Grippeimpfung bei Kindern mit Diabetes? Ja!

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Grippeimpfung bei Kindern mit Diabetes? Ja!

Menschen mit Diabetes – auch Kinder! – sollten sich jährlich gegen Grippe (Influenza) impfen lassen, weil bei ihnen im Fall einer Erkrankung Komplikationen wahrscheinlicher sind. Dr. Nicolin Datz beschreibt den Verlauf der Erkrankung, die möglichen Komplikationen, die Behandlung – und empfiehlt ausdrücklich die jährliche Impfung.

Im Herbst ist es wieder soweit: Die jährliche Grippeschutzimpfung steht an. Von der STIKO (Ständige Impfkommission, eine 18-köpfige Expertengruppe am Robert Koch-Institut) gibt es allgemeine Empfehlungen zur Durchführung von Impfungen, darunter auch eine klare Empfehlung dazu, welcher Personenkreis eine Grippeschutzimpfung erhalten sollte (siehe Kasten).

Wer sollte zur Grippeschutzimpfung gehen?
  • Personen ab dem 6.Lebensmonat mit erhöhter gesundheitlicher Gefährdung infolge eines Grundleidens:
    • chronische Erkrankung der Atmungsorgane
    • – chronische Herz-Kreislauf-, Leber- oder Nierenerkrankungen
    • Diabetes mellitus und andere Stoffwechselerkrankungen
    • – chronische neurologische Erkrankungen mit durch Infektionen getriggerten Schüben
    • – Personen mit angeborener Immundefizienz
    • – HIV-Infektion

  • Personen ab 60Jahren
  • Schwangere ab dem 2. Trimenon, bei Vorliegen eines Grundleidens im 1. Trimenon
  • Personen mit erhöhter Gefährdung (z. B. medizinisches Personal)

Neben den dort genannten Gruppen (Personen ab einem Alter von 60 Jahren, Schwangere ab dem zweiten Trimenon, Personen mit erhöhter Gefährdung (z. B. medizinisches Personal)) gibt es eine weitere, die hier von besonderem Interesse ist: Personen ab einem Alter von sechs Monaten, bei denen aufgrund einer bestehenden Grundkrankheit eine besondere gesundheitliche Gefährdung vorliegt. Zu dieser Gruppe gehören nämlich auch Kinder und Jugendliche mit Diabetes mellitus. Konkret bedeutet dies: Alle Kinder und Jugendlichen mit Diabetes sollten jährlich die Grippeschutzimpfung erhalten.

Abwehrende Reaktion in der Sprechstunde

Im Rahmen der Sprechstunde erleben wir am Diabeteszentrum dann immer wieder solche Reaktionen:
„Grippeimpfung? Ich doch nicht.“ – „ Das Risiko ist mir zu hoch.“ – „So ein bisschen Husten und Schnupfen ist doch nicht so schlimm, das hat mein Körper bisher immer erfolgreich bekämpft.“

Die durch den Influenzavirus hervorgerufene Grippe (Influenza) bedeutet jedoch nicht, „nur ein bisschen Husten und Schnupfen“ zu haben. Die Influenza ist eine hochfieberhafte, ernstzunehmende Erkrankung der oberen Atemwege, die in den unterschiedlichen Altersgruppen einen unterschiedlichen Verlauf nimmt und letztendlich auch zum Tode führen kann.

Die Influenza: Daten und Fakten

Die Übertragung erfolgt durch Tröpfchen, die beim Sprechen, Husten oder Niesen entstehen und auf die Schleimhäute enger Kontaktpersonen übertragen werden. Außerdem ist eine Übertragung über die Hände möglich. Es besteht eine hohe Ansteckungsgefahr (Kontagiosität). Bereits unmittelbar vor Auftreten der ersten Symptome und bei Beginn der Erkrankung ist die Ansteckungsgefahr für andere Personen am höchsten und hält ca. 4 bis 5 Tage an. Eine Virusausscheidung besteht für ca. 7 Tage, bei Kindern sogar bis zu 21 Tage. Die Inkubationszeit (Zeit von der Infektion bis zum Ausbruch) beträgt ein bis zwei Tage.

Die typische Grippesaison beginnt in Europa im Dezember/Januar und endet im März/April. Die jährliche Epidemie beginnt häufig bei den Jüngeren. Kindergarten- und Schulkinder verfügen über keine oder nur eine unzureichende Immunität und spielen daher für die Verbreitung des Virus in der Bevölkerung eine große Rolle. Immer wieder gibt es Pandemien, die die Kontinente überziehen. Die letzte Pandemie 2009/2010 führte nach Angaben der WHO zu 18.500 laborbestätigten Todesfällen weltweit, 252 davon in Deutschland.

Verlauf der Erkrankung

  • Säuglinge erkranken überwiegend mit dem Bild eines Infektes der oberen Atemwege (Bronchitis) und hohem Fieber. In diesem Alter verläuft die Erkrankung meist sehr schwer. Die Kinder müssen oft intensivmedizinisch behandelt werden.
  • Klein- und Schulkinder erkranken ebenfalls mit Infekten der oberen Atemwege, aber auch Durchfall, Übelkeit und Appetitlosigkeit können als Symptome auftreten. Gelegentlich zeigt sich auch ein vorübergehender Ausschlag am Körper. Das hohe Fieber kann zu Fieberkrämpfen führen.
  • Jugendliche und junge Erwachsene zeigen plötzlich auftretendes Fieber, Schüttelfrost, Abgeschlagenheit, Kopf-, Rücken- und Gliederschmerzen. Husten tritt meist erst nach 4 bis 5 Tagen auf und kann bis zu mehreren Wochen als Reizhusten bestehen.

Mögliche Komplikationen

Eine gefürchtete Komplikationen in allen Altersgruppen ist das Auftreten einer Lungenentzündung mit möglichem Lungenversagen oder zusätzlicher bakterieller Infektion. Auch Herzmuskelentzündung, Hirnhautentzündung und Muskelentzündung sind gefürchtete Komplikationen und führen zu schwerwiegenden Verläufen mit langen Klinik-
aufenthalten oder sogar bleibenden Problemen.

Für Komplikationen sind bestimmte Personengruppen besonders gefährdet (s. Kasten S. 25). Patienten mit Diabetes sind eine dieser Personengruppen, da der Stoffwechsel im Rahmen eines hochfieberhaften Infektes mit erhöhtem Insulin-und Flüssigkeitsbedarf zu hohen Blutzuckerwerten bis hin zur Ketoazidose entgleisen kann. Diese führt dann zu einer stationären Aufnahme und ist potentiell lebensgefährlich.

So wird die Grippe behandelt

Die Therapie ist in allen Altersgruppen zunächst symptomorientiert: Die Senkung des Fiebers und eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr stehen an erster Stelle. Treten zusätzliche bakterielle Infektionen auf, müssen Antibiotika gegeben werden, bei weiteren Komplikationen sind ggf. eine Beatmung und intensivmedizinische Behandlung notwendig.

Bei Personen mit einem erhöhtem gesundheitlichen Risiko kann eine antivirale Therapie versucht werden. Das Problem ist, dass diese Therapie in den ersten 24 bis 48 Stunden begonnen werden muss – die Diagnose muss also früh gestellt werden.

Vor der Influenza kann man sich schützen. Der sicherste Schutz ist die jährliche Impfung im Oktober/November. Die Weltgesundheitsorganisation WHO gibt jedes Jahr eine aktuelle Empfehlung der Impfstoffe bekannt. Für Kinder gibt es zu injizierende inaktivierte Impfstoffe (abgetötete Viren) und für zwei- bis 17-jährige seit 2012/2013 auch einen nasal zu verabreichenden Lebendimpfstoff (abgeschwächte Viren). Zwei Wochen nach der Injektion beginnt der Impfschutz und ist für eine Grippesaison gültig.

Nebenwirkungen der Impfstoffe

Vorübergehende lokale Reaktionen an der Impfstelle können eine Rötung und Schmerzen sein; wird der nasale Impfstoff verwendet, kann ein Schnupfen auftreten. Es kann zu Allgemeinsymptomen mit leicht erhöhten Temperaturen sowie Muskel- und Gliederschmerzen und Unwohlsein für 2 bis 3 Tage kommen. Bei Hühnereiweißallergie sind die hier genannten Impfstoffe kontraindiziert, also nicht anzuwenden, da sie in Spuren Hühnereiweiß enthalten. Es gibt für diese Fälle spezielle Impfstoffe.

Fazit

  • Die Influenza ist eine ernstzunehmende Erkrankung, die mit sehr hohem Fieber, Atemwegsinfekten und Muskelschmerzen einhergeht und zu schwerwiegenden Komplikationen führen kann.
  • Die Verläufe sind je nach Altersgruppe unterschiedlich.
  • Bei Vorliegen einer Grunderkrankung besteht ein erhöhtes Risiko für schwerwiegende Verläufe und Komplikationen.
  • Bei Vorliegen eines Diabetes mellitus besteht ein erhöhtes Risiko für eine Stoffwechselentgleisung mit Entwicklung einer Ketoazidose.
  • Kinder mit Diabetes gehören zu dem Personenkreis mit erhöhtem Gesundheitsrisiko und sollten jährlich eine Grippeschutzimpfung erhalten.

von Dr. med. Nicolin Datz
Oberärztin Pädiatrie III und Diabeteszentrum für Kinder und Jugendliche “Auf der Bult”,
Janusz-Korczak-Allee 12, 30173 Hannover,
E-Mail: datz@hka.de

Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2019; 11 (3) Seite 274-26

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  • hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid

    • Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike

    • @mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid

    • Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike

  • Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂

    Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/

  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

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