Nachgefragt | Psychologie: Brauchen wir eine Integrationskraft für unsere Tochter?

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Nachgefragt | Psychologie: Brauchen wir eine Integrationskraft für unsere Tochter?

Sie haben medizinische und/oder psychosoziale Fragen bezüglich Kindern und Jugendlichen mit Diabetes? Die Experten des Diabetes-Eltern-Journals geben Ihnen in der Rubrik Nachgefragt Antwort!

Die Frage

Unsere Tochter Rosanna wird im Mai 6 Jahre alt. Sie freut sich schon auf ihren allerersten Schultag und die Schultüte im August. Vor 14 Monaten wurde bei ihr Diabetes festgestellt, in der Kinderklinik wurden wir alle gut geschult. Rosanna trägt eine Pumpe und kommt damit auch im Kindergarten mit etwas Unterstützung durch die super netten Erzieherinnen gut zurecht. Unsere Tochter ist sehr stolz, dass sie schon vieles gut und selbständig kann, z. B. die Zahlen bis 100, etwas lesen und Radfahren.

Für die Schule fragen wir uns nun, ob wir für Rosanna eine Integrationskraft oder Begleitung beantragen sollen. Rosanna will das auf keinen Fall, sie möchte mit ihrer besten Kindergartenfreundin Luisa allein in die Schule gehen. Was sollten wir tun?

Familie M.

Die Antwort von Prof. Dr. Karin Lange

Mit dem Eintritt in die Schule beginnt für alle Kinder ein neuer Lebensabschnitt, sie sind jetzt “groß”, wollen sich beweisen und selbständiger werden. Dazu passt Rosannas Wunsch, wie alle anderen Kinder allein in die Schule zu gehen. Wie Sie schreiben, hat Ihre Tochter den Kindergarten sicher besuchen können und sich wohlgefühlt. Der Diabetes hat sie dabei nicht beeinträchtigt, und sie konnte ihn deshalb – soweit wie für ein 6-jähriges Kind möglich – gut akzeptieren.

Dank der modernen Diabetestherapien treten schwere Unterzuckerungen, vor denen sich viele Eltern immer noch fürchten, bei Kindern nur sehr selten auf – und noch viel seltener in der Schule. Gut geschulte Kinder, die z. B. an dem Training “Fit für die Schule” teilgenommen haben, kennen ihre Unterzuckerungsanzeichen und wissen, was zu tun ist, wenn sie “niedrig” sind.

Selbstvertrauen des Kindes stärken

Als Eltern stärken Sie das Selbstvertrauen Ihres Kindes und seinen sicheren Umgang mit dem Diabetes, wenn Sie Rosanna zutrauen, die Schule allein zu besuchen. Selbstverständlich sollten die Lehrer zum Diabetes geschult und über die Anzeichen und die Behandlung von Hypos informiert werden. Luisa kennt sich als beste Freundin wahrscheinlich auch schon etwas aus. Damit hat Rosanna eine dreifache Sicherheit für den sehr seltenen Fall einer Hypo.

Weitere akute Diabetesprobleme, die sofort durch einen Betreuer in der Schule und nicht erst später zu Hause behandelt werden müssen, sind nicht zu erwarten. Und wenn es Rosanna wie auch anderen Kindern ihrer Klasse einmal nicht gut geht oder der Pumpenkatheter herausgerutscht ist, werden die Eltern angerufen.

Studien zum Programm “Fit für die Schule” haben in den letzten Jahren gezeigt, dass die meisten Kinder mit Diabetes die Grundschule sicher und ohne besondere Betreuung besuchen konnten und ebenso erfolgreich wie alle anderen gelernt haben. Deshalb möchte ich Rosannas Wunsch unterstützen, damit sie ein Mädchen wie viele andere in der Klasse sein kann, der Diabetes nicht in den Vordergrund gerückt wird und sie selbstsicher und selbständig bleiben kann.

Dazu muss sie aber auch bereit sein, Aufgaben zu übernehmen und Regeln einzuhalten, z. B. ihr Frühstück in der Pause essen oder ihren Blutzuckerwert vor dem Sportunterricht messen. Damit wird sie gut auf ein selbstbewusstes Leben mit Diabetes vorbereitet. Übertriebene elterliche Ängste bergen die Gefahr, dass Kinder sich immer weniger zutrauen, immer unsicherer werden, sich auf Betreuer verlassen und ihren Diabetes furchtbar finden, weil er sie klein macht und in eine Sonderrolle drängt. Wenn möglich, sollte dies vermieden werden.

Manche Kinder brauchen Begleitung

Auf der anderen Seite gibt es auch einige Kinder mit Diabetes, die wegen anderer Behinderungen oder sehr großer Unsicherheit nicht auf eine Begleitung in der Schule verzichten können. Hier sollte von allen Beteiligten versucht werden, den Diabetes in den Hintergrund zu rücken und das Kind in seiner Selbständigkeit zu fördern. Damit hat es die Chance, sich psychisch so wie alle anderen Kinder zu entwickeln und in der Gruppe der Gleichaltrigen integriert zu sein.


von Prof. Dr. Karin Lange

Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2018; 11 (2) Seite 24-25

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  • gingergirl postete ein Update vor 2 Tagen, 21 Stunden

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

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  • hexle postete ein Update vor 4 Tagen

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

  • tako111 postete ein Update vor 1 Woche

    Fussschmerzen lassen leider keine Aktivitäten zu!

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