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Außer mit Insulin können Typ-1-Diabetiker nun zusätzlich mit einer oralen Therapie ihren Glukosespiegel stabilisieren. Eine kleine Revolution nennt Diabetes-Journal-Chefredakteur Prof. Thomas Haak dies in der Blickwinkel-Kolumne.
Es ist wie eine kleine Revolution (und wurde natürlich auf dem großen Diabetes Kongress in Berlin heftig diskutiert): Fast 100 Jahre lang galt Insulin als einzige Therapiemöglichkeit bei Typ-1-Diabetes. Es ist ja auch klar: Wenn die Bauchspeicheldrüse nicht mehr in der Lage ist, das lebenswichtige Hormon Insulin herzustellen, muss es ersetzt werden.
Doch seit wenigen Wochen gibt es ganz offiziell ein Medikament in Tablettenform, das für die Behandlung des Typ-1-Diabetes zugelassen ist: Dapagliflozin (Handelsname: Forxiga).
Dapagliflozin gehört zur Gruppe der SGLT-2-Inhibitoren. SGLT 2 ist die Abkürzung für „Sodiumglukosetransporter 2“: Dieses Molekül kommt in der Niere eines jeden Menschen vor und sorgt dafür, dass der Blutzucker nicht über den Urin verlorengeht. Wenn man dieses Molekül blockiert – und genau dies tun die SGLT-2-Hemmer wie Dapagliflozin –, verliert der Mensch etwa 70 g Glukose über die Nieren.
Eingesetzt wird das Medikament schon seit längerer Zeit bei Typ-2-Diabetes. Doch wie kam man auf die Idee, es auch bei Typ-1-Diabetes zu verwenden? Nun, es wird weniger Insulin gebraucht, wenn Glukose über die Nieren ausgeschieden wird. Weniger Insulin bedeutet auch eine geringere Gefahr, zu unterzuckern, denn: Medikamente wie Dapagliflozin weisen eine gewisse Blutzuckerabhängigkeit auf, und deshalb wird etwas mehr Glukose ausgeschieden, wenn auch mehr Glukose im Blut ist.
Studien haben also gezeigt, dass sich mit SGLT-2-Inhibitoren auch bei Typ-1-Diabetes die Blutzuckerverläufe glätten lassen und die Einstellung stabiler wird. Natürlich brauchen die Patienten auch weiterhin Insulin.
Sollte nun etwa die Devise lauten: „Alle Typ-1-Diabetiker nehmen jetzt auch SGLT-2-Inhibitoren.“ Aus meinem Blickwinkel wäre das ein völlig falscher Ansatz. Wer Typ-1-Diabetes hat und mit Insulin eine stabile Einstellung erreicht, benötigt nicht zwangsweise zusätzlich ein Diabetesmedikament in Tablettenform. Zu überlegen wäre dies aber bei denjenigen, deren Einstellung sich mit Insulin nicht stabilisieren lässt.
Dabei müssen die Nebenwirkungen beachtet werden: Da der Urin zuckerhaltig wird, begünstigt dies Infektionen der Harn- und Geschlechtsorgane. Wer zu solchen Infektionen neigt, wäre mit diesem Medikament nicht gut beraten.
Und eine weitere Gefahr darf man nicht aus den Augen verlieren: die Ketoazidose trotz normaler Blutzuckerspiegel. Typ-1-Diabetiker können im Insulinmangel in eine gefährliche Übersäuerung des Blutes (Ketoazidose) gelangen. Typischerweise merken Patienten dies durch ansteigende Zuckerspiegel. Verwendet jedoch ein Patient mit drohender Ketoazidose einen SGLT-2-Inhibitor, so wird die Glukose über den Urin ausgeschieden, und das Warnsymptom „hoher Blutzucker“ fehlt. Die drohende Gefahr könnte also übersehen werden.
Menschen mit Typ-1-Diabetes, die neu Dapagliflozin erhalten, müssen deshalb unbedingt sehr gut geschult werden. Auch sollten sie einen Ausweis bei sich tragen, der auf die Gefahr einer Ketoazidose durch SGLT-2-Inhibitoren hinweist. All dies hat der Hersteller beachtet und Materialien bereitgestellt.
Jetzt liegt es an den Verordnern und Beratern, die richtigen Patienten auszuwählen, sie exzellent über Wirkungen und Nebenwirkungen aufzuklären und den Umgang mit diesen Substanzen zu schulen. Dann könnte die erste Ergänzung einer Insulinbehandlung des Typ-1-Diabetes durch Tabletten eine Bereicherung sein.
von Prof. Dr. med. Thomas Haak
Chefredaktion Diabetes-Journal,
Chefarzt am Diabetes Zentrum Mergentheim,
Theodor-Klotzbücher-Straße 12, 97980 Bad Mergentheim,
E-Mail: haak@diabetes-zentrum.de
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2019; 68 (7) Seite 38
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