- Eltern und Kind
Ihr Kind ist (auch) ein Diabetes-Manager – mit wertzuschätzenden Leistungen
4 Minuten
Ein Kind mit Typ-1-Diabetes ist weit mehr als Patient – es ist auch ein Diabetes-Manager mit wertzuschätzenden Leistungen. Der Beitrag zeigt, wie Eltern durch Verständnis, Kommunikation und Anerkennung das Selbstvertrauen und die Eigenständigkeit ihres Kindes stärken können.
Eine chronische Erkrankung wie ein Typ-1-Diabetes kann das Familienleben stark beeinflussen. Alle müssen lernen, wie sie gemeinsam so damit umgehen, dass die gewünschten Ziele erreicht werden. Nicht immer läuft das in geraden Bahnen, auch Umwege – die sich später vielleicht sogar als positiv herausstellen – sind möglich.
In erster Linie ist Ihr Kind Ihr Kind UND es hat genau wie Sie als Eltern viele Herausforderungen und Aufgaben zu meistern. Das gilt für alle Familien, unabhängig davon, ob eine chronische Erkrankung vorliegt oder nicht. Das Leben stellt uns immer wieder vor neue Herausforderungen und alles, was neu ist, verursacht häufig erst einmal Angst und Stress. Wir betreten unbekanntes Terrain und das macht uns Angst.
Aber wir dürfen neue Erfahrungen machen. Wir wissen nur begrenzt, wie die Dinge funktionieren können, und dadurch machen wir auch Dinge, die nicht funktionieren, um das gewünschte Ergebnis zu erreichen. Das ist rückblickend oft sogar großartig, denn so entwickeln wir uns weiter. Wir lernen aus unseren Erfahrungen, wenn wir nicht jeden “Fehler” verteufeln.
Mit der Diagnose des Diabetes ist es genauso – und unabhängig davon, wie alt das Kind bei der Diagnose ist, verändert sich das Leben schlagartig und gravierend. Plötzlich und unerwartet geraten alle in Stress.
Stress sichert das Überleben
Das ist erst einmal nicht schlimm, denn akuter Stress hat eine Funktion. Er sichert unser Überleben. Unsere Sinne werden geschärft und wir können in gefährlichen Situationen schneller reagieren. Erst wenn Stress dauerhaft anhält, macht er uns krank. Er schwächt unser Immunsystem und unsere Leistungsfähigkeit. Nicht zuletzt hat Stress Einfluss auf unsere Blutzuckerwerte, da Stresshormone dem Insulin entgegenwirken.
An dieser Stelle beginnt oft ein Teufelskreis. Die Versorgung des Diabetes ist nicht so, wie wir sie gern hätten. Die Situation des Stoffwechsels entspricht nicht unserer Erwartung. Unser Kind setzt Absprachen nicht um … Beispielsweise wird gegessen, ohne Insulin dafür abzugeben, oder das Insulin wird immer wieder erst nach dem Essen gespritzt. Korrekturen, die abgesprochen waren, erfolgen nicht … Vielleicht kommt Ihnen das bekannt vor.
Häufig sind wir Eltern dann verärgert und geraten, wenn etwas nicht funktioniert, in Stress. Das gilt auch für das Kind. Es zeigt sich in unseren Handlungen und oft in der Art, wie wir dann miteinander sprechen. Das Kind weiß schon, was es gerade nicht so gemanagt hat, wie es sinnvoll gewesen wäre. Manchmal ist das auch ein Signal an Sie: ein Appell zum Zuhören, Nachfragen und zur Kommunikation.
Stress verändert Kommunikation
Wenn wir verärgert oder wütend sind, sprechen wir in Vorwürfen. Wir werden laut, wir streiten, wir reden aneinander vorbei, weil wir oft nicht mehr zuhören. In der Absicht, es gut und richtig zu machen, vergessen wir oft, dass es so viele Einflüsse gibt, die wir nicht immer kontrollieren können. Manchmal hat es mit dem Diabetes nichts zu tun.
Wenn Kinder beispielsweise wachsen, wenn die Pubertät einsetzt, wenn Stress mit Freunden oder in der Schule auftritt, dann hat das auch Einfluss auf den Glukosewert. Dazu kommt, dass auch die Kinder bereits vielfältigen Aufgaben und Herausforderungen zusätzlich zur Diabetesversorgung ausgesetzt sind. Auch sie managen bereits viele Dinge altersabhängig selbstständig und der Diabetes ist Teil ihres Lebens.
Schlechtes Ergebnis gibt es nicht
In der Schule kommt es manchmal zu Ausgrenzung aufgrund der Erkrankung. Ihr Kind bleibt dann trotzdem Diabetes-Manager und auch Manager geraten in Stress. Stress entsteht unter anderem durch die Bedeutung, die wir Dingen geben, durch unsere Bewertungen.
Was, wenn es kein schlechtes Ergebnis gibt? Was, wenn jedes Ergebnis und vielleicht gerade das, das uns im ersten Moment nicht gefällt, genau richtig ist? Das Ergebnis lässt sich im Nachhinein nicht ändern, doch wir können es nutzen, um für die Zukunft wichtige Erkenntnisse zu gewinnen. So fällt der Vorwurf weg und wir kommunizieren auf einer anderen Ebene miteinander.
Ihr Kind hat eine Absprache nicht umgesetzt. Was taucht dann normalerweise auf? Ärger? Unverständnis? Wut? Wie wäre ein Gedankenwechsel? Ihr Kind hat eine Absprache nicht umgesetzt? Großartig! Warum denn nicht? Was ist sonst noch los? Was können wir in der Zukunft ändern? Wurde wirklich alles nicht umgesetzt? Neue Fragen und neue Gedanken werden die Kommunikation verändern.
Es lohnt sich, erst einmal nachzufragen: Was ist wirklich passiert? Sonst neigen wir dazu, in unseren Interpretationen zu sprechen, und das führt häufig zu Missverständnissen. Stellen Sie Fragen, statt Dinge vorauszusetzen. Wenn es kein Gut oder Schlecht gibt, sondern funktional oder nicht funktional für das gewünschte Ergebnis, wenn erst einmal alles sein darf, werden neue Fragen und Erkenntnisse auftauchen.
Leistung des Kindes anerkennen
Die Leistung des Kindes anerkennen, auch wenn sie vielleicht nicht unserer eigenen Erwartung entspricht. Den Fokus bewusst auf das lenken, was funktioniert. Dafür dankbar zu sein und das auch zu sagen. Das bedeutet nicht, dass es keine Absprachen und Regeln mehr gibt. Das bedeutet auch nicht, keine Konsequenzen zu ziehen. Auch das ist wichtig, um eine chronische Erkrankung zu versorgen.
Je nach Alter des Kindes sind die Tragweiten von Handlungen nicht immer klar. Hier heißt es, liebe- und absichtsvoll darüber zu sprechen, welche Bedingungen durch das Kind erfüllt werden sollen und welche Konsequenzen folgen, wenn Absprachen nicht eingehalten werden. Legen Sie dies gemeinsam fest und kommunizieren Sie es klar, damit später keine Schuldzuweisungen entstehen oder das Kind sich bestraft fühlt. Sind Konsequenzen und Bedingungen bekannt, ist das Umsetzen keine willkürliche Bestrafung.
Alle sitzen im selben Boot
Holen Sie die Kinder ins Boot, formulieren Sie klar Ihre Ziele – und feiern Sie sich gemeinsam, wenn sie erreicht wurden. Alle sitzen im selben Boot, aber haben verschiedene Aufgaben. Um anzukommen, muss man miteinander kommunizieren. Wenn nötig, dürfen Sie den Kurs wechseln. Alle müssen das Ziel kennen und lernen gemeinsam jeden Tag dazu. Ihr Diabetes-Manager tut das auch – geben Sie Ihrem Kind dafür Anerkennung.
Finden Sie gemeinsame Lösungen und denken Sie daran: Auch ein Manager braucht manchmal eine Pause. Dauerstress macht krank. Manchmal gelingen Dinge besser, wenn man loslässt. Plötzlich fallen einem andere Lösungen ein. Das bedeutet nicht, den Diabetes zu vernachlässigen, doch manchmal kommt man mit Gelassenheit schneller zum gewünschten Ergebnis und zu mehr Familienfrieden.
„Highlights” – gut zu wissen
- Seien Sie wertschätzend miteinander.
- Feiern Sie sich jeden Tag für alles, was Sie erreicht haben. Oft ist es mehr, als wir glauben, da wir vieles für selbstverständlich halten.
- Richten Sie sich neu aus und fokussieren Sie sich auf die Dinge, die funktionieren. Seien Sie dafür dankbar.
- Vermeiden Sie Vorwürfe, denn die Vergangenheit lässt sich nicht mehr ändern.
- Finden Sie gemeinsame Lösungen.
- Lernen Sie aus jeder Erfahrung, denn sie sind die Möglichkeit, in der Zukunft etwas zu ändern.
- Kommunizieren Sie Ihre Erwartungen klar, stellen Sie Bedingungen und benennen Sie, liebevoll, Konsequenzen.
- Stellen Sie Fragen: Warum wurde etwas nicht umgesetzt? Was war anders? Was können wir zusammen ändern? Welche Vorschläge hat das Kind? Wie geht es dem Kind?
- Treffen Sie Vereinbarungen und klare Absprachen über die Ziele.
von Dr. Katja Schaaf
Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2023; 11 (4) Seite 14-16
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cesta postete ein Update vor 2 Tagen, 11 Stunden
Hallo zusammen, ich habe eine Frage an euch. Ich habe seit 4 Jahren Typ 1 LADA und bisher nur mit Basalinsulin ausgekommen. Seit 3 Wochen muss ich nun auch zu jeder Mahlzeit Humalog spritzen. Für die Berechnung wiege ich immer alles ab. Könnt ihr eine App empfehlen, die bei der Berechnung der Kohlenhydrate unterstützt? Oder habt ihr andere Tipps wie man sich daran gewöhnt? Ich wiege bisher alles ab und kann mir gar nicht vorstellen, dass ich mir das zukünftig merken kann bzw. wie ich die Kohlenhydrate schätzen kann. Vielen lieben Dank für eure Hilfe! Liebe Grüße, Christa
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kw antwortete vor 16 Stunden, 4 Minuten
Hallo cesta, ich habe gute Erfahrungen mit der WETID App gemacht. Hier erhältst du für fast alle Lebensmittel BE – Werte. Man kann auch das Portionsgewicht eingeben und erhält dann die entsprechenden BE’s.
Die App mit Werbung war bisher kostenlos. App ohne Werbung und im Abo ist besser.LG von kw = Kurt mit Diabetes Typ 3c
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moira antwortete vor 9 Stunden, 34 Minuten
Hallo Christa! Ich verwende die FDDB app. LG Sarah (Lada)
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sveastine postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Diabetes und Psyche vor 1 Woche, 5 Tagen
hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid
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mayhe antwortete vor 1 Woche, 5 Tagen
Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike
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sveastine antwortete vor 1 Woche, 5 Tagen
@mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid
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mayhe antwortete vor 1 Woche, 4 Tagen
Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike
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sveastine antwortete vor 2 Tagen, 23 Stunden
@mayhe: Hallo Heike, oh da hast du aber auch viel geschafft. Ja ich habe die Kinder mit Diabetes bekommen und meine Kinder sind 26,25,23 und bald 19 🥰….und wie du hoffe bald wieder fit zu sein. Beruflich wechsle ich jetzt vom Kinderhospiz wieder in die Krippe da es dort vorausschaubarer ist als im Schichtdienst. In der Hoffnung der Diabetes lässt sich dort wieder besser einstellen. Eigentlich sollte ich auch die Ernährung wieder umstellen, das weiß ich aber es fällt mir so schwer. Wie ist das da bei dir. Was machen deine Werte ? Viele Grüße Astrid
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mayhe antwortete vor 2 Tagen, 20 Stunden
@sveastine: Hallo liebe Astrid, sag mal kann es sein, daß du in den Wechseljahren bist? Ich habe meine schon hinter mir, aber das war zuckertechnisch eine der schwierigsten Zeiten, weil ständig alles durcheinander war. Damals war ich allein 2 x in der Diabetes Klinik Bad Mergentheim zum Anpassen innerhalb von 3-4 Jahren. Die Hormonwirkungen waren der Wahnsinn. Jetzt ist es wieder deutlich ruhiger. Was hast du eigentlich für eine Versorgung? Pen? Pumpe? Insulin? Sensor?
Ich habe die Tandem tslim mit Sensor und Novorapid. Und das ist für mich der game changer gewesen. Seitdem werden die zuckertechnischen Anstrengungen auch mit guten Werten belohnt. Liebe Grüße Heike -
sveastine antwortete vor 2 Tagen, 9 Stunden
@mayhe: Hi, ja ich bin in den Wechsel Jahren schon eine ganze Weile und nehme Hormone. Das ist denke ich ist der Hauptgrund der Schwankungen, aber das geht schon seit ca 3 Jahren so, was doof ist. Ich hab das gleiche System wie du tslim und Dexcom, trotzdem schwierig.aber für Bad Mergentheim lt. Diabetologe zu gut um die Genehmigung dafür zu bekommen 🤷🏻♀️
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mayhe antwortete vor 1 Tag, 20 Stunden
@sveastine: Das ist ja witzig, das du dieselbe Versorgung hast. Also bist du da optimal versorgt. Jetzt verstehe ich deinen Frust. Nach den Behandlungen in Bad Mergentheim war es wenigstens eine Weile besser. Warst du schon mal in Reha wegen dem Zucker? Ist zwar nicht Bad Mergentheim, aber manche Rehakliniken machen das wohl echt gut. Du musst “nur” darauf achten, dass sie ein spezielles Angebot für Typ1er haben. Ich war 2019 in der Mediclin Klinik Stauffenberg, Durlach. Das war okay. Am wichtigsten fand ich den Austausch mit den Mitpatienten. Aber natürlich ist der Aufwand für dich bei 4 Kindern für 3 Wochen, sehr hoch. Und eine Garantie dafür das dann länger besser läuft gibt es nicht. Ich fand es aber immer wichtig, den zuckertechnischen Input und die Solidarität zu erfahren. Liebe Grüße Heike
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mayhe antwortete vor 1 Tag, 20 Stunden
@mayhe: Nicht Durlach, sondern Durbach.
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stephanie-haack postete ein Update vor 1 Woche, 6 Tagen
Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂
Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/
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lena-schmidt antwortete vor 1 Woche, 6 Tagen
Ich bin dabei 🙂
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