- Behandlung
„Ultralangzeit“-Insuline: Wie sinnvoll ist Insulin mit sehr langer Wirkdauer?
2 Minuten
Seit Kurzem gibt es Insuline für die Verabreichung einmal pro Woche. Ein Vorteil ist, dass sich Menschen mit Diabetes dadurch seltener spritzen müssen und damit die Therapietreue und -zufriedenheit gesteigert werden. Aber es gibt auch kritische Aspekte, wie Prof. Dr. Stephan Martin zu berichten weiß.
Die neu entwickelten „Ultralangzeit“-Insuline mit einer nur wöchentlichen Injektion werden aktuell sowohl für die Behandlung von Menschen mit Typ-1- als auch mit Typ-2-Diabetes beworben. Doch wie sinnvoll sind solche Insuline?
14-Stunden-Insulin bald nicht mehr verfügbar
Menschen mit Typ-1-Diabetes, die sich mit einer intensivierten Insulintherapie (ICT) behandeln, passen die Insulindosen an die Mahlzeiten, aber auch an körperliche Aktivitäten an. Zu den Mahlzeiten berechnen die Betroffenen die jeweilige Insulindosis mit Kohlenhydrat-Faktoren und entsprechenden Korrektur-Dosierungen.
Bei sportlichen Aktivitäten, die die Insulin-Empfindlichkeit über viele Stunden verbessern können, müssen die Patientinnen und Patienten die Dosis der entsprechenden lang wirksamen Insuline vermindern. Deshalb verwenden viele dieser Personen gern das Insulin-Analogon Insulin detemir, das eine Wirkdauer von etwa 14 Stunden hat. Insulin detemir wird aber in Kürze nicht mehr verfügbar sein.
Je länger die Wirkung, desto schwieriger das Anpassen
Bei länger wirksamen Insulinen wie den Insulin-Analoga Insulin glargin oder besonders Insulin degludec sind genaue Anpassungen je nach Dauer der außergewöhnlichen Bewegung schwieriger oder kaum möglich. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass in den bisherigen Studien mit Menschen mit Typ-1-Diabetes bei Gabe von Wochen-Insulin vermehrt Unterzuckerungen auftraten.
Bei diesen Wochen-Insulinen müssen die Betroffenen bei sportlichen Aktivitäten unweigerlich zusätzliche Kohlenhydrate zu sich nehmen – mit der Gefahr einer Gewichtszunahme. Übergewicht, auch extremes, bei Typ-1-Diabetes mit der Folge einer Unempfindlichkeit gegenüber Insulin (Insulin-Resistenz) und der Entwicklung eines „Doppel-Diabetes“ wird durch lang wirksame Insuline gefördert. Bei einem Doppel-Diabetes zeigen sich bei einem Menschen gleichzeitig Merkmale eines Typ-1- und eines Typ-2-Diabetes.
Wochen-Insuline bei Typ-1-Diabetes ungeeignet
Die eine Woche lang wirkenden Insuline können nicht an wechselnde körperliche Aktivitäten angepasst werden und in den bisherigen Studien wurden bei Menschen mit Typ-1-Diabetes vermehrt Unterzuckerungen beobachtet. Deshalb sind Wochen-Insuline für Menschen mit Typ-1-Diabetes ungeeignet.
Insulin-Therapie bei Typ-2-Diabetes genau überdenken
Die Insulin-Behandlung des Typ-2-Diabetes ist in aktuellen Leitlinien nur noch vorgesehen, wenn die Stoffwechsel-Situation durch alle anderen medikamentösen Behandlungen mit den Wirkstoffen oder Wirkstoffgruppen Metformin, SGLT-2-Hemmer oder GLP-1- bzw. GLP-1/GIP-Rezeptor-Agonisten nicht ausreichend ist.
Hintergrund dafür ist, dass für eine Insulin-Behandlung bei Typ-2-Diabetes über die Glukose-senkende Wirkung hinaus keine zusätzlichen schützenden Effekte auf andere Organe nachgewiesen werden konnten. Personen mit Typ-2-Diabetes haben meist erhöhte Insulin-Konzentrationen im Blut, sodass es sogar Bedenken gibt, ob eine Insulintherapie möglicherweise das Risiko für Herz- und Kreislauf-Ereignisse zusätzlich erhöht.
Für Insulin glargin wurde jedoch in der Langzeit-Studie ORIGIN nachgewiesen, dass eine Gabe von 28 Einheiten Insulin glargin das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Menschen mit Typ-2-Diabetes nicht erhöht.
Langzeit-Wirkungen nicht untersucht
Mit den neuen Wochen-Insulinen gibt es noch keine Langzeit-Studie, die die Sicherheit dieser Insuline bezüglich der Risiken für Herz und Kreislauf untersucht hat. Hingegen konnte für die Wirkstoff-Gruppe der GLP-1-Rezeptor-Agonisten nachgewiesen werden, dass sie erhebliche schützende Effekte für Herz und Kreislauf hat.
Außerdem ist eine Insulin-Behandlung bei Typ-2-Diabetes, der meist zusammen mit Übergewicht oder Adipositas auftritt, häufig mit einer Gewichtszunahme verbunden. Insofern erscheint auch bei Typ-2-Diabetes der Nutzen der Wochen-Insuline fraglich.
Fazit
Auch wenn Wochen-Insuline den Vorteil des selteneren Spritzens bieten, zeigen sich sowohl bei Typ-1-Diabetes als auch bei Typ-2-Diabetes kritische Aspekte. Abzuwarten bleibt außerdem, was Langzeit-Studien in Bezug auf Effekte auf Herz und Kreislauf ergeben.
von Prof. Dr. med. Stephan Martin
Erschienen in: Diabetes-Anker, 2025; 74 (11) Seite 16-17
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sveastine postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Diabetes und Psyche vor 4 Tagen, 2 Stunden
hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid
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mayhe antwortete vor 4 Tagen, 1 Stunde
Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike
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sveastine antwortete vor 3 Tagen, 7 Stunden
@mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid
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mayhe antwortete vor 3 Tagen, 2 Stunden
Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike
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stephanie-haack postete ein Update vor 5 Tagen
Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂
Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/
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lena-schmidt antwortete vor 4 Tagen, 23 Stunden
Ich bin dabei 🙂
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 2 Wochen, 5 Tagen
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina-
darktear antwortete vor 2 Wochen
Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig
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