2: 08 Uhr – Ein Diabetes Crash-Kurs

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2: 08 Uhr – Ein Diabetes Crash-Kurs

2:08 Uhr im 12-Bett-Zimmer im HI-Hostel Vancouver Jericho Beach. Alle schlafen und schnarchen vor sich hin. Nur ich nicht. Ich warte. Und wenn ich schon warte, dann kann ich ja auch gleichzeitig einen neuen Blogbeitrag verfassen, bevor ich mir ein unnötiges YouTube-Video nach dem anderen anschaue. Denn was mich wach hält, ist mein Diabetes.

Sind meine Werte zu hoch? Nein. Sind sie zu niedrig? Auch nicht. Warum also wach sein? Ganz einfach, meine Werte sind gerade noch dabei, sich einzupendeln, denn ich habe vor einer Stunde noch etwas gegessen. Eigentlich kann ich dementsprechend noch keine richtige Antwort auf die beiden erst gestellten Fragen liefern, denn ich befinde mich sozusagen noch in der Warteschleife.

Was meint er denn jetzt damit? Ok, ich versuche es mal zu erklären.

Zu jeder Mahlzeit, die Kohlenhydrate enthält, muss ich entweder vor oder nach dem Essen – je nachdem, ob mein Blutzuckerlevel hoch oder niedrig ist – eine gewisse Menge an Insulin verabreichen. Diese Menge ist nie die gleiche, sondern ist abhängig von der Menge der Kohlenhydrate, dem aktuellen Blutzuckerwert, der Tageszeit, der körperlichen Aktivität, ja – sogar dem Wetter; oder besser gesagt, den gerade herrschenden Temperaturen.

Wie ihr euch vielleicht vorstellen könnt, ist es bei so vielen Einflussfaktoren nicht immer einfach, den Überblick zu behalten, und die Insulinspritzerei kann zur echten Herausforderung werden. Besonders nach einem Tag wie heute.

Jaymie und ich haben nämlich unsere spontane 3-tägige Radtour mit Dennis und Louise beendet und damit unsere ersten ca. 110 bis 120 km auf dem Fahrrad zurückgelegt. Super nice! Die Landschaft hier ist der absolute Hammer und das Radfahren tut der Seele gut.

3 Einflussfaktoren

Radfahren. Da wären wir auch schon beim ersten Einflussfaktor, nämlich der Bewegung. Vermehrte körperliche Aktivität führt dazu, dass unsere Zellen insulinsensitiver werden, wodurch unser Körper weniger Insulin als normalerweise benötigt. Soll heißen, dass nach vermehrter körperlicher Aktivität weniger Insulin notwendig ist, um z.B. 40g Kohlenhydrate abzudecken als ohne Bewegung. Nächster Einflussfaktor: das Wetter. Wenn ihr meine Unterarme sehen könntet, würde euch sehr schnell klar werden, dass es in der Gegend um Vancouver wohl sehr heiß gewesen sein muss.

Jap, es war heiß. Und jap, ich hab einen Sonnenbrand. Jap, ich habe Sonnencreme benutzt. Jap, ich weiß, dass ich zu weiß für diesen Planeten bin. Alle Jahre wieder… Auch heiße Sommertage steigern meine Insulinsensitivität und müssen dementsprechend berücksichtigt werden, wenn ich die Insulinmenge für eine Mahlzeit kalkuliere.

Dritter Einflussfaktor, der immer präsent ist und beachtet werden muss: die Tageszeit. In der Regel muss morgens am meisten Insulin gespritzt werden, um die zu sich genommenen Kohlenhydrate zu verstoffwechseln. Gegen Mittag wird am wenigsten und abends ein Mittelwert aus den vorangegangen Tagesabschnitten gespritzt, wobei hier natürlich immer wieder Ausnahmen die Regel bestätigen, denn nicht jeder Körper tickt gleich.

Aus diesem Zirkardian- oder auch Biorhythmus, der jeden Menschen – egal ob gesund oder Diabetiker – betrifft, ergeben sich dementsprechend unterschiedliche Faktoren, mit denen man lernen muss, zu rechnen. Denn nur wenn man diese kennt, ist man auch dazu in der Lage, die richtige Menge an Insulin für den Einflussfaktor schlechthin – die Kohlenhydratmenge – zu berechnen.

Es gibt noch weitere Punkte, die ich aufzählen könnte, aber das würde etwas den Rahmen sprengen. Und um euch mein momentanes Gedankenkarussell näherzubringen, sind die bereits genannten Aspekte absolut ausreichend. Außerdem wird es jetzt auch wieder höchste Zeit, die Kurve zu kriegen und zum Anfang zurückzukehren.

3:32 Uhr – endlich Schlafenszeit

Ich habe also um 1 Uhr noch was gegessen, wie es wohl jeder hungrige Mensch machen würde. Wer geht schon gerne hungrig ins Bett? Für diesen kleinen Mitternachtssnack muss ich nun die vermehrte körperliche Aktivität, die Hitze und die Tageszeit bei der Berechnung meiner Insulinmenge berücksichtigen. Und damit ich über Nacht nicht unterzuckere oder zu hohe Blutzuckerwerte habe, bin ich jetzt noch wach, um ca. eineinhalb bis zwei Stunden nach der Mahlzeit nachzuschauen, wo ich denn gelandet bin. Denn so lange dauert es ungefähr, um zumindest einen Richtwert zu erhalten, ob man halbwegs richtig gespritzt hat.

Jedenfalls gilt dieser Zeitrahmen für die Art Insulin, die ich spritze. Aber wie gesagt: Rahmensprengungsgefahr!!! Zu Hause würde ich mir einfach einen Wecker stellen, aber ich bin – wie gesagt – in einem 12-Bett-Zimmer. Da mach ich das zwar auch manchmal, aber dann doch eher ungern. Etwas nervig beim Reisen, jedoch notwendig. Durch die Schreiberei sind jetzt zum Glück eineinhalb Stunden vergangen und es ist 3:32 Uhr. Mein Blutzucker liegt bei 104 mg/dl und ich bin happy. Aber was eigentlich noch viel “lustiger” ist … ich habe wieder Hunger!!! Was für ein Teufelskreis…

In diesem Sinne, auf eine gute Nacht und stabile Blutzuckerwerte!

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  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

  • gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 3 Tagen

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

    Uploaded Image
    • darktear antwortete vor 2 Wochen

      Hallo,

      Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
      Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
      Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*

      LG Sndra

    • Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG

  • hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 4 Tagen

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

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