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FGM, CGM, Closed-Loop: Welches System für wen?
4 Minuten
Seit der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), dass eine kontinuierliche Glukosemessung mit Alarmfunktion (CGM-System) bei entsprechender Indikation eine Regelleistung der Krankenkassen ist, steht ein erneuter Paradigmenwechsel in der Selbstkontrolle bevor. Prof. Danne mit einer Bestandsaufnahme.
Seit dem Umdenken von Urinzucker- zur Blutzuckermessung in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts galt der Blutzucker als der allgemein akzeptierte Standard für Menschen mit insulinpflichtigem Diabetes. Genauso, wie sich heute viele nicht mehr vorstellen können, ihre Diabetestherapie nach Urinzuckerwerten auszurichten, sind nun die Tage der Blutzuckermessung gezählt. Das abgebildete Schema ist ein Diskussionsvorschlag, nach dem wir im Kinder- und Jugendkrankenhaus “Auf der Bult” zukünftig Patienten beraten wollen:

Unterschiedliche Messsysteme – welches System passt zu wem? Diskussionsvorschlag, nach dem im Kinder- und Jugendkrankenhaus “Auf der Bult” zukünftig Patienten beraten werden sollen (größere Darstellung in der linken Spalte bzw. am Ende des Artikels).
Zur Information über CGM allgemein verweisen wir auf die SPECTRUM-Schulungsmodule 0, die auf der Webseite der AGPD (Arbeitsgemeinschaft für Pädiatrische Diabetologie) kostenfrei einsehbar sind.
Blutzuckermessung
Die Blutglukosemessung gibt als Momentaufnahme Auskunft über einen Zeitraum von wenigen Minuten. Sie erlaubt keine Vorhersage über eine ansteigende oder abfallende Tendenz des Blutzuckers und ist daher nunmehr nur für Menschen mit einer Diabetestherapie ohne Hypoglykämierisiko geeignet. Zur Überprüfung einer eventuellen Fehlmessung eines kontinuierlichen Systems und gegenwärtig noch zur Eichung der meisten kontinuierlichen Systeme wird die Blutzuckermessung aber zunächst weiter benötigt werden.
Flash Glucose-Monitoring (FGM)
Im Gegensatz zu den CGM-Systemen wird das FGM-Gerät (FreeStyle Libre) firmenseitig kalibriert und benötigt keine Eichung durch den Nutzer. Der Glukosesensor wird auf die Haut geklebt und übermittelt bis zu 14 Tage lang drahtlos kontinuierliche Glukosedaten an einen Touchscreen-Reader oder ein Android-Smartphone. Reader oder Smartphone müssen zum Ablesen der Werte über den Sensor gehalten werden.
Beim Ablesen des Werts mit dem Reader wird nicht nur der aktuelle “Real time”-Sensorglukose-Wert, sondern auch ein Glukosetrendpfeil sowie eine Grafik der letzten acht Stunden gezeigt. Ein wichtiger Unterschied zu den CGM-Geräten ist das Fehlen einer Alarmfunktion, da der Nutzer ohnehin das Lesegerät über den Sensor halten muss, um die Werte drahtlos einzuscannen. Das FGM ist für Kinder ab vier Jahren zugelassen.
Hypoglykämiereduktion ohne Alarm
Obwohl beim FGM die Alarmfunktion fehlt, zeigte die IMPACT-Studie bei 252 erwachsenen Typ-1-Diabetes-Patienten gegenüber Blutzuckermessung nicht nur eine signifikante Zunahme der Werte im Zielbereich (70 bis 180 mg/dl bzw. 3,9 bis 10 mmol/l), sondern auch eine Reduktion der Zeit in Hypoglykämie (Wert unter 70 mg/dl bzw. 3,9 mmol/l) um 38 Prozent sowie eine Reduktion der Zeit nächtlicher Hypoglykämien um 40 Prozent, obwohl fast keine Routine-Blutzuckermessungen mehr durchgeführt wurden (91 Prozent weniger).
Der Grund für diese Verbesserung im Vergleich zu fünf bis sechs Blutzuckermessungen täglich: Durchschnittlich wurde die Glukose mit FGM 15-mal gescannt – sowohl tagsüber als auch nachts.
Da dieses kontinuierliche System keine Alarmfunktion hat, ist es aber nicht in den G-BA-Beschluss zur Erstattung eingeschlossen. Weil aber die Kosten von FGM mit den Kosten für regelmäßige, häufige Blutzuckermessungen vergleichbar sind, erstatten immer mehr Krankenkassen auch die Kosten für FGM. Für alle Menschen mit Typ-1-Diabetes, die kein besonderes Risiko für schwere Unterzuckerungen haben, ist FGM auch ohne Alarm geeignet.
Kontinuierliche Glukosemessung mit/ohne Pumpe
Ein CGM-System kann das Leben mit Diabetes gerade für Kinder und Jugendliche mit ihrem grundsätzlich höheren Risiko für Hypoglykämien im Alltag deutlich vereinfachen und mit den Alarmmeldungen viel Sicherheit vermitteln, egal, ob die Kinder und Jugendlichen eine Pumpe tragen oder eine Injektionstherapie durchführen. Es eignet sich daher auch besonders für Diabetespatienten mit Hypoglykämiewahrnehmungsstörung, Athleten mit kompetitiven Sportarten und Schwangere.
Oft sind die Erwartungen an ein solches System sehr hoch und die Erleichterung im Alltag stellt sich nicht sofort ein. Im Modul 0 des SPECTRUM-Schulungsprogramms zu CGM hilft ein Fragebogen, gemeinsam eine Entscheidung für CGM mit dem Diabetes-Team zu diskutieren und sich über Motivation, Belastungen und Erwartungen klar zu werden.
Sensorunterstützt und mit Schutzfunktion
Bei uns werden alle Kleinkinder ab Manifestation mit einer Insulinpumpe behandelt. Da sie grundsätzlich Unterzuckerungen nicht selbst sicher erkennen können, besteht bei ihnen auch die Indikation, sofort mit einem CGM-System mit Schutzfunktion versorgt zu werden (mit automatischer Abschaltung der Insulininfusion bei Erreichen eines Unterzuckerungsschwellenwerts bzw. vorausschauender Abschaltung, wenn der niedrige Grenzwert voraussichtlich innerhalb von 30 Minuten erreicht wird – dies bieten Paradigm VEO bzw. Medtronic 640G mit Sensor).
Das gleiche gilt für Patienten mit schweren Hypoglykämien, da diese besonders von einem erneuten Auftreten einer möglicherweise folgenreichen schweren Unterzuckerung bedroht sind.
Hybrid-Closed-Loop
Im September diesen Jahres erhielt die Medtronic Minimed 670G-Sensor/Pumpenkombination (siehe Diabetes-Eltern-Journal 3/2016) die Marktzulassung in den USA. Dabei wird die Basalinsulingabe Tag und Nacht durch einen Rechen-Algorithmus auf ein fixiertes Ziel bei 120 mg/dl (6,7 mmol/l) entsprechend der Sensorglukose angepasst. Der Nutzer muss nach wie vor die Kohlenhydrataufnahme zu Mahlzeiten eingeben, die Blutzuckerbestimmung zur Kalibration durchführen und Sensor und Infusionsset wechseln.
Für welche Patienten dieses System geeignet ist, wenn es ca. 2018 auch in Deutschland erhältlich ist, lässt sich noch nicht sagen. Immerhin wollten 99 der 120 Teilnehmer der US-Zulassungsstudie das System auch vor der offiziellen Zulassung im Alltag nutzen.
von Prof. Dr. med. Thomas Danne
Chefarzt Diabetologie, Endokrinologie und Allgemeine Pädiatrie und klinische Forschung,
Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin “Auf der Bult”,
Janusz-Korczak-Allee 12, 30173 Hannover30173 Hannover
Telefon: 0511 / 8115 – 0 (Zentrale), Telefax: 0511 / 8115 – 1060
E-Mail: info@hka.de
Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2016; 9 (4) Seite 6-7
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sveastine postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Diabetes und Psyche vor 1 Woche
hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid
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stephanie-haack postete ein Update vor 1 Woche, 1 Tag
Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂
Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/
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lena-schmidt antwortete vor 1 Woche, 1 Tag
Ich bin dabei 🙂
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 3 Wochen, 2 Tagen
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina-
darktear antwortete vor 2 Wochen, 4 Tagen
Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig
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Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike
@mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid
Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike