Diabetes-Subtypen: Weg zur Präzisionsmedizin?

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Diabetes-Subtypen: Weg zur Präzisionsmedizin?

Die Einteilung von Diabetes mellitus in Typ 1, Typ 2, Typ 3 sowie Schwangerschaftsdiabetes beschreibt das Krankheitsbild nur unzureichend. Forschende haben verschiedene Subtypen mit unterschiedlichem Risiko für Folgeerkrankungen entdeckt. Damit könnte es gelingen, Menschen mit Diabetes künftig individueller denn je zu behandeln: ein zentrales Thema am Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD).

Diabetes ist eine Krankheit, die recht unterschiedlich verlaufen kann. Manche Menschen mit Diabetes haben nur wenige Beschwerden. Andere hingegen bekommen zusätzlich zur Stoffwechselstörung Probleme mit Augen, Leber, Nieren, Herz und Kreislauf oder entwickeln Taubheits-Gefühle in Füßen und Händen. Dementsprechend benötigt nicht jeder Mensch mit Diabetes die gleiche Behandlung. Während einige gut auf eine Umstellung der Ernährung sowie mehr Bewegung ansprechen, benötigen andere Medikamente und Insulin.

Subgruppen bei Prädiabetes

Auch bei der Vorstufe von Diabetes gilt: Prädiabetes ist nicht gleich Prädiabetes. Das haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung gezeigt. Sie fanden anhand routinemäßig erhobener Daten sechs klar abgrenzbare Cluster, also Gruppen, die sich in dem Entstehen des Diabetes, dem Risiko für Diabetes und der Entwicklung von Folgeerkrankungen teilweise stark unterscheiden.

Subtypen des Diabetes verdeutlichen Komplexität

Die Erkrankung Diabetes ist sehr viel komplexer, als es die klassische Einteilung vermuten lässt. Im Jahr 2018 schlug daher ein schwedisch-finnisches Forschungsteam die Unterscheidung des im Erwachsenenalter auftretenden Diabetes in fünf Subgruppen vor. Diese spiegeln die vielfältigen Ursachen erhöhter Blutzuckerwerte wider und könnten theoretisch eine individuellere Behandlung ermöglichen. Zudem kann dadurch das Risiko für bestimmte Folgeerkrankungen genauer beurteilt werden und ein gezieltes Vorbeugen wird möglich.

Mit der Analyse-Methode aus Schweden untersuchten Forschende des DZD die Daten von 1105 Menschen, die an der Deutschen Diabetes-Studie (German Diabetes Study, GDS) teilnehmen. Dadurch konnten sie verschiedene Subtypen des Diabetes und deren Risiken für Folgeerkrankungen wie Fettleber und Schäden an Augen, Nerven oder Nieren feststellen. Die Deutsche Diabetes-Studie wird an acht Studienzentren in Deutschland durchgeführt und begleitet Menschen mit neu diagnostiziertem Typ-1- oder Typ-2-Diabetes, um die Entwicklung der Krankheit über eine lange Zeit zu beobachten.

Subtypen in der Deutschen Diabetes-Studie

1. milder Adipositas-bedingter Diabetes (mild obesity-related diabetes, MOD):

  • 35 Prozent der Menschen in der Studie hatten diesen Subtyp.
  • Er tritt oft bei übergewichtigen Menschen auf.
  • Der Krankheitsverlauf ist meistens nicht so schwer.

2. milder Alters-bedingter Diabetes (mild age-related diabetes, MARD):

    • 29 Prozent der Menschen in der Studie hatten diesen Subtyp.
    • Er tritt vor allem bei älteren Menschen auf.
    • Auch hier ist der Krankheitsverlauf oft weniger schwer.

    3. schwerer Insulin-defizienter Diabetes (severe insulin-deficient diabetes, SIDD):

      • 3 Prozent der Menschen in der Studie hatten diesen Subtyp.
      • Netzhautschäden und Taubheits-Gefühle an Händen und Füßen können auftreten.

      4. schwerer Insulin-resistenter Diabetes (severe insulin-resistant diabetes, SIRD):

        • 11 Prozent der Menschen in der Studie hatten diesen Subtyp.
        • Es besteht ein höheres Risiko für Nieren- und Lebererkrankungen.

        5. schwerer Autoimmun-Diabetes (severe autoimmune diabetes, SAID):

          • 22 Prozent der Menschen in der Studie hatten diesen Subtyp.
          • Dieser Subtyp entspricht dem klassischen Typ-1-Diabetes.
          • Es treten häufiger Komplikationen mit schwererem Verlauf auf.

          Neue Studie zeigt die Vielfalt des Typ-2-Diabetes

          Nun hat ein Team des DZD einen neuen Algorithmus, also ein neues mathematisches Verfahren, genutzt, um noch besser zu verstehen, wie unterschiedlich Typ-2-Diabetes sein kann. Mit dem neuen Verfahren lässt sich einfach darstellen, wie empfindlich Menschen auf Insulin reagieren, wie viel Insulin sie selbst produzieren, wie ihr Körperfett verteilt ist und ob sie dazu neigen, ständig Entzündungen im Körper zu haben. So lassen sich verschiedene Formen des Typ-2-Diabetes darstellen, wie die Abbildung auf der Seite rechts oben anhand von drei Personen zeigt. Dafür werden nur Messwerte benötigt, die routinemäßig beim Arzt erhoben werden können.

          Deutsche Diabetes-Studie

          An der Deutschen Diabetes-Studie (GDS) können Menschen mit einem neu festgestellten Diabetes teilnehmen. Ziel der Studie ist, frühzeitig Anzeichen für verschiedene Formen von Diabetes zu finden. Dadurch sollen neue Methoden für Behandlung und Vorsorge entwickelt werden, um Folgeerkrankungen zu verhindern. Auch der Einfluss der Gene auf den Verlauf der Krankheit wird untersucht.Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Studie erhalten kostenlos die Möglichkeit, frühzeitig Anzeichen von Diabetes-bedingten Schäden an Nerven, Blutgefäßen und der Netzhaut der Augen zu erkennen.

          Weitere Informationen finden Sie auf der DZD-Website

          Erkenntnisse lassen sich im Alltag praktisch anwenden

          “Die Ergebnisse der Studie haben das Potenzial, die Art und Weise, wie wir Typ-2-Diabetes verstehen und behandeln, zu verändern”, erläutert Prof. Dr. Robert Wagner. Der DZD-Forscher leitet das Klinische Studienzentrum am Deutschen Diabetes-Zentrum in Düsseldorf und ist stellvertretender Direktor der Klinik für Endokrinologie und Diabetologie an der Universitätsklinik Düsseldorf.

          “Es existiert bereits ein Online-Tool, das hilft, die verschiedenen Typen von Typ-2-Diabetes zu erkennen”, führt Wagner weiter aus. Dieses Tool ist einfach zu benutzen und könnte als Vorlage für genauere Ansätze bei der Therapie dienen. Allerdings müssen klinische Studien noch bestätigen, ob Behandlungen, die mit diesen Werkzeugen der Präzisionsmedizin gesteuert werden, tatsächlich Vorteile bringen.

          Präzise Behandlung in der Zukunft

          In den vergangenen Jahren haben DZD-Forschende viel darüber herausgefunden, wie man Diabetes in verschiedene Gruppen unterteilen kann. Nun wird daran gearbeitet, diese Erkenntnisse weiter zu verbessern, um in Zukunft eine präzisere Behandlung zu ermöglichen. Durch die Einteilung in Untergruppen sollen neue Ansätze zur Vorbeugung und Behandlung schneller entwickelt werden, um Hochrisikogruppen gezielt zu behandeln.

          Schwerpunkt „Forschung für präzisere Behandlung“


          von Birgit Niesing

          Avatar von birgit-niesing

          Erschienen in: Diabetes-Anker, 2024; 73 (8) Seite 20-21

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          • cesta postete ein Update vor 3 Tagen, 15 Stunden

            Hallo zusammen, ich habe eine Frage an euch. Ich habe seit 4 Jahren Typ 1 LADA und bisher nur mit Basalinsulin ausgekommen. Seit 3 Wochen muss ich nun auch zu jeder Mahlzeit Humalog spritzen. Für die Berechnung wiege ich immer alles ab. Könnt ihr eine App empfehlen, die bei der Berechnung der Kohlenhydrate unterstützt? Oder habt ihr andere Tipps wie man sich daran gewöhnt? Ich wiege bisher alles ab und kann mir gar nicht vorstellen, dass ich mir das zukünftig merken kann bzw. wie ich die Kohlenhydrate schätzen kann. Vielen lieben Dank für eure Hilfe! Liebe Grüße, Christa

            • Hallo cesta, ich habe gute Erfahrungen mit der WETID App gemacht. Hier erhältst du für fast alle Lebensmittel BE – Werte. Man kann auch das Portionsgewicht eingeben und erhält dann die entsprechenden BE’s.
              Die App mit Werbung war bisher kostenlos. App ohne Werbung und im Abo ist besser.

              LG von kw = Kurt mit Diabetes Typ 3c

            • Hallo Christa! Ich verwende die FDDB app. LG Sarah (Lada)

            • cesta antwortete vor 1 Tag

              @kw: Vielen lieben Dank für den Tipp!

            • cesta antwortete vor 1 Tag

              @moira: Vielen lieben Dank für den Tipp!

          • sveastine postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Diabetes und Psyche vor 2 Wochen

            hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid

            • Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike

            • @mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid

            • Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike

            • @mayhe: Hallo Heike, oh da hast du aber auch viel geschafft. Ja ich habe die Kinder mit Diabetes bekommen und meine Kinder sind 26,25,23 und bald 19 🥰….und wie du hoffe bald wieder fit zu sein. Beruflich wechsle ich jetzt vom Kinderhospiz wieder in die Krippe da es dort vorausschaubarer ist als im Schichtdienst. In der Hoffnung der Diabetes lässt sich dort wieder besser einstellen. Eigentlich sollte ich auch die Ernährung wieder umstellen, das weiß ich aber es fällt mir so schwer. Wie ist das da bei dir. Was machen deine Werte ? Viele Grüße Astrid

            • @sveastine: Hallo liebe Astrid, sag mal kann es sein, daß du in den Wechseljahren bist? Ich habe meine schon hinter mir, aber das war zuckertechnisch eine der schwierigsten Zeiten, weil ständig alles durcheinander war. Damals war ich allein 2 x in der Diabetes Klinik Bad Mergentheim zum Anpassen innerhalb von 3-4 Jahren. Die Hormonwirkungen waren der Wahnsinn. Jetzt ist es wieder deutlich ruhiger. Was hast du eigentlich für eine Versorgung? Pen? Pumpe? Insulin? Sensor?
              Ich habe die Tandem tslim mit Sensor und Novorapid. Und das ist für mich der game changer gewesen. Seitdem werden die zuckertechnischen Anstrengungen auch mit guten Werten belohnt. Liebe Grüße Heike

            • @mayhe: Hi, ja ich bin in den Wechsel Jahren schon eine ganze Weile und nehme Hormone. Das ist denke ich ist der Hauptgrund der Schwankungen, aber das geht schon seit ca 3 Jahren so, was doof ist. Ich hab das gleiche System wie du tslim und Dexcom, trotzdem schwierig.aber für Bad Mergentheim lt. Diabetologe zu gut um die Genehmigung dafür zu bekommen 🤷🏻‍♀️

            • @sveastine: Das ist ja witzig, das du dieselbe Versorgung hast. Also bist du da optimal versorgt. Jetzt verstehe ich deinen Frust. Nach den Behandlungen in Bad Mergentheim war es wenigstens eine Weile besser. Warst du schon mal in Reha wegen dem Zucker? Ist zwar nicht Bad Mergentheim, aber manche Rehakliniken machen das wohl echt gut. Du musst “nur” darauf achten, dass sie ein spezielles Angebot für Typ1er haben. Ich war 2019 in der Mediclin Klinik Stauffenberg, Durlach. Das war okay. Am wichtigsten fand ich den Austausch mit den Mitpatienten. Aber natürlich ist der Aufwand für dich bei 4 Kindern für 3 Wochen, sehr hoch. Und eine Garantie dafür das dann länger besser läuft gibt es nicht. Ich fand es aber immer wichtig, den zuckertechnischen Input und die Solidarität zu erfahren. Liebe Grüße Heike

            • @mayhe: Nicht Durlach, sondern Durbach.

          • stephanie-haack postete ein Update vor 2 Wochen

            Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂

            Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/

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