- Bewegung
Sag’ ich Bescheid? Oder sag’ ich’s besser nicht …
4 Minuten
Marcus Overmann hat mit seinen Kindern Tauchurlaub gemacht, auf Elba. Dort interessierte ihn, ob die Tauchbasis mit Diabetes etwas anfangen kann. Denn klar ist: Tauchen ist nur dann ungefährlich, wenn du alles im Griff hast. “Als tauchender Diabetiker musst du besonders viel im Griff haben”, sagt unser Autor.
Elba im Juli 2015. Die Insel ist ein einziges Blütenmeer, grün, in voller Pracht, es duftet nach Kräutern. Lufttemperatur im Schnitt über 30 Grad, wir freuen uns schon richtig auf das Meer. Ich habe meinen Kindern schon lange den Tauchschein versprochen. Und jetzt haben wir eine Woche gebucht, in Morcone. Hier gibt es eine deutschsprachige Tauchschule, was es Paula und Vincent leichter machen dürfte, den Tauchschein zu bestehen.
Tauchen mit Diabetes – meist völlig unwissende Tauchschulen
Ich habe seit 17 Jahren den OWD-Tauchschein (Open Water Diver), und natürlich will auch ich tauchen. Aber wie soll ich es dieses Mal anstellen? Gleich Bescheid sagen, dass ich Typ-1-Diabetiker bin? Davon haben die doch gar keine Ahnung, denke ich mir. In vergangenen Tauchurlauben bin ich meist auf völlig unwissende Tauchschulen gestoßen. Habe dort zwar gesagt, dass ich Diabetiker bin, aber das hätte ich mir auch sparen können, weil es, wenn überhaupt, nur Bedenkenträger gab.
Bei der Anmeldung hier auf Elba, in der Tauchschule Aquanautic in Morcone, lege ich die Karten gleich auf den Tisch. Mal sehen, wie die damit umgehen. “Kann ich meinen Insulin-Pen mit an Bord nehmen und dazu Traubenzucker? Und könnt ihr das so verschließen, dass es trocken bleibt?”
“Kein Problem”, sagt Björn, der Chef der Tauchschule, “das können wir.” “Bist du Typ-1- oder Typ-2-Diabetiker?”, fragt mich dann Verena, eine der Tauchlehrerinnen. “Und willst du an Bord vor dem Tauchen den Blutzucker nochmal kontrollieren? Dann packen wir auch dein Blutzuckergerät ein.” Und ich bin jetzt erst einmal überrascht – wir kommen ins Plaudern.
Disziplin und Verantwortung heißen die Stichworte beim Tauchen
Ich will wissen, wieso die sich auskennen und welche Erfahrungen sie mit Diabetikern haben: “Spielen die mit offenen Karten, wenn sie zu euch zum Tauchen kommen, oder sind Diabetiker eher zurückhaltend?”, will ich wissen.
Björn antwortet: “Es gibt beide Gruppen. Die, die gleich sagen, was los ist, und die, die das mit sich allein ausmachen. Das sind leider die meisten. Für uns ist es aber viel, viel leichter, wenn wir wissen, wer da mit uns taucht. Denn wir wollen, dass unsere Taucher sicher sind. Und angenommen, ein Taucher unterzuckert, dann könnten wir helfen, so weit es geht. Aber nur dann, wenn wir auch wissen, dass der Taucher Diabetiker ist.” Wenn sie es wissen, erklärt Verena, dann fragt sie vor dem Tauchgang, wie es um den aktuellen Blutzuckerwert steht.
“Wir können dir als Diabetiker zur Seite stehen, gar keine Frage”, sagt Björn, “aber am Ende bleibst du allein verantwortlich. Du musst wissen, wie deine Werte sind und wie du dich damit fühlst. Du musst entscheiden, ob du tauchen kannst. Wir können in niemanden hineinschauen.” Dann fragt mich Verena, ob mein HbA1c im Rahmen sei. “6,4”, antworte ich und sie nickt zufrieden.
Alles läuft problemlos beim ersten Tauchgang
Am Nachmittag folgt mein erster Tauchgang: Corbelli, der Affenfelsen. Der liegt direkt vor Morcone, mit dem Motorboot keine 5 Minuten entfernt. Wir sind 8 Taucher. Man taucht immer zu zweit, weil einer auf den anderen aufpasst. Mein “Buddy” ist Florian, ein junger Biologe, der mir die Unterwasserwelt erklärt.
Vor dem Tauchgang lege ich die Insulinpumpe ab, die wäre nach spätestens einem Meter Wassertiefe für alle Zeiten erledigt; mein Blutzucker beträgt 135 mg/dl (7,5 mmol/l), ich trinke noch einen Becher Orangensaft. Ausrüstung sitzt, Taucherbrille auf, Atemregler in den Mund, dann die Rolle rückwärts von der Reling ins Wasser. Wow, das ist irre schön!
Wir tauchen 45 Minuten, auf maximal 16 Metern. Die Sicht ist gut, ich entdecke Muränen, Fischschwärme und darin Raubfische, Barrakudas. Aber das Allerschönste ist, schwerelos zu sein und unter Wasser atmen zu können. Wer das mal gemacht hat, weiß, was ich meine.
Als ich 45 Minuten später aus dem Wasser komme, beträgt der Wert 115 (bzw. 6,4). Bis ich die Pumpe wieder angelegt habe, zurück in der Tauchbasis, sind 1,5 Stunden vergangen. Achtung, jetzt müsste der Blutzucker schnell wieder hochgehen, ich gebe mir 3 Einheiten zusätzlich – passt, er bleibt unter 140 (bzw. 7,8).
Unterzuckerung unter Wasser wäre eine Katastrophe
“Was macht ihr eigentlich, wenn ein Diabetiker unter Wasser unterzuckert?”, frage ich Björn. “Wir würden ihm Cola geben oder Traubenzucker, sobald er wieder an Bord ist”, sagt er. “Aber wenn er tiefer taucht, so dass er erst eine Dekompressionspause einlegen muss beim Auftauchen, dann wird es komplizierter.” Erklärung: Wer z. B. 30 Meter tief taucht und sich dort 20 Minuten aufhält, der muss bei einer Tiefe von 3 Metern unbedingt einen 5-minütigen Stopp einlegen, um den Stickstoff wieder abzuatmen, den er zusätzlich aufgenommen hat. Sonst droht eine Taucherkrankheit.
“Ich habe mich schlau gemacht”, sagt Björn, “es gibt flüssigen Traubenzucker, den der Taucher auch unter Wasser einnehmen könnte. Die Betonung liegt auf könnte, denn das muss der Diabetiker selbst entscheiden. Nochmal: Wir können die helfende Hand reichen. Aber der Taucher mit Diabetes, der muss die Verantwortung übernehmen!”
In der Zwischenzeit habe ich vier weitere Tauchgänge absolviert, und Paula und Vincent haben ihren Tauchschein bestanden. Wir können jetzt zusammen tauchen. Das Boot der Tauchschule fährt zu einem Schiffswrack in Pomonte. Die Fahrt bringt Spaß, ab und an, wenn eine Welle kommt, hüpft das Boot übers Wasser. Die Sonne scheint. Wir ankern neben einem Handelsschiff, das 1972 gesunken ist; es liegt zwischen 5 und 18 Metern.
Froh, über den Diabetes Bescheid gesagt zu haben
Der Tauchgang beeindruckt, wir sehen Fischschwärme durchs Wrack ziehen, man kann sogar ein bisschen hineintauchen. Bilanz: Wir haben die Unterwasserwelt bestaunt, wir haben einen leichten Sonnenbrand mitgebracht … und einen tollen Urlaub verbracht. Und ich bin froh, dass ich Bescheid gesagt habe – das mit dem Diabetes.
von Marcus Overmann
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2015; 64 (11) Seite 42-44
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 2 Tagen, 18 Stunden
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina -
gingergirl postete ein Update vor 1 Woche, 4 Tagen
Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
Danke schonmal im Voraus-
darktear antwortete vor 1 Woche, 1 Tag
Hallo,
Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*LG Sndra
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moira antwortete vor 4 Tagen, 12 Stunden
Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG
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hexle postete ein Update vor 1 Woche, 6 Tagen
Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.
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lena-schmidt antwortete vor 1 Woche, 1 Tag
@stephanie-haack hast du vielleicht ein paar gutes Tipps?
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connyhumboldt antwortete vor 2 Tagen, 13 Stunden
Besorge Dir Pflaster die über Tattoos geklebt werden, wenn die neu gestochen sind! Oder Sprühpflaster das Stomapatienten benutzen!
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