- Bewegung
Bewegung ist gerade jetzt sehr wichtig
4 Minuten
Gerade jetzt wäre doch eine schöne Zeit für uns alle, uns wieder mehr zu bewegen – oder gar Sport zu treiben. Praktisch jeder Mensch profitiert von mehr Alltagsbewegung – und erst recht Menschen mit Typ-1- und mit Typ-2-Diabetes.
Sein Hausarzt machte sich mehr und mehr Gedanken wegen seines zusätzlich erhöhten Blutdrucks und seiner zunehmenden Luftnot schon beim Gehen in der Ebene.
Hans-Peter hatte von einer Diabetes-Sportgruppe in seiner Nähe gehört und sich eher widerwillig dort beim Vorsitzenden über die Angebote informiert. Als er dort auch einige Bekannte traf, entschloss er sich, hier mitzumachen.
Bereits 2 Monate später konnte er nicht nur das Basalinsulin zur Nacht wieder weglassen – nein: Er hatte auch schon 5 kg abgenommen und bekam selbst beim Treppensteigen wieder Luft. Das Ballspielen und sogar das langsame Joggen im Wald machten ihm in der Gruppe Spaß.
Wenn Sport im Zusammenhang mit Diabetes erwähnt wird, denken die meisten an den Effekt einer Gewichtsreduktion, da viele Menschen mit Typ-2-Diabetes (wie überhaupt viele Bundesbürger) übergewichtig sind. Manche denken auch noch an den positiven Effekt auf das Herz-Kreislauf-System. Bei Typ-1-Diabetes und Sport denken viele zuerst an massive Blutzuckerveränderungen, an eine Unterzuckerung.
Nun: Sehr viele Kinder bewegen sich zu wenig und entwickeln in der Folge Übergewicht und Bluthochdruck. Auch wenn eine falsche Ernährung meist den Ausschlag gibt: Fehlende Freude an regelmäßiger Bewegung und Spielen ist langfristig eines der Hauptprobleme.
Wer sich lange nicht sportlich bewegt hat, sollte es mal wieder damit versuchen – sollte Freude durch Bewegung erfahren sowie dadurch, weitere positive Effekte des Sports zu erleben: Man fühlt sich leichter, der Rücken schmerzt nicht mehr so stark, man bekommt besser Luft beim Treppensteigen. Denn nur, wenn es einem guttut, hält man auch über längere Zeit durch. Deshalb ist wichtig, dass Sie sich am Anfang nicht überlasten!
Ab 40 Jahre: jährlich legen wir 2 kg zu
Ab etwa dem Alter von 40 Jahren legen viele Menschen an Gewicht zu – der Körper verändert sich vor allem bezüglich seiner Hormone. Männer bilden weniger Testosteron, Frauen weniger Östrogen. Wenn die Geschlechtshormone weniger werden, baut unser Körper Muskelmasse ab, der Fettanteil steigt. Dadurch geht der Grundumsatz zurück, also die Menge an Kalorien, die wir auch ohne Bewegung verbrauchen! So nehmen wir Jahr für Jahr ca. 2 kg zu. Regelmäßiger Sport hilft, Muskelmasse zu erhalten und so dennoch das Gewicht stabil zu halten.
Klinische und statistische Auswertungen zeigen eindeutig, dass Menschen, die mäßig, aber regelmäßig etwas trainieren, weniger häufig und erst später Herzinfarkte und Schlaganfälle bekommen. Außerdem sinkt ihr Risiko für eine Alzheimer-Demenz – das Risiko wird laut einigen Studien sogar halbiert.
Wichtiges bei Typ-1-Diabetes
Sport kann bei Typ-1-Diabetikern tatsächlich den Blutzuckerhaushalt durcheinanderbringen, wenn man nicht geschult ist und wichtige Tatsachen außer Acht lässt:
- Typ-1-Diabetiker haben kein körpereigenes Insulin mehr. Wenn diese Insulin gespritzt haben und Sport treiben, bewirkt dieses eine gesteigerte Zuckeraufnahme aus dem Blut in den Muskel. So kann es beim Sport zu einem starken Blutzuckerabfall mit einer schweren Hypoglykämie kommen. Die Insulindosis muss deshalb vor dem Sport, besonders bei längerer sportlicher Aktivität, reduziert werden. Gleichzeitig müssen Kohlenhydrate gegessen werden, die längerfristig für Glukosenachschub im Blut sorgen, also langsam verdaut werden.
- Messen Sie Ihren Zuckerwert vor, bei und nach dem Sport – Letzteres vor allem deshalb, da Sport nachwirkt! Es kann zu Spät-Hypoglykämien kommen, da die Leber ihren Zuckerspeicher (Glykogen) wieder auffüllt.
- Wenn Sport regelmäßig betrieben wird, lassen sich die Effekte und Unwägbarkeiten des Sports viel besser beherrschen. Moderne Insulinpumpen, womöglich gekoppelt mit Sensorsystemen, können hier zusätzlich sehr effektiv helfen. Langfristig ist regelmäßiger Sport auch oder gerade für Menschen mit Typ-1-Diabetes sehr wichtig!
Gute Sporteffekte
Weitere Effekte regelmäßigen Herz-Kreislauf-Trainings sind:
- Der Blutdruck sinkt!
- Die Insulinempfindlichkeit steigt – dadurch wirkt das Insulin besser und die Betazellen, die das Insulin produzieren, werden geschont. Zucker, Fette und Eiweiße werden besser verstoffwechselt und der Blutzucker sinkt!
- Durch langsamen Muskelaufbau und Fettabbau werden Sie fitter, das Herz wird entlastet und die Herzfrequenz (und damit auch der Sauerstoffverbrauch) sinkt. Die Gefäße reagieren wieder adäquat (indem sie weitgestellt werden) und können bei Bedarf wieder mehr Blut (und damit auch Sauerstoff) befördern (z. B. in die Herzkranzgefäße und Beinarterien).
- Die Verfettung der Leber geht zurück, was die Blutzuckereinstellung verbessert.
- Die Konzentration des LDL-Cholesterins (also des „schlechten“ Cholesterins) sinkt und die des HDL-Cholesterins erhöht sich etwas.
- Das Risiko für bestimmte Krebsarten und chronische Lebererkrankungen (z. B. nichtalkoholische Fettleber-Entzündung), das durch Übergewicht erhöht ist, nimmt stetig ab.
Wenn man neu mit regelmäßigem körperlichem Training beginnt, z. B. jetzt im Sommer, sollte man einige grundsätzliche Dinge beachten (siehe Kasten). Insbesondere bei extrem übergewichtigen Patienten hat sich statt Laufens oder Walkens das Fahrradfahren auf einem Ergometer bewährt oder Bewegung auf einem Cross- oder Ellipsoid-Trainer. Als Ergänzung für das Lauftraining gilt auch in begrenztem Umfang ein mildes Krafttraining mit z. B. Hanteln – oder Bändern (Therafit), mit denen zusätzlich ein Zuwachs an Muskelmasse erreicht werden kann.
- Wichtig: Tägliche Übungen von 20 bis 30 Minuten sind besser als 3-mal pro Woche 1 bis 2 Stunden.
- Um ein effektives Herz-Kreislauf-Training durchführen zu können und damit entsprechende Stoffwechselverbesserungen zu erreichen, ist ein Schrittzähler mit Herzfrequenzmessung hilfreich, quasi unerlässlich, und fördert die Motivation.
- Nach einer einfachen Formel kann die Trainings-Herzfrequenz im Rahmen eines Belastungs-EKGs beim Hausarzt/Sportmediziner ermittelt werden. Bei Diabetikern hat sich die Karvonen-Formel (nach dem finnischen Mediziner Martti J. Karvonen) zum Abschätzen einer optimalen Herzfrequenz bewährt. Fragen Sie Ihren Arzt danach.
Ein „hochintensives Intervalltraining“ (HIIT), welches neuerdings als Fitnessprogramm propagiert wird, ist sinnvoll und praktikabel besonders für gesunde, junge Typ-1-Diabetiker und Kinder, aber auch für relativ fitte, weitgehend gesunde Typ-2-Diabetiker.
Zusammenfassung
Viele Bundesbürger schaffen es im Alltag offensichtlich nicht einmal, täglich 1.000 Schritte zu gehen. Die 10.000 Schritte, die immer wieder von Experten, auch von Krankenkassen genannt werden, schaffen jedenfalls die wenigsten von uns. Das ist nicht verwunderlich nach 8 Stunden meist sitzender Bürotätigkeit und längerer Auto- oder Zugfahrt zum Büro und vom dort nach Hause – als einzige Aktivität des Tages.
Wir brauchen uns also kaum zu wundern, wenn unsere Fitness geringer wird, das Körpergewicht aber mehr. Auch Menschen mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes sollten Bewegung als elementaren Bestandteil des Lebens schätzen lernen. Allzu oft entdeckt man dessen Nutzen vor allem für die Lebensfreude zu spät. Starten Sie gerade jetzt damit! Finden Sie heraus, was Ihnen Freude macht … und vielleicht bleiben Sie dann ja auch am Ball.
Autor:
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Erschienen in: Diabetes-Journal, 2020; 69 (6) Seite 30-32
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sveastine postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Diabetes und Psyche vor 21 Stunden, 14 Minuten
hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid
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stephanie-haack postete ein Update vor 1 Tag, 18 Stunden
Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂
Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/
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lena-schmidt antwortete vor 1 Tag, 17 Stunden
Ich bin dabei 🙂
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 2 Wochen, 2 Tagen
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina-
darktear antwortete vor 1 Woche, 4 Tagen
Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig
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Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike
@mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid