- Bewegung
15 Minuten mehr am Tag!
4 Minuten
Dr. Stephan Kress ist Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Diabetes, Sport und Bewegung der Deutschen Diabetes Gesellschaft. Er sagt: “Es ist wichtig festzustellen, dass Bewegung einen Reparaturmechanismus im Körper auslöst, sprich bei vielen Begleiterkrankungen des Diabetes geradezu eine Reparatur einleitet, die man oft mit Medikamenten gar nicht so hinbekommt.” Hier das Interview.
Diabetes-Journal (DJ): Ist mehr Bewegung oder Sport auch möglich nach Schlaganfall oder bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen?
Dr. Stephan Kress: Es ist sogar unbedingt notwendig, denn damit kann man die Durchblutung und die Versorgung mit Nährstoffen in vielen Organen verbessern. Bewegung regeneriert zum Beispiel die Nervenzellen im Gehirn; und man kennt ja den Koronarsport – mit der Idee, nach dem Herzinfarkt das Herz wieder einigermaßen gesund zu bekommen.
DJ: Sie sagen, schon etwas mehr Bewegung im Alltag könne die Gesundheit deutlich steigern: Wie viel ist “etwas mehr”?
Kress: Das Minimale, was man tun muss, ist laut großen Studien 15 Minuten am Tag zusätzlich zur Alltagsbewegung – das sollte jeder Mensch irgendwie in seinem Alltag unterbringen. Je mehr, desto besser: Wir reden auch gern von einer halben Stunde mehr.
DJ: Warum profitieren Menschen eigentlich schon von 2 000 Schritten mehr am Tag?
Kress:Für 2.000 Schritte zusätzlich am Tag wurde in mehreren Studien bewiesen, dass dies den Menschen einen Vorteil bringt fürs Überleben. Letztlich ist es so, dass die Muskulatur in unserem Körper viele Botenstoffe auslöst; die Botenstoffe führen zur Reparatur verschiedener Fehlfunktionen des Körpers. Somit kann eine geringe Bewegung schon helfen, den Körper wieder gesund zu machen.
DJ: Profitieren auch Wiedereinsteiger – z. B. Menschen, die vor 10 Jahren joggen waren …und die jetzt wieder einsteigen wollen?
Kress: Gerade Wiedereinsteiger machen durch erneuten Sport einen großen Schritt nach vorne. Den größten Vorteil hat man von gar keiner bis wenig Bewegung hin zu etwas Bewegung! Der Rat gilt, in jedem Alter und in jeder Situation wieder einzusteigen.
DJ: Kann sportliche Betätigung im höheren Lebensalter Stürze verhindern? Und wie viel Bewegung braucht es dafür?
Kress: Ganz wenig braucht es dafür: Menschen, die sich bewegen, haben einfach eine bessere Koordination, sie können den Tastsinn besser ausüben, sie haben auch die Möglichkeit, mit ihrer Muskulatur Stolpersituationen besser zu überstehen, ohne hinzufallen. Auch der Knochenapparat wird stabiler durch Bewegung. Die Bewegung ist also im Alter für die Stabilität des Knochengerüsts und auch zur Verhinderung von Stürzen wichtig.
DJ: Kann ein Mehr an Bewegung Alzheimer und Demenz hinauszögern oder verhindern?
Kress: Ja, der erwähnte Reparaturmechanismus betrifft auch das Gehirn. Wir wissen, dass es gerade für Menschen, die Angst haben vor Demenz, weil jemand in der Familie es schon früh bekommen hat, das Beste ist, was sie tun können, früh mit Bewegung zu beginnen und damit nicht aufzuhören. Denn die Nervenzellen können sich regenerieren; und Demenz ist ja nichts anderes als eine degenerative Erkrankung. Zur Verhinderung von Demenz ist Bewegung absolut wichtig.
DJ: Wirkt Bewegung auch gegen Krebs?
Kress: Ja, Bewegung bei Krebs entwickelt sich mittlerweile zu einer richtigen Therapiesäule. Angefangen bei jenen Menschen, die jemanden mit Krebs in der Familie haben: Bewegung ist zur Krebsvorsorge geeignet; ebenso bei Beginn einer Tumorbehandlung und sogar im Stadium der Chemotherapie. Überall bietet Bewegung positive Aspekte. Und wenn der Tumor besiegt worden ist, dann kann man durch die Bewegung vielleicht das Rezidiv verhindern oder zurückdrängen. Bei Tumoren sollte man sich also unbedingt bewegen – und zwar mit der richtigen Dosis: Denn ein Zuviel schwächt das Immunsystem, aber eine mittlere Dosis – sprich laufen, ohne zu schnaufen – schafft viele positive Effekte.
DJ: Kann ein übergewichtiger 50-Jähriger einfach mit Joggen beginnen? Oder mit Spazierengehen?
Kress: Übergewichtige sollten immer mit einer sehr geringen Intensität beginnen – auch damit es Spaß macht, damit die Gelenke nicht überlastet werden; nur so finden die Effekte, die man für die Gesundheit braucht, auch statt; das ist bei Spaziergängen oder bei “Laufen ohne Schnaufen” eher gegeben als beim Joggen. Viele Menschen haben das Gefühl, dass dann, wenn sie nur einen Spaziergang machen, es keinen Effekt hat. Aber gerade jener Effekt ist besonders stark. Die Fitness kommt nach und nach, und wenn man dann den Spaß an der Bewegung gefunden hat, kann man auch joggen. Am Anfang würde ich aber nur spazieren gehen.
DJ: Wie kann jemand mit Schmerzen beim Gehen oder mit Schaufensterkrankheit die schmerzfreie Gehstrecke verlängern?
Kress: Wir wissen, dass in gewissen Stadien der Schaufensterkrankheit die Bewegungstherapie als alleinige Therapie empfohlen wird. Einfach gesagt, geht man so lange, bis man gerade noch keine Schmerzen hat … und beendet den Spaziergang dann. Dies führt zu einer Aussprossung neuer Gefäße, ausgelöst durch die Bewegung bzw. durch Wachstumsfaktoren: Neue Gefäße sprossen aus und der Körper heilt sich somit selbst.
DJ: Wirkt sich Bewegung, sprich Spazieren oder gar Wandern, positiv auf eine diabetische Nervenerkrankung aus?
Kress: Auch bei der Nervenerkrankung, sprich der peripheren Neuropathie, haben wir gelernt, dass es Wachstumsfaktoren gibt. Bewegung in niedriger Intensität führt dazu, dass Nerven aussprossen, dass die Neuropathie zurückgedrängt wird. Ein neues Forschungsgebiet beim Diabetischen Fußsyndrom versucht, durch gezielte überwachte Bewegung, die zu keinem Geschwür, also nicht zur Überlastung führt, die Neuropathie zurückzudrängen – und letztlich damit vor der Entstehung eines Fußulkus zu schützen.
DJ: Was sollten Menschen mit Diabetes unbedingt wissen und beherzigen?
Kress: Ganz wichtig ist, zu Beginn der Bewegung nicht zu überlasten. Tragen Sie möglichst breites Schuhwerk mit weicher Bettung – z. B. Turnschuhe mit hoher Qualität. Dann sollte man durch die Bewegung auch mal mit einer Unterzuckerung rechnen und Traubenzucker oder anderes dabeihaben. Und: Bewegung sollte mindestens jeden zweiten Tag durchgeführt werden … am besten jeden Tag.
- Nur nicht sitzen bleiben
- Auf die Plätze
- 15 Minuten mehr am Tag!
Das Interview führte Günter Nuber,
Diabetes-Journal-Chefredakteur, Kirchheim-Verlag,
Kaiserstraße 41, 55116 Mainz,
Tel.: (0 61 31) 9 60 70 0,
Fax: (0 61 31) 9 60 70 90,
E-Mail: redaktion@diabetes-journal.de
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2018; 67 (4) Seite 26-27
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sveastine postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Diabetes und Psyche vor 4 Tagen, 4 Stunden
hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid
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stephanie-haack postete ein Update vor 5 Tagen, 1 Stunde
Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂
Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/
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lena-schmidt antwortete vor 5 Tagen, 1 Stunde
Ich bin dabei 🙂
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 2 Wochen, 6 Tagen
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina-
darktear antwortete vor 2 Wochen
Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig
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Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike
@mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid
Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike