Zweifeln verboten – beim Langstreckenradsport … und bei Typ-1-Diabetes

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© Maximilian Hübl
Zweifeln verboten – beim Langstreckenradsport … und bei Typ-1-Diabetes

“Es ist ein ständiges Auf und Ab. Manchmal muss man sich richtig überwinden, und hin und wieder tut es sogar sehr weh.” So antwortet Langstreckenradsportler und Typ-1-Diabetiker Maximilian Hübl, wenn man ihn nach Analogien fragt zwischen Diabetes und Langstreckenradsport. Hier die unglaubliche Geschichte des 36-jährigen Niederösterreichers.

Maximilian Hübl ist seit 1984 Typ-1-Diabetiker. Er fährt pro Jahr ca. 20 000 km auf dem Rennrad durch den Wienerwald. Er ist vor allem in der Randonneurs-Szene aktiv und fährt “Brevets”: Das sind Langstreckenfahrten über die Distanzen von 200, 300, 400, 600 und 1 000 km, die in einem bestimmten Zeitrahmen absolviert werden müssen.

Gerade eben hatte er innerhalb einer Woche ein 200-km- und ein 300-km-Brevet auf dem Plan, die er beide mit einem Schnitt von über 27 km/h absolvierte. “Durch den Radsport habe ich erst wirklich gelernt, wie mein Körper funktioniert, und ich habe eine Fähigkeit entwickelt, meinen Blutzucker auch ohne CGM bis auf wenige Milligramm genau zu schätzen”, sagt er.

Größte Herausforderung: Nahrungsaufnahme

Die größte Herausforderung ist die Nahrungsaufnahme: Schnell sind bei 300 km an die 7 000 Kilokalorien verbrannt, die auch nachgefüllt werden müssen. Und: Es müssen auch die richtigen Kohlenhydrate sein. “Da habe ich als Diabetiker natürlich einen gewissen Nachteil, weil ich mich bei den Kontrollstellen auch noch um meinen Blutzucker kümmern muss, während andere einfach nur alles Essbare in sich hineinstopfen! Aber wenn der Zucker gut eingestellt ist, ich genug trinke und unterwegs ein paar Gummibären nasche, ist bis auf das Piepsen des CGM nicht erkennbar, dass ich seit 32 Jahren Diabetes habe.”

Nachdem Maximilian bei den 300 km ins Ziel gerollt kam, fragte ihn ein Mitradler, was denn da immer so komisch piepst. “Mein CGM”, war die Antwort. “Dein was?” Es folgte ein Gespräch mit viel Aufklärungsarbeit. Die abschließende Bemerkung “Aber Du siehst eigentlich gar nicht aus wie ein Diabetiker” ist nicht nur eine große Motivation für Maximilian – es ist auch das Thema, dem er sich in seinem Blog www.diabetesundsport.at verschrieben hat.

Höhenprofil und Blutzuckerkurve

Sieht man sich das Höhenprofil des 300-km- Brevet an, wird man laut Max an eine Zuckerkurve erinnert: ein ständiges Auf und Ab, gefolgt von flachen Abschnitten, bevor es dann wieder den Berg hoch- oder runtergeht. “Ich mache mir keine Gedanken über Berge, die in 150 km anstehen. Ich konzentriere mich auf 50 m vor meinem Rennrad. Denn hier könnte ein Schlagloch sein. Und genauso handhabe ich es mit dem Diabetes: Ich versuche, täglich das Optimum herauszuholen, und kümmere mich nicht darum, wohin mich meine Diabetesreise vielleicht einmal später bringt”, sagt er.

Dass der Diabetes an sich schon anspruchsvoller Sport ist, ist für Max eine Tatsache. Mit der Erkenntnis, den Diabetes als Herausforderung zu sehen und sich dieser im positiven Sinn zu stellen, hat für ihn vor 15 Jahren die “gute Einstellung” erst begonnen – denn vorher war der Diabetes im Hause Hübl ein ungeliebtes Gesprächsthema.

Insider fragen Maximilian oft nach seinem HbA1c. Aktuell, auch dank der Verwendung des Dexcom G5, ist dieses bei 5,9 Prozent. Wirklich wichtig ist der Wert dem Österreicher nicht: “Ich definiere den Erfolg meiner Diabetestherapie nicht an einem abstrakten Wert. Ich definiere mir lieber sportliche, auch durchwegs anspruchsvolle Ziele. Ein guter HbA1c-Wert ist da eine angenehme Begleiterscheinung.”

Mit seinem Vortrag Diabetesmanagement beim Langstreckenradsport möchte Maximilian genau diesen Weg vorstellen und mithelfen, dass jeder Diabetiker sich sein persönliches Ziel definieren kann. Er tingelt damit durch die Lande und versucht, Menschen zu motivieren, den Diabetes aktiv anzugehen.

Hypoglykämie vermeiden

Vor einem Brevet hat höchste Priorität, in den Tagen davor möglichst Unterzuckerungen zu vermeiden. “Das geht ziemlich an die Substanz und schwächt meinen Körper.” Während der Fahrt gilt es dann, den Zucker zwischen 100 und 150 mg/dl (5,6 und 8,3 mmol/l) einzustellen. Dafür reduziert er die Basalrate um bis zu 80 Prozent für die erwartete Fahrzeit. Eine Bolusabgabe kommt so gut wie nie vor – trotz der vielen Gummibären in der Trikottasche. Ständiges Beobachten des CGMs ist unerlässlich.

“Fairerweise muss man aber sagen, dass gerade bei anspruchsvollen Alpenfahrten ein CGM-System nicht der Weisheit letzter Schluss ist: Oft fällt der Blutzucker so schnell, dass das CGM aufgrund der Lag-Time einfach sehr große Abweichungen aufweist.” Dann gilt es, vermehrt wieder in seinen Körper hineinzuhorchen und das CGM als “Tippgeber für eine Hypo” zu verwenden, sagt Max.

Müde oder Hypoglykämie …?

Das beste Tool zum Vermeiden einer Hypoglykämie am Fahrrad ist ein Watt-Messsystem: Denn schon lange, bevor das CGM oder der Körper eine Hypoglykämie wahrnimmt, fallen die Wattwerte, die Hübl auf die Kurbel bringt, in den Keller. Dann muss nur noch bestimmt werden, warum das der Fall ist: “Ist es Müdigkeit oder doch eine Hypo? Da muss man seinen Körper sehr gut kennen und ständig selbst reflektieren, denn oft spielt einem die Psyche die unglaublichsten Streiche.”

Weitere Analogie zwischen Diabetes und Radsport: Wenn Max schon am Start an sich zweifelt, sieht er die Chance als sehr gering, an dem Tag das Ziel zu sehen. Im Vorfeld geht er die Strecke in Gedanken durch, stellt sich Schlüsselstellen und Probleme vor und erarbeitet lange zuvor Strategien, wie er damit umgehen wird. Wenn er sich danach konkret vorstellen kann, wie es sein wird, über die Ziellinie zu fahren, verbunden mit dem einzigartigen Gefühl, etwas geschafft zu haben, dann steht einem erfolgreichen Rennen nichts im Wege.

Und hier liegt auch das Geheimnis im positiven Herangehen an den Diabetes von Maximilian Hübl: Er kann sich einfach vorstellen, eine gute Therapie zu haben. Er weiß, was dafür nötig ist, und er kann sich auch die Hindernisse und Probleme genau vorstellen. Aber er kann auch gangbare Lösungen für sich erarbeiten und so am Ende erfolgreich sein. Sein Tipp: “Definiere dir langfristige, realistische Ziele, suche dir einen Trainingspartner, der dich motiviert, und du wirst merken, wie es auch mit dem Diabetes besser funktioniert!”


von Maximilian Hübl
E-Mail: max@diabetesundsport.at
,
Internet: www.diabetesundsport.at

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2016; 65 (7) Seite 42-43

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  • hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid

    • Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike

    • @mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid

    • Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike

  • Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂

    Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/

  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • darktear antwortete vor 2 Wochen

      Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

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