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In den letzten Beiträgen dieser Kolumne habe ich viel von dem Leben in Zentrum erzählt – quasi über alles, was sich dort abspielt, während man dort lebt. Die meisten, die ins Zentrum für jugendliche Diabetiker ziehen, sind minderjährig und wohnen deshalb zunächst immer in einer Wohngruppe. So kann man sich eingewöhnen, sich mit Betreuern, Regeln und neuem Umfeld vertraut machen und langsam einleben.
Auf eigenen Beinen stehen
Irgendwann wird es aber Zeit, mehr und mehr auf eigenen Beinen zu stehen. Auch das passiert im Zentrum schrittweise – solange der Bewohner das auch selbst will. Viele Bewohner verlassen das Zentrum direkt von der Wohngruppe aus und gehen zurück nach Hause oder ziehen selbstständig in eine eigene Wohnung. Letzteres kann aber auch unter der Betreuung des Zentrums passieren.
So bin auch ich nach 2,5 Jahren aus der Wohngruppe in eine eigene Wohnung gezogen und habe dort die letzten 1,5 Jahre meiner Zeit im Zentrum für jugendliche Diabetiker verbracht. Die Möglichkeit, selbstständig in einer eigenen Wohnung zu wohnen, muss man sich „erarbeiten“ und sich, den Betreuern und dem Jugendamt beweisen, dass man fähig ist, selbstständig zu leben. Das bedeutet vor allem, dass man beweisen muss, in der Lage zu sein, seine Mahlzeiten planen und dafür einkaufen zu können, pünktlich und zuverlässig zu sein und sich an Absprachen zu halten.
Dann stehen Farben, Böden und Möbel auf der Kauf- und Wunschliste
Schafft man es, diesen Willen in der Wohngruppe zu zeigen und fühlt sich selbst bereit für eine eigene Wohnung, steht der Wohnungssuche nach dem „Okay“ des Jugendamts (falls es der Kostenträger ist) nichts mehr im Weg. Denn auch das gehört zum „Abnabeln“ dazu: eine Wohnung zu finden. Natürlich unterstützen die Betreuer, wo sie können – sie vereinbaren Besichtigungstermine, führen Gespräche mit den Vermietern und schauen sich die Wohnung auch selbst mit an.
Dann heißt es: Farben und Böden aussuchen, eventuell Möbel kaufen oder sich am riesigen Fundus des Zentrums bedienen. Die Kosten dafür werden meistens durch das Erstausstattungsgeld beglichen. Bisher musste aber auch noch niemand auf dem nackten Boden schlafen 😉 Schließlich wollte natürlich auch die Liste der Grundausstattung abgearbeitet werden: Töpfe, Pfannen, Messer, Bettwäsche und Handtücher sah ich ja noch ein…aber Vorhänge, Pflanzen und Deko? Nun gut, ich ließ mich überreden und so starb eine kleine Yuccapalme die nächsten 1,5 Jahre jämmerlich vor sich hin – während Caro, meine Partnerin, sich damals bei dem ersten Blick in meine Wohnung innerlich verkrampfte… Ein einzelnes Windlicht in der Ecke stellte ihr weibliches Bedürfnis nach „liebevollen Elementen“ merkwürdigerweise nicht zufrieden. Mittlerweile sind in unsere gemeinsame Wohnung übrigens dutzende Dekogläser, Teelichter, Bilderrahmen und (Kunst)Pflanzen eingezogen – den grünen Daumen haben wir nämlich beide nicht geerbt.
Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser
Zurück zum Leben in der eigenen Wohnung: Hat man sich nach dem Auszug einigermaßen zurechtgefunden, stehen natürlich dennoch Pflichten an. Hin und wieder wurden meine Blutzuckerwerte angefragt – Hatte ich gemessen? Waren die Werte okay?
Wie auch in der Wohngruppe ist es auch in einer eigenen Wohnung üblich, von einem Bezugsbetreuer betreut zu werden. Dafür sind ambulante Termine Pflicht. Im Klartext heißt das: Hin und wieder gab es kurze Besuche, um zu schauen, ob man bereits in knietiefen Müllbergen haust und von den Flusen unter dem Kühlschrank lebt oder ob man wirklich zurechtkommt. Grade in der Anfangszeit wird das gemeinsame Einkaufen mit dem Betreuer immer wieder gerne angeboten. Während der Termine (in der Regel 2 Mal die Woche) werden wichtige Dinge besprochen. Dazu gehören natürlich die Blutzuckereinstellung, das Zurechtkommen in der Wohnung und in der Schule, anstehende Termine in der Diabetespraxis oder mit dem Jugendamt und generell alles, was irgendwie Anlass zu Gesprächen gab.
24-Stunden-Service
Zu den Aufgaben der Betreuer gehört es auch, 24 Stunden am Tag erreichbar zu sein. Grade, wenn man krank wird, ist der Bezugsbetreuer immer schnell zur Stelle und bringt Medikamente vorbei oder erledigt die Einkäufe – denn manchmal hält einen der simpelste Infekt ans Bett gefesselt.
Auch bei einer drohenden Ketoazidose ist der Betreuer immer in Bereitschaft. Meine letzte Ketoazidose „durfte“ ich während meiner Zeit in der eigenen Wohnung durchmachen. Als langjähriger Diabetiker merkt man schnell, wenn etwas nicht stimmt. Ein über Nacht abgeknickter Katheter bescherte mir am nächsten Morgen schwindelerregend hohe Blutzuckerwerte und natürlich Ketone. Meine Bezugsbetreuerin und ich blieben im permanenten Kontakt – bis ich selbst zugeben musste, dass ich es allein nicht schaffen würde. Und so blieb mir auch der Krankenwagen erspart – das „Betreuertaxi“ stand innerhalb weniger Minuten vor meiner Haustür und meine Betreuerin und ich fuhren ins nächstgelegene Krankenhaus.
Der Kontakt bleibt bestehen
Ihr seht: Auch wenn man alleine wohnt – eigentlich ist man immer im Kontakt mit dem Zentrum. Die Betreuer können ihre Schützlinge schnell einsortieren und wissen deshalb auch schnell, wenn etwas nicht zu stimmen scheint. Regelmäßiger Kontakt wird großgeschrieben und sehr ernst genommen – davon profitieren Betreuer wie Bewohner (auch wenn man das als junger Mensch auf dem Weg zur Selbstständigkeit nicht immer gern so sieht 😉 ).
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