auffindbarkeit von Themen, um die Benutzerfreundlichkeit und um die Verständlichkeit der Inhalte. “In den einzelnen Kategorien war unsere Bewertung sehr gut – und ich nutze das Portal selbst für die Arbeit mit einer Selbsthilfegruppe”, berichtet Bischoff. “Anregungen von uns wurden auch für die weitere Arbeit der Redaktion aufgenommen.”
Bleibt als Fazit: Engagierte, gut informierte Patientinnen und Patienten können besser mit ihrer Erkrankung umgehen. Neue Perspektiven, Kritik und die Anregungen von Betroffenen – etwa durch die Arbeit in Beiräten – helfen wiederum Forschenden bei der Entwicklung effektiverer Therapien. Es ist also eine Win-Win-Situation im besten Sinne des Wortes.
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2023; 72 (9) Seite 29-30
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