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In den vergangenen Monaten traten bei Luca verstärkt und oft ohne Vorwarnung Unterzuckerungen auf. Sein Vater Michael Denkinger mit einer Spurensuche und einem Apell an die Politik.
“Ich habe weiche Beine!” Seit der Diabetesdiagnose 2008 macht Luca mit diesem Hinweis auf eine mutmaßliche Hypoglykämie (Unterzuckerung) aufmerksam und liegt meist richtig. Klagt Luca über weiche Beine, ist sein Blutzuckerwert selten über 60 mg/dl (3,3 mmol/l). In den vergangenen Monaten traten Hypos bei Luca verstärkt und oft ohne Vorwarnung auf.
Viele Fragen beschäftigen uns seither: Warum fällt der Blutzuckerwert zuletzt in kurzer Zeit so rapide ab? Warum reagiert Luca auf einen niedrigen Blutzuckerwert von beispielsweise 50 mg/dl (2,8 mg/dl) extremer als in den Monaten zuvor?
Ein Ansatzpunkt ist die bevorstehende Pubertät des bald Zwölfjährigen. Ein weiterer unsere jüngst schrittweise Erhöhung des BE-Faktors, der zur Berechnung der Insulinmenge vor jeder Mahlzeit – in Abhängigkeit von der geplanten Menge an Kohlenhydraten – errechnet und gespritzt wird. Womöglich spielt beides eine Rolle. Den BE-Faktor hatten wir nach der Umstellung von der Pumpen- auf die Spritzentherapie in Absprache mit den Ärzten schrittweise angehoben.
Mit positivem Ergebnis: Der Langzeitblutzuckerwert HbA1c, verbesserte sich. Infolge der Hypos reduzieren wir aktuell wieder den BE-Faktor, fahren die Insulinabgabe also schrittweise wieder zurück. Für unseren Sohn bedeutet das, dass er häufig messen muss. Dazu haben wir ihn angehalten, um einer drohenden Hypoglykämie frühzeitig entgegenzuwirken.
In einem Fall ist Luca das letztens sehr gut gelungen: Eine Stunde nach dem Mittagessen, das er nach Vorgabe gespritzt hatte, zeigte das Display des Blutzuckermessgeräts 93 mg/dl (5,2 mg/dl) an. Ein sehr guter Wert, der bei uns dennoch die Alarmglocken schrillen ließ. Warum? Luca erklärt: “Das Blutzuckermessgerät zeigte an, dass 100 Prozent des abgegebenen Insulins noch verfügbar sein müssten, also noch überhaupt nicht wirken. Weil ich davor ein Fußballspiel hatte und der Sport bei mir oft nachwirkt, war klar, dass der Wert sinken wird.” Luca genehmigte sich (ohne zu spritzen) einen Apfel, eine Banane und einen Schokoriegel und lag mit der 4-BE-Zwischenmahlzeit exakt richtig – der Wert am Abend war gut.
Dass ein elfjähriges Kind mit Typ-1-Diabetes quasi aus dem Bauch heraus die richtige Entscheidung in einer so schwierigen und lebenswichtigen Situation trifft, in der Hoffnung, einem starken Unterzucker zu entgehen, ist großartig. Aber was passiert, wenn ihn sein Gefühl beim nächsten Mal trügt? Oder wenn ihm der kindliche Spieltrieb einen Strich durch die Rechnung macht? Die Antwort ist klar: Dann droht ihm eine schwere Hypoglykämie, in der er sich im Extremfall nicht mehr selbst helfen kann.
Die kontinuierliche Glukosemessung (Continuous Glucose Monitoring/CGM) könnte zahlreiche gefährliche Unterzuckerungen bei jungen Menschen mit Diabetes oder in Sondersituationen, wozu auch die Pubertät zählt, verhindern. Dass Anschaffung und dauerhafter Einsatz eines CGM-Systems für Betroffene und Angehörige häufig an den hohen Kosten scheitern, weil Krankenkassen nur bedingt einen Zuschuss leisten, ist eine sehr bedauernswerte Entwicklung.
Hier ist die Politik dringend gefordert. Auf schnelle Lösungen aus der Politik aber kann Luca ebenso wenig warten wie andere Menschen mit Diabetes: Jeder für sich muss seine Gesundheit so gut managen, wie es ihm möglich ist. Für Luca heißt das im aktuellen Fall: Noch häufiger messen und auf das Bauchgefühl achten.
von Michael Denkinger
Michael Denkinger (44) lebt mit seiner Familie in Memmingen und hat drei Kinder: Luca (11 Jahre), Angelina (14) und Timo (7). Er ist Inhaber der PR-Agentur Denkinger Kommunikation.
Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2015; 8 (2) Seite 34
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