Der piepsende Pod – ein Weihnachtswunder?

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Der piepsende Pod – ein Weihnachtswunder?

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Was sich anhört wie der Ausschnitt aus einer ziemlich klischeehaften Weihnachtsgeschichte, hat sich tatsächlich so ereignet. Ich habe es vor zwei Wochen selbst erlebt. Na, wer will die ganze Geschichte hören?

Alles begann an einem Samstag Ende Oktober. Gemeinsam mit dem Chor bereitete ich mich auf einen kleinen Auftritt bei einer Jubiläumsfeier vor. Nach dem Einsingen warteten wir im nebenan gelegenen Kindergarten auf unseren Auftritt. Wie vor jedem Auftritt hatte ich mich vorbereitet, indem ich meinem Blutzuckerspiegel etwas mehr Freiraum nach oben gab. Dank FreeStyle Libre in der linken Hosentasche kein Problem, ein klassisches Blutzucker-Messgerät wäre in dieser Situation ziemlich undenkbar gewesen. In der rechten Hosentasche hatte ich die übliche Notration an Traubenzucker gebunkert, für den Notfall. Tatsächlich gebraucht habe ich das bisher noch nie (zumindest nicht bei einem Chorauftritt).

Kurz vor dem großen Auftritt

Dann kam das Signal zum Aufbruch in Richtung Bühne. Wir stellten uns in der richtigen Reihenfolge auf und die ersten Sänger begannen den kurzen Marsch Richtung Festsaal. Just als ich loslaufen wollte, hörte ich das unliebsame Piepsen vom rechten Oberarm, welches mich alle drei Tage heimsucht, wenn es Zeit wird, den OmniPod zu wechseln, und welches sich alle paar Minuten wiederholt, wenn man es nicht mit dem PDM ausschaltet.

Natürlich war genau das mein erster Gedanke und ich rannte zurück zur Garderobe, um meinen PDM zu suchen. Ich hatte ihn in meiner rechten Jackentasche verstaut. Dachte ich. Ich schaute in der linken Jackentasche, dort war er auch nicht. Oder doch? Nochmals begann ich, in der rechten Jackentasche zu wühlen, denn unter dem Haustürschlüssel, dem Autoschlüssel und dem Traubenzucker hätte sich der PDM durchaus verstecken können. Hatte er aber nicht. Verdammt, so klein ist das Ding doch gar nicht.

In der linken Tasche (die mit Portemonnaie und Hundekacktüten) fand ich ihn auch nicht. Da fiel mir ein, dass meine geliebte Frau ihre Handtasche im Nebenraum deponiert hatte. Dort könnte der PDM sich auch eingenistet haben, denn ab und zu nutze ich die großzügigen Platzverhältnisse in den mysteriösen Tiefen der Handtasche meiner Frau als bequemes Transportmittel für meine Diabetes-Utensilien.

Kritische Situationen verlangen drastische Maßnahmen

Der restliche Chor war inzwischen schon auf halbem Wege zum Konzertsaal, während ich noch immer verzweifelt den PDM suchte. Die Musik in meinem Kopf wurde zu einer dramatischen Hymne, die Spannung stieg ins Unermessliche und meine Wut nahm zu. Zumal die Suchaktion in der Handtasche meiner Frau ebenso erfolglos blieb wie die vorhergegangenen in meinen Jackentaschen. Ich gab die Suche also auf und lief den anderen Sängern hinterher.

Unterwegs überlegte ich, wie ich auch ohne PDM das Piepsproblem in den Griff bekommen könnte. Da begegnete mir eine Mülltonne vor der Kindergartentür und ich beschloss, keine Kompromisse einzugehen. Der Pod war sowieso kurz vor dem Austausch und ich hatte nicht vor, in den nächsten zwei Stunden Kohlenhydrate zu mir zu nehmen. Ich öffnete also mein Hemd, riss mir den Pod vom Arm und warf ihn kurzerhand in die Mülltonne, die ihn gierig verschlang.

Unverhofft kommt oft

In den nächsten Tagen vergaß ich den Pod zunächst, der so unglücklich in der Mülltonne gelandet war. Ganz kurz hatte ich daran gedacht, dass das Piepsen eventuell doch hörbar sein könnte, fand das aber nicht weiter beachtenswert.

Doch dann erhielt ich einen Anruf, der die Erinnerung daran schlagartig wieder aufleben ließ. Am Telefon war der Chorkollege, der in Kontakt mit dem Kindergarten stand. Er berichtete, dass ein kleines Mädchen ein Dauerpiepsen aus besagtem Mülleimer gehört und daraufhin einen merkwürdigen Gegenstand herausgezogen hatte. Da das Piepsen nicht aufhörte, sprang das Mädchen so lange darauf herum, bis Ruhe herrschte. Alleine das finde ich eine beachtliche Leistung – jeder, der weiß, wie mühsam es ist, einen piepsenden Pod zum Schweigen zu bringen, wird mir zustimmen.

Im Anschluss berichtete das Mädchen einer Erzieherin, was es erlebt hatte. Die wiederum muss ziemlich erschrocken sein und begleitete das Mädchen zu dem rätselhaften Objekt. Schnell war es als Insulinpumpe identifiziert und nun wurde die Aufregung noch größer, denn es bestand ja die Gefahr, dass der Träger dieser Pumpe nunmehr ohne Insulinversorgung war. Mir wurde im Nachhinein sogar berichtet, dass das Mädchen daraufhin ein richtig schlechtes Gewissen hatte und in der darauffolgenden Nacht kaum schlafen konnte.

Ein Anruf bringt die Erkenntnis

Da die Erzieherin von dem kurz zuvor stattgefundenen Konzert wusste, wandte sie sich auf der Suche nach dem Eigentümer des Pods auch an den besagten Chorkollegen. Der wiederum schloss messerscharf, dass ich als Diabetiker der einzig infrage kommende rechtmäßige Eigentümer sein könne und rief mich an. Nachdem ich die ganze Geschichte gehört hatte, kam ich aus dem Staunen und Schmunzeln nicht mehr heraus. Noch immer empfinde ich eine große Bewunderung für die Courage des Mädchens und die Bemühungen der Erzieherin, die alles taten, um die Geschichte um den geheimnisvollen Pod aufzuklären.

Inzwischen wissen alle Beteiligten, dass es mir gut geht und der Verlust des Pods nicht zu meinem Ableben führte. Aber die Geschichte werde ich so schnell nicht vergessen und muss immer wieder darüber schmunzeln. Eine kleine, lustige Geschichte für mich als Diabetiker, ein aufregendes Ereignis für ein kleines Mädchen. Und eine Lehre: Ich werfe nie wieder einen piepsenden Pod achtlos weg. Ich möchte gar nicht daran denken, was gewesen wäre, wenn die Geschichte an einem Flughafen oder Bahnhof passiert wäre.


Hier kommt ihr zum nächsten Teil von Christians „Motivation monatlich“: 2015 – Diabetes-Rückblick

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  • hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid

    • Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike

    • sveastine antwortete vor 1 Woche

      @mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid

    • mayhe antwortete vor 1 Woche

      Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike

  • Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂

    Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/

  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

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