- Behandlung
Neues Aktionsbündnis zur Versorgung von Patientinnen und Patienten
5 Minuten
In einer älter werdenden Gesellschaft mit erhöhtem Versorgungs- und Betreuungsbedarf muss das Sicherstellen der flächendeckenden, medizinischen, pharmazeutischen und pflegerischen Versorgung für alle Menschen vor Ort oberstes Ziel sein. Wie stark allein der pharmazeutische Versorgungsbedarf in Apotheken zunimmt, zeigen aktuelle Berechnungen des Apothekerverbands Nordrhein.
Das “Aktionsbündnis Patientenversorgung” ist eine Initiative des Apothekerverbands Nordrhein, des Hausärzteverbands Nordrhein und des Landesverbands West des Verbands medizinischer Fachberufe. Das Bündnis setzt sich für eine nachhaltige Sicherstellung und Verbesserung der Versorgung von Patientinnen und Patienten in der ambulanten Versorgung ein.
Aktionsbündnis Patientenversorgung: Konkreter Handlungsbedarf auf den Punkt gebracht
Die Politik muss die nachfolgenden Probleme endlich ernst nehmen und entschieden handeln sowie konsequent gegensteuern:
Stetig sinkende Betreuungszeiten für Patientinnen und Patienten
- Der medizinische, pharmazeutische und pflegerische Standard kann gerade noch eingehalten werden. Apothekerinnen und Apotheker, Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegekräfte arbeiten an der obersten Belastungsgrenze und darüber hinaus. Immer weniger medizinische, pharmazeutische und pflegende Fachkräfte müssen immer mehr Patientinnen und Patienten versorgen und haben dafür immer weniger Zeit zur Verfügung.
Erhöhter Versorgungs- und Personalbedarf
- Steigende Zahlen an Patientinnen und Patienten bedeuten erhöhten Versorgungs- und Personalbedarf. Auslagern von Aufgaben und Zeitarbeit können den Bedarf an medizinisch-pflegerischen Dienstleistungen dauerhaft weder quantitativ noch qualitativ lösen. Was betriebswirtschaftlich teilweise erfolgreich scheint, ist für Mitarbeitende und Patientinnen bzw. Patienten nicht sinnvoll. Worauf es stattdessen entscheidend ankommt, ist die Sicherung von qualifizierten und engagierten medizinischen, pflegerischen und pharmazeutischen Nachwuchskräften. Das geht nur durch politische Stärkung der ambulanten Versorgung. Dazu benötigen gerade in diesen schwierigen Zeiten die dienstleistenden, vorhandenen Akteure endlich Planungssicherheit und uneingeschränkte Unterstützung durch die Politik.
Eklatanter Fachkräftemangel
- Die medizinischen, pharmazeutischen und pflegerischen Berufe leiden nicht nur unter einer eklatanten Mangelsituation. Sie sind offenbar auch immer weniger attraktiv bei der Berufswahl der Jüngeren. Damit der Nachwuchs durch Werbung überzeugt werden kann, ist eine stärkere politische Anerkennung und Honorierung der medizinischen, pharmazeutischen und pflegerischen Berufe unverzichtbar. Diese Forderung muss leider immer wieder neu gestellt werden.
Überbordende Bürokratie
- Die Bürokratie hat in allen Bereichen der medizinischen, pharmazeutischen und pflegerischen Versorgung ein unzumutbares Ausmaß erreicht – dieses bindet Zeit, führt zunehmend zu Schwierigkeiten in den Abstimmungen zwischen den verschiedenen Gesundheitsversorgern und verschlechtert somit die Versorgung der Patientinnen und Patienten.
Digitalisierung muss entlasten und darf nicht belasten
- Digitalisierung darf im Gesundheitswesen kein Selbstzweck sein und muss vor allem auch in die Arbeitsabläufe (“Workflow”) der verantwortlichen Akteure für eine optimale Patientenversorgung passen. Sie ist nur dann sinnvoll, wenn sie auf einem gesicherten Datenschutz-Niveau technisch zuverlässig läuft und einen dienenden Charakter zum Nutzen aller hat und auch für möglichst viele Patientinnen und Patienten gut und barrierefrei nutzbar ist.
Quelle: Gemeinsame Pressemitteilung “Ambulante Gesundheitsversorgung massiv gefährdet: ‚Aktionsbündnis Patientenversorgung‘ gegründet” von Apothekerverband Nordrhein, Hausärzteverband Nordrhein und Landesverband West des Verbands medizinischer Fachberufe vom 28.08.2023
In einem Interview erklärt einer der Initiatoren des “Aktionsbündnisses Patientenversorgung”, Apotheker Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbands Nordrhein (AVNR), was die Beweggründe, Ziele und Forderungen sind.
Im Interview: Thomas Preis
Thomas Preis ist Apotheker in Köln, Vorsitzender des Apothekerverbands Nordrhein (AVNR) und Initiator des „Aktionsbündnisses Patientenversorgung“. Seit Jahren setzt er sich für die Stärkung der wohnortnahen Arzneimittelversorgung und die Bedeutung der Apotheken als unverzichtbare Säule im Gesundheitssystem ein. Mit seinem Engagement wirbt er für faire Rahmenbedingungen, eine hochwertige Patientenbetreuung und eine zukunftssichere Weiterentwicklung des Berufsstands.

Diabetes-Anker (DA): Wie kam es zu dieser Initiative?
Thomas Preis: Wir befinden uns kontinuierlich im Austausch mit den Partnern im Gesundheitswesen, ganz besonders mit den Hausärzten und dem Hausärzteverband in Nordrhein. Zu Beginn des Jahres beim nordrheinischen Hausärztetag, bei dem auch Vertreter der medizinischen Fachberufe dabei waren, haben wir festgestellt, dass wir bei der Identifizierung der drängendsten Herausforderungen in der ambulanten Gesundheitsversorgung eine große Schnittmenge haben. Auf den Punkt gebracht: Wir sind uns einig, dass es in der ambulanten Patientenversorgung so nicht weitergehen kann.
DA: Können Sie kurz zusammenfassen, wo das Bündnis konkreten Handlungsbedarf sieht?
Preis: Angesichts eines eklatanten Fachkräftemangels, überbordender Bürokratie, Unterfinanzierung und mangelnder Stärkung durch die Politik ist die ambulante, regionale und lokale Gesundheitsversorgung massiv gefährdet. Vor diesem Hintergrund sieht das Aktionsbündnis Handlungsbedarf konkret darin, den stetig sinkenden Zeiten für die Patientenbetreuung, dem erhöhten Versorgungs- und Personalbedarf, dem eklatanten Fachkräftemangel und der überbordenden Bürokratie entgegenzutreten. Zudem machen wir uns dafür stark, dass die Digitalisierung im Gesundheitswesen kein Selbstzweck sein darf und die Akteure entlasten muss, statt sie zu belasten. Im Infokasten “Aktionsbündnis Patientenversorgung: Konkreter Handlungsbedarf auf den Punkt gebracht” gibt es dazu weitere Informationen.
DA: An wen wendet sich die Initiative?
Preis: Das Aktionsbündnis wendet sich zum einen an die Politik, die angesichts der dramatischen demografischen Entwicklung jetzt nicht tatenlos zusehen darf. Die Politik muss dringend handeln und Abhilfe schaffen. Wir wollen aber auch die Bürgerinnen und Bürger beziehungsweise Patientinnen und Patienten mit ins Boot nehmen. Sie sollen wissen, dass wir uns in Bezug auf eine gute Versorgung in der Zukunft große Sorgen machen. Es besteht die große Gefahr, dass die Versorgungsprobleme für jeden Einzelnen spürbar werden, weil wir mit immer weniger Menschen immer mehr Aufgaben stemmen müssen.
Fakten zum steigenden Versorgungsbedarf in Apotheken
Eine weiter abnehmende Anzahl an Apotheken muss angesichts eines kontinuierlich steigenden Versorgungsbedarfs zunehmend mehr leisten. Die Zahl der in den Apotheken Mitarbeitenden sinkt seit dem Jahr 2020.
Der Fachkräftemangel führt zur verstärkten Mehrbelastung der verbleibenden Apotheken, allein schon durch die Übernahme der gesetzlich vorgeschriebenen Notdienste. Aber auch im Alltag müssen immer weniger Apotheken immer mehr Menschen versorgen.
Immer weniger Apotheken versorgen immer mehr alte und sehr alte Menschen
Betrachtet man den Jahreszeitraum von 2017 bis 2021, hat sich die Zahl der Apotheken um 6,5 Prozent verringert. Gleichzeitig wird die Arbeit in den Apotheken immer anspruchsvoller, da die zu versorgenden Patientinnen und Patienten sowie Kundinnen und Kunden immer älter werden. So stieg die Zahl der Menschen aller Altersschichten, die eine Apotheke statistisch versorgt, von 2017 bis 2021 um 7,6 Prozent. Im gleichen Fünf-Jahres-Zeitraum stieg die Zahl der zu versorgenden über 60-Jährigen um 13,8 Prozent und die der über 80-Jährigen sogar um 30,2 Prozent pro Apotheke.
Versorgungsbedarf bei über 70-Jährigen steigt extrem
Dieser Trend ist weiter anhaltend und wird nach Berechnungen des Apothekerverbands Nordrhein bis zum Jahr 2045 zu einem Anstieg bei den Arzneimittelabgaben, pharmazeutischen Beratungen und Dienstleistungen von gut 30 Prozent führen. Allein bei den über 70-Jährigen, die besonders intensive Beratung benötigen, führt dies zu einem Anstieg von über 70 Prozent.Aufgrund der demografischen Entwicklung kann man aber davon ausgehen, dass den Apotheken auch in Zukunft für die große Herausforderung der stark alternden Bevölkerung nicht signifikant mehr Personal zur Verfügung stehen wird. Von 2017 bis 2021 ist die Zahl der Mitarbeitenden in den Apotheken lediglich um 1,6 Prozent gestiegen, da die Zahl der Mitarbeitenden seit dem Jahr 2020 wieder rückläufig ist. Deshalb sieht der AVNR dringenden politischen Handlungsbedarf, die Apotheken zu stärken, von nicht pharmazeutischen Aufgaben zu entlasten und beim Finden und Binden von Personal zu unterstützen.
DA: Worauf kommt es jetzt an?
Preis: Es ist wichtig, dass bei den Fragen des konkreten Handlungsbedarfs nicht nur Einigkeit herrscht, sondern dass Ärzte, Apotheker, Pflegekräfte und andere Fachberufe jetzt an einem Strang ziehen, und zwar am selben Ende. Gemeinsame Protest-Aktionen sollen jetzt im Fokus stehen. Es geht nicht um eine einmalige Sache, sondern den Startschuss für eine Eskalation.
DA: Sie sprachen bereits über Versorgungsprobleme. Hierzu gehören leider immer noch Lieferengpässe von Arzneimitteln. Betroffen waren auch diverse Insuline. Wie schätzen Sie dazu die Lage ein?
Preis: Trotz der immer noch dramatischen Lieferengpässe ist das Ziel der Apotheken vor Ort weiterhin, niemanden unversorgt zu lassen. Dazu leisten Apotheken-Teams einen hohen, nicht angemessen vergüteten Mehraufwand, der in normalen Zeiten, wenn alle Medikamente verfügbar wären, gar nicht nötig wäre. Apothekerinnen und Apotheker müssen jetzt mit ihrem Fachwissen diese schwierige Lage meistern und die Versorgung unter diesen schwierigen Rahmenbedingungen weiter sicherstellen, damit aus Lieferengpässen auch bei Insulinen keine Versorgungsengpässe für Patientinnen und Patienten entstehen. Das zur ärztlichen Therapie ergänzende heilberufliche Engagement von Apothekerinnen und Apothekern für eine gute Arzneimittel- und Gesundheitsversorgung der aktuell schon über 10 Millionen Diabetes-Patienten in Deutschland bleibt ein zentraler Versorgungsschwerpunkt.
Schwerpunkt: „Forschung – besser leben mit Diabetes“
Interview: Redaktion Diabetes-Anker
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2023; 72 (10) Seite 28-30
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gingergirl postete ein Update vor 1 Woche, 1 Tag
Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
Danke schonmal im Voraus -
hexle postete ein Update vor 1 Woche, 3 Tagen
Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.
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lena-schmidt antwortete vor 5 Tagen, 2 Stunden
@stephanie-haack hast du vielleicht ein paar gutes Tipps?
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Hallo,
Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*
LG Sndra
Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG