- Bewegung
Trainieren auch für den Diabetes
5 Minuten
Wer Rückenschmerzen hat, denkt selten an gezieltes Muskeltraining als Therapie. Dabei hat Kieser-Training gezeigt: Es hilft. Das intensive Muskeltraining wirkt sich aber auch positiv auf den Diabetes aus. Wie ein Training abläuft und welche Effekte es hat, verraten wir Ihnen im Artikel und im Interview.
Viertel vor sieben am Abend: Die Arbeit ist getan, ich kann losziehen – zum Kieser-Training. Das Studio am Rand der Altstadt von Mainz empfängt mich mit seinen nüchternen Räumen, aber dem Strahlen der Trainer. Nichts soll vom Training ablenken, nur die Geräte stehen im Raum, und Uhren hängen von der Decke.
Ausführlich eingeführt ins Training
Schnell umgezogen, Blutzucker gemessen – 148 mg/dl bzw. 8,2 mmol/l ist er –, Trainingskarte herausgesucht … und los geht der Muskelaufbau. Vor knapp zehn Jahren, als ich anfing mit dem Training, wurde ich ausführlich eingeführt. Regelmäßige Kontrollen helfen, Fehler zu vermeiden. Gut so, denn wie schnell schleicht sich Routine ein.
Rückenmuskulatur zum Start
Zuerst kommt die große Rückenmuskulatur dran, an der F3. Alle Gerätetypen haben eine Bezeichnung aus einem Buchstaben und einer Zahl, so dass sie einzelnen Muskelgruppen zuzuordnen sind. Fußplatte und Schienbeinstütze stelle ich auf meine Körpermaße ein, außerdem das zu bewegende Gewicht – und schiebe noch meine Insulinpumpe am Bauchgurt an die Seite, damit sie nicht stört bei der Übung.
Aus sitzender Position stemme ich mich jetzt mit dem gestreckten Rücken langsam nach hinten, bleibe wenige Sekunden in dieser Haltung und gehe langsam zurück in die Ausgangsposition. 85 Sekunden schaffe ich es, die Übung zu wiederholen, 6 Wiederholungen sind es. Hier spielen aber die Wiederholungen keine Rolle, die Zeit ist wichtig: Zwischen 60 und 90 Sekunden sollte man jede Übung langsam ausführen. Schaffe ich es länger, steigere ich das Gewicht beim nächsten Mal.
Den ganzen Körper trainiert
So kommt eine Übung nach der anderen an die Reihe. Durch die ruhigen Bewegungen kann ich meine Gedanken schweifen lassen. Zwischendurch ein kurzes “Hallo” zu Bekannten – und die nächste Übung ist dran. Um kurz vor acht habe ich meinen ganzen Körper trainiert und gehe mit einem Blutzucker von 78 mg/dl bzw. 4,3 mmol/l nach Hause.
Interview: “Devise: Muskeln statt Fett”
Dr. Martin Weiß arbeitet als niedergelassener Facharzt für Allgemeinmedizin und Chirotherapie in Rosenheim. Kieser-Training begleitet er als ärztlicher Berater. Die Redaktion des Diabetes-Journals hat ihn nach den Zusammenhängen zwischen Krafttraining und Diabetes gefragt und was Krafttraining eigentlich bringt.
Diabetes-Journal (DJ): Wer Kieser-Training hört, denkt zuerst an eine Stärkung der Rückenmuskulatur. Warum kann sich auch Diabetes mit dem Namen Kieser verbinden?
Dr. Martin Weiß: Genauso wichtig wie für einen gesunden Rücken sind unsere Muskeln für einen intakten Stoffwechsel. Sämtliche Kohlenhydrate, die wir mit der Nahrung aufnehmen, werden durch die Verdauung und durch Stoffwechselprozesse in Glukose umgebaut. Das Gehirn braucht Glukose für die Energieversorgung. Weitaus mehr von diesem “Supertreibstoff” wird in den Muskeln verbrannt.
Das Hormon Insulin schleust Glukose in die Muskelzellen und liefert Energie. Beim Typ-2-Diabetes reagieren die Muskelzellen durch die genetische Veranlagung und gefördert durch körperliche Inaktivität zunehmend schwächer auf Insulin, es kommt zur Stoffwechselentgleisung.
Krafttraining verbessert die Zuckeraufnahme in die Muskelzellen durch eine bessere Insulinwirkung, aber auch durch insulinunabhängige Kanäle gelangt Glukose in die Muskelzellen – und diese Schleusen öffnen und vermehren sich durch intensives Krafttraining.
DJ: Können Sie beschreiben, warum ein Mehr an Muskulatur ein Weniger an Körperfett bedeutet?
Dr. Weiß: Das Verhältnis Muskeln zu Fett hat eine starke genetische Komponente. Frauen haben tendenziell mehr Fettgewebe, und bei beiden Geschlechtern gibt es “gute Futterverwerter”. Bei diesen Menschen wird jede überschüssige Kalorie in Fettpolstern angelegt.
Darüber hinaus hängt es aber von muskulärer Aktivität ab, wie sich Fett und Muskeln entwickeln: Zu viel Insulin fördert die Fettentwicklung auf Kosten der Muskulatur. Intensives Krafttraining, am besten in Kombination mit reichlich ausdauernder Beanspruchung, korrigiert diese Fehlregulation des Stoffwechsels. Muskulatur wird aufgebaut und die Fettreserven nehmen ab.
Unabhängig vom Zuckerstoffwechsel helfen auch die in der vergangenen Dekade entdeckten “Myokine” beim Abschmelzen von Fettgewebe. Myokine werden von den Muskelfasern produziert und in das Blut abgegeben. Sie wirken in Gehirn, Leber und Knochen und regulieren auch den Fettstoffwechsel.
DJ: Warum bedeutet weniger Körperfett nicht unbedingt weniger Körpergewicht?
Dr. Weiß: Übergewichtige Menschen haben nicht nur zu viel Fett. Sie haben zugleich zu wenig Muskelmasse – und mit jeder Hungerkur verlieren sie aufs Neue stoffwechselaktive Muskulatur. Wichtige Ziele beim Abnehmen sollten Aufbau und Erhalt von Muskulatur sein. Muskeln haben einen hohen Wassergehalt, sind also schwer. Muskeln statt Fett heißt bei der langfristigen Gewichtskontrolle die Devise. Bis der Aufbau von neuer Muskelmasse ausgereizt ist, zeigt sich der Erfolg deshalb nicht so deutlich auf der Waage.
DJ:Welche Muskeln bzw. Muskelgruppen sollten am besten trainiert werden, wenn es um die Reduktion des Körperfetts geht?
Dr. Weiß: Der Erfolg ist unabhängig von der Lokalisation der Muskeln. Auf die Masse kommt es an, und deshalb sollten Übungen für große Muskeln und Muskelgruppen bevorzugt werden. Gute Beispiele sind Übungen wie der Ruderzug, bei dem beide Arme, der gesamte Schultergürtel und der Rücken im Spiel sind, oder die Beinpresse, mit der wir die gesamte Stützmuskulatur der Beine trainieren. Große Muskelgruppen, hohe Intensität und nach heutiger Kenntnis 3-mal pro Woche sind die Parameter, die zum Erfolg führen.
DJ: Welche Effekte bringt das Training für Typ-2-Diabetiker in Bezug auf die Blutzuckereinstellung?
Dr. Weiß: Der beste Erfolgsparameter für die Qualität der Blutzuckereinstellung ist das HbA1c. Durch Studien belegt ist eine Verbesserung des Wertes um 0,5 bis 0,6 Prozentpunkte, publiziert z. B. von König und Kollegen in der Deutschen Zeitschrift für Sportmedizin im Jahr 2011. Das Ausmaß der Verbesserung ist signifikant und für den Erhalt von Gesundheit und Lebensqualität relevant.
DJ: Gibt es weitere Trainingseffekte, die nicht unmittelbar mit dem Diabetes zu tun haben?
Dr. Weiß: Krafttraining wirkt auf den ganzen Menschen. Die Figur, die innere und äußere Haltung, Bewegungs- und Lebensfreude, körperliche und geistige Leistungsfähigkeit reagieren spürbar positiv, und zugleich werden die ebenso wichtigen Effekte von Ausdauersport besser verfügbar. Auch hier steigt mit der Leistung die Freude an Bewegung und die Wirkung auf den gesamten Stoffwechsel, auf das Nervensystem bis hinein ins Gehirn.
Das vielleicht aufregendste bisher bekannte Myokin BDNF verbessert die Hirnfunktion, schützt Nervenzellen vor dem Verfall und kann sogar die Neubildung von Hirnzellen bis ins hohe Alter bewirken. Kraft- und Ausdauertraining sind universell wirksame Methoden mit weit unterschätztem Potential für Gesundheit und Lebensfreude.
DJ: Ist Kieser-Training auch für Typ-1-Diabetiker sinnvoll?
Dr. Weiß: Ja, aktive Muskulatur erleichtert auch hier Aufnahme und Verwertung von Zucker. Und Diabetiker profitieren unabhängig von ihrer Erkrankung von den vielfältigen Wirkungen eines intensiven Krafttrainings. Bei Typ-2-Diabetikern reicht die Wirkung allerdings tiefer als bei Typ-1-Diabetikern.
Beim Typ-2-Diabetes, früher fälschlicherweise als “Alterszucker” bezeichnet, setzt Krafttraining an der Muskelzelle an, vermindert die sonst zunehmende Insulinresistenz und kann bei guter Ernährung, reichlich körperlichen Alltagsaktivitäten und Sport über Jahre den Stoffwechsel im Lot halten. Das ist ein viel größerer Beitrag für die Gesundheit als die Korrektur der Blutzuckerwerte durch Medikamente.
Text und Interview von Dr. Katrin Kraatz
Kontakt:
Kirchheim-Verlag, Kaiserstraße 41, 55116 Mainz, Tel.: (06131) 9 60 70 0,
Fax: (06131) 9 60 70 90, E-mail: redaktion@diabetes-journal.de
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2014; 63 (6) Seite 44-46
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 5 Tagen, 3 Stunden
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina -
gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen
Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
Danke schonmal im Voraus-
darktear antwortete vor 1 Woche, 3 Tagen
Hallo,
Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*LG Sndra
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moira antwortete vor 6 Tagen, 22 Stunden
Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG
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hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 1 Tag
Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.
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lena-schmidt antwortete vor 1 Woche, 3 Tagen
@stephanie-haack hast du vielleicht ein paar gutes Tipps?
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connyhumboldt antwortete vor 4 Tagen, 22 Stunden
Besorge Dir Pflaster die über Tattoos geklebt werden, wenn die neu gestochen sind! Oder Sprühpflaster das Stomapatienten benutzen!
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